Geisterstudierende

Wenn sich ein Student zur Prüfung anmeldet, aber nicht zur Vorlesung kommt, macht er dann ein Geräusch?

Keine Ahnung, aber wenn er zur Prüfung erscheint, dann sollte er zumindest inhaltlich vorbereitet sein.

Wie er das hinbekommt?

Keine Ahnung, aber das kann mir erfreulicherweise egal sein. Meinetwegen können die Studierenden die erwünschten Kompetenzen auch per Neuro-Linguistischer Programmierung erwerben oder sich von Außerirdischen einpflanzen lassen. Ich bin zwar der Ansicht, dass das Lehrangebot, das wir ihnen machen, die beste und effizienteste Methode ist, aber für den Lernerfolg sind sie in letzter Konsequenz selber verantwortlich.

Wir haben so etwas wie eine Engagement-Pyramide in unserer Lehrveranstaltung – je mehr Aktivität eingefordert wird, desto weniger Studierende machen mit. Im Einzelnen:

  • 167 Student_innen haben sich zur Prüfung angemeldet. Sie können sich noch bis eine Woche vor dem Termin abmelden, so dass die Zahl noch etwas sinken könnte. Die Erfahrung des Vorjahrs legt aber nahe, dass das nur wenige tun werden.
  • 102 hatten sich bis Ende letzter Woche bei Moodle eingetragen und haben damit Zugriff auf das komplette Material des Kurses.
  • 40-50 Studierende erscheinen zu den Präsenzsitzungen.
  • Wir erhalten ca. 15-25 Antworten pro Übungsfrage. Da nicht alle Studierenden alle Fragen bearbeiten, gibt es einen Kern von ca. 30-40 Studierenden, die häufig die Fragen beantworten.
  • In der Vorbereitungsphase gibt es ca. 60-80 Zugriffe auf die angegebenen Texte, 40-60 Zugriffe auf die Videos und ca. 80-110 Zugriffe auf eine Übungsfrage.

Die Beobachtung ist erst einmal klar: Nur ein Teil der Studierenden nimmt unser Angebot wahr. Der Rest verlässt sich vermutlich auf bewährte Methoden der Prüfungsvorbereitung: Drei Tage vor dem Termin anfangen, die Folien auswendig zu lernen. Dass die Studierenden hier auf das von ihnen selbst stets kritisierte „Bulimie-Lernen“ verfallen, finde ich ironisch, kann ihnen das aber kaum vorwerfen, weil diese Methode sonst anscheinend gut genug funktioniert.

Um alternative Erklärungen auszuschließen, habe ich in einer Sitzung zu eine kurze PINGO-Abfrage gemacht. Meine erste Vermutung war, dass wir viele Teilnehmer_innen haben, die die Vorlesung wiederholen. Von 30 antwortenden Studierenden war das aber nur einer. (Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass viele Student_innen, die nicht gekommen waren, zu den Wiederholern zählen.)

Meine zweite Vermutung war, dass die Studierenden den Sinn der Übungsaufgaben nicht so recht erkennen. Von 31 Antworten besagten 23, dass die Übungsaufgaben ganz oder teilweise bearbeitet werden würden. Vier Studierende gaben an, dass sie die Fragen anschauen aber nicht beantworten. Weitere drei sagten, sie hätten keine Zeit zur Beantwortung, und nur eine Antwort lautete, dass die Übungsaufgaben nicht benötigt würden. Hier ist zwar offenbar noch Luft nach oben, aber im Großen und Ganzen war auch hier keine Verweigerung gegenüber den Übungsaufgaben zu erkennen.

Natürlich kann ich jeweils nur die Studierenden befragen, die auch zur Vorlesung erscheinen, also die etwa 30%, die anscheinend über eine stärkere intrinsische Motivation verfügen. Die Qualität der Diskussionen zeigt mir auch deutlich, dass die Studierenden, die zur Präsenzsitzung erscheinen, in der Mehrzahl ordentlich vorbereitet sind. Anders herum: Wer die Übungsaufgaben macht, kommt auch zur Veranstaltung.

Und was ist mit den anderen? Tja, wer nicht kommt und sich nicht mal für die Lernplattform anmeldet, dem kann ich nicht weiterhelfen, auch wenn ich das wirklich gerne möchte. Es ist nun mal so, dass sich nicht alle unserer BA-Studierenden für die Internationalen Beziehungen interessieren und dass die Studierenden ziemlich strategisch mit Pflichtveranstaltungen und den dort zu erbringenden Prüfungsleistungen umgehen. Ich nehme ihnen das nicht krumm.

Vielleicht muss es sich auch erstmal durch die Kohorten herumsprechen, dass für meine Veranstaltung eine andere Strategie zur Prüfungsvorbereitung notwendig ist. Zunächst werden wir aber in den Prüfungen sehen, ob alternative Methoden wie NLP oder Alien-Implantate mit dem Inverted Classroom mithalten können.

2 Gedanken zu „Geisterstudierende

  1. Jutta Wergen

    also, NLP kann Studierende tatsächlich beim Lernen unterstützen, allerdings ist es eine Methode mit der man (gewünschtes) „Veränderungsmanagement“ von Menschen unterstützt z.B. in dem man „Repräsentationssysteme“ (visuell, auditiv, kinestätisch..) aktiviert, sowie vielfältige NLP-Formate einsetzt. Daraus lassen sich auch individuelle Lern- und Motivationstechniken „basteln“ :-)!!!!
    Allerdings kann man damit nicht Lernstoff in Menschen „programmieren“ insofern hast du recht, dann doch lieber Alien-Implantate oder einfach in deine Veranstaltung kommen 🙂
    Liebe Grüße, Jutta

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