Die Vorlesung als Quiz? Hörsaalabstimmungssysteme in Vorlesungen

Dies ist ein Gastbeitrag von Kai-Uwe Schnapp (Universität Hamburg).

Vorlesungen gehören zur Universität. An bestimmten Stellen, etwa im Einführungsbereich, haben Sie nach meiner Überzeugung eine starke Berechtigung. Sie vermitteln Überblickswissen, tragen zur Sozialisation ins Fach bei und vermitteln auch einen Teil des Lebensgefühls „Universität“. Gleichzeitig sind sie aus der Zeit gefallen. Nicht nur aber auch weil wir inzwischen wissen, dass nach 15 Minuten passiven Zuhörens die Aufmerksamkeit rapide abnimmt, und das nicht erst, seit der ganze Hörsaal voller Smartphones sitzt.

Kann man jenseits eines vollständigen Umstürzens des Vorlesungssaales im Sinne des Konzeptes „flipped-classroom“ etwas tun, das Abhilfe schafft? Ich denke man kann, frau kann auch, und zwar mit Hilfe von Hörsaalabstimmungssystemen („classroom response systems“). Das sind technische Systeme, die es den Studierenden ermöglichen, im Hörsaal Fragen zu beantworten, in der Regel sind das Multiple-Choice-Fragen. Das Antwortverhalten wird vom Abstimmungssystem ausgewertet und auf den Laptop des Vorlesenden übertragen, so dass dieser das Ergebnis sofort sehen und den Studierenden auf der Leinwand zeigen kann. Das kann dann z.B. so aussehen:

Musterbildschirm mit Frage und Auswertung des Antwortverhaltens

Damit das Ganze funktioniert, bedarf es geeigneter Sender bei den Studierenden, eines geeigneten Empfängers beim Lehrenden und einer Software, die die einkommenden Daten auswertet und idealerweise grafisch aufbereitet. Hierfür gibt es Softwarelösungen wie Pingo oder StuReSy, die das ganze internetbasiert betreiben und Hardwarelösungen, wie etwa die Clicker der US-amerikanischen Firma H-ITT oder von Smart-Technologies. Ich selbst benutze das System von H-ITT. Es besteht aus kleinen Sendern, die einer Fernbedienung ähneln; einem Empfänger, der per USB-Anschluss an den Laptop des Lehrenden angeschlossen wird und einer Software, die auf dem Rechner die Daten auswertet und zur Anzeige bringt. Das System ist schnell installiert und binnen weniger Minuten einsatzbereit. Aufwand entsteht fast nur auf der inhaltlichen Seite, bei der Erarbeitung der Fragen und ihrer Umsetzung in geeignete Präsentationsmedien.

Warum sollte man solche Hörsaalabstimmungssysteme in Vorlesungen einsetzen? Die offensichtliche Antwort lautet: Sie lockern einen langen Vortrag durch Eigenaktivität der Studierenden auf. Die Clickerfrage ist aber viel mehr als nur Abwechslung in einer Vorlesung. Sie ist, gut gestellt, im besten Sinne des Wortes eine Aktivierung der Studierenden. Sie kann dazu genutzt werden, unmittelbar festzustellen, ob ein bestimmter Inhalt angemessen verstanden wurde. Die Frage hilft dabei festzustellen, mit welchem Vorverständnis Studierende in den Hörsaal kommen. Oder sie kann dazu anregen, über einen Gegenstand nachzudenken oder ihn sogar mit den KommilitonInnen zu diskutieren, ehe die Lehrperson ihre Inhalte präsentiert.

Die unmittelbare „Prüfung“ des Verständnisses des vorgetragenen Stoffes ist für Studierende wie Lehrende hilfreich. Studierende bemerken, an welchen Stellen Nacharbeit nötig ist und das Fragen-Antwort-Lösung-Spiel trägt zur Emotionalisierung des Lernprozess bei. Immer wieder sieht man Studierende, die freudig die Hand hochreißen, wenn eine Frage richtig beantwortet wurde, oder ärgerlich auf das Pult hauen, wenn etwas danebenging. Das alles ist in hohem Maße willkommen, tragen doch Emotionen bekanntermaßen dazu bei, dass Inhalte fester im Gehirn verankert werden. Lehrende können ihrerseits feststellen, wie erfolgreich sie mit ihren Erläuterungen gewesen sind, ob Vertiefungsbedarf besteht, oder ob das nächste Thema begonnen werden kann.

Genauso ist es auch sinnvoll, Fragen zu stellen, auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Die Frage und Antwortalternativen sollten dann so formuliert sein, dass bereits in der Diskussion deutlich werden kann, dass es hier um das Abwägen von Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Varianten geht, nicht um das Finden der einen richtigen Lösung. Die Lehrperson muss dann natürlich in geeigneter Weise auflösen. Sie muss also Alternativen abwägen, Vor- und Nachteile benennen und begründen, warum sie sich für welche Lösung entscheidet. Bei dieser Nutzungsform fehlt für die Studierenden zwar das „Glückserlebnis“, ein bleibender Lerneffekt stellt sich durch die intensive Diskussion gleichwohl ein.

Damit das alles funktioniert, müssen geeignete Fragen gestellt werden. Man muss also gute Multiple-Choice-Antworten formulieren, die weder zu eindeutig auf das richtige Ergebnis zeigen, noch so schwierig sind, dass sie vor allem Frustrationserlebnisse erzeugen. Für die Formulierung der Fragen gelten die üblichen Regeln für das Gestalten von Multiple-Choice-Fragen, wie man sie auf diversen Webseiten findet. (Beispiele: eLearning Coach, Vanderbilt Center for Teaching)

Die Vorbereitung von 6-8 Clickerfragen für eine Vorlesung kostet zwischen 30 Minuten und zwei Stunden. Letzteres ist der Fall, wenn noch gar keine geeigneten Fragen zu einem Thema vorliegen oder aufwändige Grafiken für die Fragen zu erstellen sind. Kann man dagegen auf einen Fundus geeigneter Multiple-Choice-Fragen zurückgreifen, so reduziert sich die Vorbereitungszeit auf wenige Minuten. Man braucht dann gerade so viel Zeit, wie es kostet, die Fragen in einem geeigneten Grafik- oder Präsentationsprogramm umzusetzen. Und manchmal hilft einfach die Inspiration, weil einem auf dem Weg an die Uni eine tolle Frage einfällt, die man vor dem Weg in den Hörsaal noch schnell umsetzt.

Gepflegt und verwaltet wird die Technik bei uns übrigens vom E-Learning-Büro der Fakultät. Die Auslagerung der Administration aus den Professuren bietet sich an, wenn das System von unterschiedlichen Lehrenden parallel genutzt werden soll.

3 Gedanken zu „Die Vorlesung als Quiz? Hörsaalabstimmungssysteme in Vorlesungen

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