Archiv des Autors: lambach

Seminare in der politikwissenschaftlichen Lehre gestalten – Ein Interview mit Carola Klöck

Der neueste Band unserer Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik befasst sich mit einer absoluten Grundfeste der politikwissenschaftlichen Lehre – dem Seminar. Jede und jeder hat es dutzendfach im Studium besucht und die ersten eigenen Lehrerfahrungen macht man meistens auch mit diesem Format. Oft entwickelt man dabei eine gewisse Vorgehensweise, die auf eigenen Erfahrungen und gesundem Menschenverstand beruht, bekommt aber nur selten vermittelt, wie man strukturiert an die Planung eines Seminars herangehen kann. Dabei soll dieses Buch helfen. Carola Klöck (Sciences Po) hat es geschrieben und wir haben ihr drei Fragen gestellt.

 

1) Worum geht es in diesem Buch?

Das Buch versteht Seminare in der politikwissenschaftlichen Lehre als interaktive Lehrräume. Studierende sollen sich ein Themengebiet selbst erarbeiten. Entsprechend ist die Aufgabe der Lehrenden in erster Linie, ihre Studierenden zum aktiven Lernen zu bringen, und das heißt: Die Studierenden müssen vorbereitet kommen und die ausgewählten Texte gelesen haben. In der Sitzung müssen sie vielleicht etwas präsentieren, sich an Diskussionen beteiligen oder sich bei Gruppenarbeiten einbringen. Das Buch diskutiert die Herausforderung an solche interaktiven Seminare, und stellt konkrete Beispiele vor, mit denen es hoffentlich leichter fällt, Studierenden zu aktivieren und zur Mitarbeit zu motivieren.

Ganz konkret gehe ich auf die Vorbereitung und Planung von Seminaren als auch deren Umsetzung ein, und das sowohl auf Dozierenden- wie auf Studierendenseite. Mit anderen Worten: ich beschäftige mich mit der Themen- und Lektüreauswahl, dem Format (Kleingruppen, Plenardiskussionen, Präsentationen etc.) und der Bewertung, sowie mit Fragen wie beispielsweise der Lese-Compliance. Und da das Seminarformat sehr flexibel ist, bespreche ich noch einige gängige Seminarformen, vom klassischen Referate-Seminar bis hin zum Online-Seminar.

2) Warum ist das Thema für die politikwissenschaftliche Hochschullehre wichtig?

Politikwissenschaftliche Hochschullehre besteht vor allem aus Seminaren! Somit haben Seminare auch eine herausragende Stellung in unserer Lehrtätigkeit; wahrscheinlich unterrichtet jede.r Politikwissenschaftler.in mindestens ein Seminar. Zudem beginnen die meisten von uns ihre Lehre mit dem Unterrichten von Seminaren – und am Anfang seiner Lehrkarriere hat man ja die meisten Fragen und Zweifel. Außerdem kennt sicher jede.r die Situation: keiner hat den Text gelesen, es kommt keine richtige Diskussion auf, am Ende gerät das Seminar immer mehr zum Monolog des Lehrenden. Aber die Politikwissenschaft lernt man nun mal am besten über das Tun: Seminare dienen vor allem dazu, das Werkzeug der Politikwissenschaften zu vermitteln, also Lesen, Denken, Präsentieren, Schreiben wie ein.e Politikwissenschaftler.in. Und dazu muss man eben selbst lesen, denken, präsentieren und schreiben, und nicht nur zuhören. Das ist der wesentliche Ausgangspunkt des Buches, der sich im Übrigen auch auf die pädagogische Fachliteratur stützt. Und Studien zeigen immer wieder die Vorzüge aktiven Lernens.

 

3) Wer sollte dieses Buch lesen?

Jede und jeder, die oder der Politikwissenschaft lehrt! Das Buch richtet sich zwar primär an Lehranfänger.innen, aber auch Kolleg.innen, die schon jahrelang Seminare unterrichten, finden hoffentlich den einen oder anderen Denkanstoß oder Idee für die eigene Lehre. Als ich für das Buch recherchiert habe und mich mit der entsprechenden hochschulpädagogischen Literatur beschäftigt habe, hat das auch meine eigene Lehre inspiriert. Zum Beispiel gebe ich mittlerweile keine Pflichtlektüre vor, sondern stelle eine Liste von 3-5 Texten pro Woche bereit. Die Studierenden dürfen dann frei wählen, welchen dieser Texte sie lesen. Der Austausch und Vergleich der verschiedenen Artikel dient dann schon als Basis für eine erste Diskussion in Kleingruppen.

 

Das Buch ist erhältlich über https://www.wochenschau-verlag.de/Seminare-in-der-politikwissenschaftlichen-Lehre-gestalten/41568 und bei allen Buchhandlungen.

 

Das Flipped Classroom Arbeitsbuch

Ich schreibe auf dieser Plattform schon seit fast einem Jahrzehnt über die Meriten des Flipped (oder Inverted) Classrooms. Ich setze das Konzept in meiner eigenen Lehre ein, schreibe Artikel darüber und gebe hochschuldidaktische Workshops, um andere Lehrende in der Methode zu schulen.

Um den Workshop-Teilnehmer:innen zu helfen, ihren Unterricht umzustellen, habe ich ein Flipped Classroom Workbook zusammengestellt, das sie durch den Prozess führt. Ich stelle es unter einer Creative Commons NC-BY-SA 4.0-Lizenz zur Verfügung, damit es für nicht-kommerzielle Zwecke und mit der richtigen Namensnennung weitergegeben werden kann. Das einzige, worum ich bitte, ist Feedback! Dies ist noch ein sehr schneller erster Entwurf und ich möchte ihn irgendwann überarbeiten. Wenn ihr es also benutzt, wenn ihr irgendwelche Gedanken, Ideen oder Vorschläge habt, schickt mir eine E-Mail an kontakt (at) daniel-lambach (dot) de. Danke – und weitersagen!

Flipped Classroom Workbook V1 (pdf)

Flipped Classroom Workbook V1 (docx)

[Edit: Nach toller Resonanz und einigen guten Vorschlägen habe ich sogleich V2 erstellt. Habt ihr noch mehr Ideen zur Verbesserung?]

Flipped Classroom Workbook V2 (pdf)

Flipped Classroom Workbook V2 (docx)

Take Home Exams als alternative Prüfungsformen in der Politikwissenschaft

Dies ist ein Gastbeitrag von Dana Atzpodien (Universität Münster).

Die Verlagerung der Lehre in den Online-Betrieb hatte erhebliche Auswirkungen auf den Prüfungsbetrieb an den politikwissenschaftlichen Instituten deutscher Universitäten. Waren an vielen Standorten vor der Pandemie Präsenzklausuren im Hörsaal Standard bei der Prüfung großer Lerngruppen, stehen viele Lehrende nun vor der Herausforderung, Alternativen zu entwickeln. Neben Online-Klausuren rücken dabei sogenannte „Take Home Exams“ in den Fokus. Warum Take Home Exams auch unabhängig von digitalen Hochschulsemestern eine willkommene Ergänzung des Prüfungsportfolios in der Politikwissenschaft sind, werde ich in diesem Blogbeitrag ausformulieren.

Zunächst werde ich erläutern was Take Home Exams überhaupt sind und was bei der Konzeption, Vorbereitung, Durchführung und Bewertung für Prüfende zu beachten ist. Anschließend folgen zwei Praxisbeispiele aus meiner Lehre am Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster: Ein Take Home Exam in Anlehnung an eine Klausur und ein Take Home Exam in Anlehnung an eine Hausarbeit. Danach gehe ich auf das Feedback der Studierenden zu den beiden Prüfungen ein und ziehe mein eigenes Resümee. Nach dem abschließenden allgemeineren Fazit folgen noch weiterführende Links zur umfassenden Auseinandersetzung mit der Prüfungsform.

Dieser Blogbeitrag fasst die zentralen Inhalte des Zoom-Workshops vom 4. Mai 2021 zusammen. Den gesamten Vortrag können Sie sich auf YouTube ansehen.

Take Home Exams

Beim Take Home Exam bearbeiten die Studierenden „eine oder mehrere vorgegebene Fragestellungen schriftlich oder elektronisch, eigenständig, ohne Aufsicht, ggf. unter Nutzung von zugelassenen Hilfsmitteln, im Umfang einer bestimmten Bearbeitungsdauer und in einem festgelegten Bearbeitungszeitrahmen, der länger als die eigentliche Bearbeitungsdauer der Prüfungsleistung sein kann“ (Universität Hamburg 2021).

Das Take Home Exam bietet als digitale Prüfungsform einige Vorteile gegenüber einer klassischen Klausur: Insbesondere während der Pandemie müssen die Studierenden für die Prüfung nicht in die Universität kommen und können die Prüfung zu Hause oder an einem Ort ihrer Wahl ablegen. D.h. die Prüfenden müssen sich nicht mit der Raumplanung oder einem Hygienekonzept auseinandersetzen. Durch die individuelle Gestaltung der Prüfungsumgebung ist es den Studierenden möglich, ihren individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wenn die Prüfungszeit dann auch noch angemessen länger als die eigentliche Bearbeitungszeit ist, können außerdem Pausen eingelegt sowie Care-Verpflichtungen und Lohnarbeit nachgegangen werden. Ebenso wie bei einer Hausarbeit zeichnet sich die Prüfungsform daher durch ein hohes Maß an Vertrauen gegenüber den Studierenden und Eigenverantwortung aus. Es wird auf eine Überwachung, wie bei einigen Online-Klausuren, via Videokamera oder Tonaufnahmen verzichtet und es gibt keinen Eingriff in die Privatsphäre der Studierenden. Das Format des Take Home Exams ermöglicht es, gegenüber einer Online-Klausur, darüber hinaus technische Probleme besser aufzufangen bzw. setzt die Studierenden und Prüfenden nicht so unter Druck wie bei einem engeren Zeitfenster. Die Studierenden benötigen auch nicht durchgängig oder stabil einen Internetzugang, sondern nur beim Down- und Upload der Aufgabenstellung und Abgabe der Prüfung.

Die begrenzte Bearbeitungszeit bietet trotz der gegebenen Freiheiten mehr Planungssicherheit für alle Beteiligten. Planungssicherheit ist sowohl für die Studierenden als auch die Prüfenden von Vorteil, da am Ende des Semesters meist mehrere Prüfungen koordiniert werden müssen. Außerdem kann anders als bei Klausuren die Arbeitsbelastung für die Studierenden gestreut werden.

(Online) Klausur Take Home Exam Hausarbeit
Durchführung Prüfungszeit entspricht der Länge der Bearbeitungszeit Prüfungszeit entspricht der Länge der Bearbeitungszeit plus Puffer Prüfungszeit ist unabhängig von der Bearbeitungszeit: Abgabefrist meist Ende des Semesters
Kompetenzbereiche

(Hochschulrektorenkonferenz 2015)

(1) Erinnern und verstehen
(2) Anwenden
(2) Anwenden
(3) Analysieren und Bewerten
(4) Erweitern und Erschaffen
(1) – (4)
Vorbereitung Probeklausur
Aufgabenstellung und Erwartungshorizont
Technische Infrastruktur
Probe Take Home Exam

Aufgabenstellung und Erwartungshorizont
Technische Infrastruktur

Beispiele
Individuelle Sprechstunde(n) mit Studierenden
Bewertung Automatisiert und händisch
Inhalte gemäß Erwartungshorizont
Händisch
Inhalte und Struktur gemäß Erwartungshorizont(Inhalt individuell)
Händisch
Struktur gemäß Erwartungshorizont
Inhalt individuell

Bevor ich final auf die beiden von mir selber erprobten Formate von Take Home Exams und die Erfahrungen mit meinen Studierenden berichte, werde ich allgemeiner auf die Konzeption, Vorbereitung, Durchführung und Bewertung der Take Home Exams eingehen.

Konzeption

Das Take Home Exam ist ein flexibler Hybrid aus einer klassischen (Online-) Klausur und einer Hausarbeit. Dabei können sowohl die Form als auch die Inhalte auf das jeweilige Vorlesungs- bzw. Seminarkonzept und die Studienleistung angepasst werden und vice versa. Schreiben die Studierenden in der Studienleistung Essays oder fertigen Flussdiagramme an, kann dies auch Bestandteil des Take Home Exams sein. Grundsätzlich empfiehlt sich bei der Konzeption eine Abstimmung auf die für das Seminar formulierten Lern- und Kompetenzziele. Der Umfang des Seminars und der Prüfungsleistung kann wiederum mit der Prüfungsordnung abgeglichen werden.

Im Gegensatz zur Klausur und ähnlich zur Hausarbeit ist das Take Home Exam darüber hinaus durch die längere Bearbeitungszeit eine ausgezeichnete Option, um die Prüfung als eine Fortsetzung des Lernprozesses für die Studierenden zu gestalten anstelle einer reinen Abfrage von vorher vermitteltem Wissen. Die Studierenden können die Zeit bei den Aufgaben der höheren Kompetenzbereiche für Reflexion nutzen und ihr gelerntes Wissen anwenden (Bengtsson 2019). Komplexere Aufgaben aus den höheren Kompetenzbereichen erschweren außerdem wissenschaftliches Fehlverhalten. Es bieten sich insbesondere die Anforderungsniveaus „Anwenden“, „Analysieren und Bewerten“ sowie „Erweitern und Erschaffen“ an, wobei die ersten beiden gut miteinander verbunden werden können. Eine Aufgabenstellung im Anforderungsbereich „Erweitern und Erschaffen“ verlangt von den Studierenden deutlich mehr und kann schwer zeitlich kalkuliert werden, was zu einer Überforderung bei den Studierenden führen kann. Für eine primäre Prüfung dieses Anforderungsbereichs bietet sich die klassische Hausarbeit als Prüfungsformat an. Um auch die Bewertung der Aufgaben höherer Anforderungsbereiche zu vereinfachen, sollte bei der Konzeption des Take Home Exams notiert werden, welche und in welchem Umfang die Studierenden Hilfsmittel nutzen dürfen und wie sie diese sichtbar machen müssen.

Einzig das Anforderungsniveau „Erinnern und Verstehen“ bietet sich nicht für ein Take Home Exam an, da es grundsätzlich als open book-Format angelegt ist. Wenn die Studierenden die Prüfung zu Hause ablegen, stehen Ihnen prinzipiell alle Seminarunterlagen, Kommiliton*innen und das Internet offen. Die Studierenden könnten die Antworten zu einfachen Wissensabfragen also einfach kopieren. Bei Aufgaben der höheren Anforderungsbereiche ist dies nicht so leicht möglich.

Um die Länge der Prüfung und damit die Bearbeitungszeit zu kalkulieren, empfiehlt es sich einen detaillierten Erwartungshorizont zu erarbeiten. Dieser kommt den Dozierenden dann auch bei der Auswertung zugute. Anders als bei einer Klausur können hier neben den inhaltlichen Anforderungen auch Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens, wie die Zitation, angemessen berücksichtigt werden.

Vorbereitung

Die Vorbereitung eines Take Home Exams besteht aus universitätsspezifischen, technischen, rechtlichen und letztendlich inhaltlichen Aspekten. Zunächst sollten sich Dozierende informieren, ob ihre Universität das Take Home Exam als Prüfungsform zugelassen hat und wenn ja, ob es dafür Regelungen gibt. Dann stellt sich die Frage nach der technischen Umsetzung: Es ist wenig ratsam die Verteilung und Abgabe der Aufgaben per Mail zu koordinieren. An der Universität Münster beispielsweise werden alle Online-Prüfungen des Instituts für Politikwissenschaft auf der Plattform ExamWeb durchgeführt. Für diese gibt es wiederum einheitliche Regelungen zur Prüfungsanmeldung, ‑durchführung und ‑dokumentation, was die rechtliche Absicherung für die Prüfenden und Studierenden erleichtert. Sollte es gesonderte Prüfungsplattformen geben, sollten die Prüfenden die Studierenden darauf vorbereiten und am besten vorab der Prüfung alle Studierenden dort einen Testlauf durchführen lassen. Bei dem Testlauf können außerdem die Dokumentationsanforderungen getestet werden.

Wenn die administrativen Aspekte geklärt sind und Dozierende die Prüfung seminarspezifisch konzipiert haben, sollten sie die Modalitäten des bisher wenig bekannten Formats umfassend an die Studierenden kommunizieren. Das heißt auch, je „ungewöhnlicher“ die Konzeption der Prüfung und je abweichender vom Modus des Seminars, desto umfangreicher empfiehlt sich die Absprache mit Studierenden. Aus meiner Erfahrung sind eine genaue Ausformulierung der Anforderungen und Bewertungskriterien hilfreich, weil sie den Studierenden Unsicherheiten nehmen. Ebenso wie bei einer Klausur oder Hausarbeit sollte vor der Prüfung im Seminar Zeit gegeben werden, Fragen zum Prüfungsformat und Inhalten zu stellen. Damit vermeiden Prüfende außerdem, dass Studierende unterschiedliche Informationen erreichen.

Abschließend sollte vorher bekannt gemacht werden, an wen sich die Studierenden bei technischen und inhaltlichen Problemen während der Prüfungsdurchführung wenden können.

Durchführung

Während der Durchführung der Prüfung zahlt sich eine umfassende Prüfungsvorbereitung und klare Kommunikation mit den Studierenden aus. Im besten Fall läuft alles nach Plan und es kommen keine Fragen oder Probleme auf. Und falls doch, greifen die Sicherheitsnetze.

Die Prüfung startet mit der automatisierten Bereitstellung der Aufgabenstellung. Wenn vorher schon alle formalen Anforderungen auf der Prüfungsplattform hochgeladen waren, bietet es sich an, ein gesondertes Dokument für die Aufgabenstellung zu erstellen. Diese Informationen können aber auch alle in einem barrierefreien pdf-Dokument bereitgestellt werden.

Ebenso sollten sich die Information für den Notfallkontakt bei Problemen während der Prüfung sowie die Upload-Funktion für das Einreichen der erbrachten Leistung auf der Prüfungsplattform befinden. Auch hier bietet sich eine automatisierte Lösung an, die den Upload der Prüfung nach Ablauf der Frist blockiert.

Die Studierenden geben Ihre Ausarbeitung innerhalb des Bearbeitungszeitraumes ab und müssen dem Dokument, wie bei einer Hausarbeit, eine Eigenständigkeitserklärung beilegen.

Bewertung

Nach Ablauf der Bearbeitungszeit kann direkt mit der Korrektur der Take Home Exams begonnen werden. Dies orientiert sich an dem vorher erstellten Erwartungshorizont und Notenschlüssel. Wie bei anderen Prüfungen bietet es sich auch hier an, einen Erwartungshorizont pro Prüfungsleistung und Studierenden auszufüllen und eine individuelle Dokumentation über die Leistungsevaluation anzufertigen.

Neben der Leistungsdokumentation sollten die Prüfenden auch die Prüfungsplattform, bzw. -durchführung dokumentieren. Dies orientiert sich an den universitäts- und plattformspezifischen Vorgaben. Mit der Dokumentation der Prüfungsplattform kann für spätere Fragen belegt werden, welche Informationen den Studierenden zur Verfügung gestellt oder welche Anforderungen kommuniziert wurden.

Nach der Korrektur werden die individuellen Leistungsevaluationen sowie die Prüfungsdokumentation an das Prüfungsamt gesendet und die Prüfung ist für den Prüfenden final abgeschlossen.

Praxisbeispiele

Ich habe in meiner Lehre bereits zwei Versionen eines Take Home Exams als Prüfungsleistung zum Seminarabschluss erprobt. Einmal in Anlehnung an eine Klausur und einmal in Anlehnung an eine Hausarbeit.

Das Take Home Exam in Anlehnung an eine Klausur beinhaltete einen Block den Anforderungsbereiches 1 und 2 bei dem die Studierenden sowohl Wissen reproduzieren und angemessen mit Zitation versehen mussten. Dies bot sich an, da die Studierenden im ersten Semester waren und noch wenig Erfahrung mit Klausuren, universitären Prüfungen im Allgemeinen und wissenschaftlichen Arbeiten hatten. Ziel des Seminars und der Prüfung war es Grundlagen zu vermitteln und diese auch zu prüfen, ohne eine reine Wissensabfrage durchzuführen. Diese bietet sich, wie beschrieben, nicht für eine open book-Prüfung an. Auch der restliche Teil der Prüfung bewegte sich mit Essay-Aufgaben maximal im Anforderungsbereich 3.

Das Take Home Exam in Anlehnung an eine Hausarbeit richtete sich an Studierende eines Lektürekurses im fortgeschrittenen Studium. Es prüfte Aufgabenstellungen im Anforderungsbereich 3 und 4, aber gab den Studierenden anders als bei einer Hausarbeit bei der die Studierenden das Thema und die Fragestellung frei wählen, detaillierte Aufgabenstellungen.

Praxisbeispiel I: Take Home Exam in Anlehnung an eine Klausur

Ein Take Home Exam in Anlehnung an eine Klausur konzipierte ich für mein Seminar „Grundlagen der empirischen Parteienforschung“ im Wintersemester 2020/21 an der Universität Münster. Das Seminar war ein Einführungsseminar und richtete sich vor allem an Studierende im Grundstudium.

Das Seminar bestand aus Selbstlernphasen und Präsenzphasen zum persönlichen Austausch. In den Selbstlernphasen erarbeiteten die Studierenden die Seminarlektüre, nutzten ein Online Austauschforum zur Diskussion und fertigten Mindmaps, Essays oder eine stichpunktartige Zusammenfassung der Seminarliteratur an. Zu jeder Form der Studienleistung gab es einen Erwartungshorizont und zu den Essays auch bis zu zweimal individuellem Feedback. Durch diese Vorbereitung und Übung aus dem Seminar bot es sich an, die Essays auch mit in die Prüfung zu integrieren.

Die 24 Studierenden, die an der Prüfung teilnahmen, erhielten 48 Stunden Prüfungszeit, um die folgenden Aufgaben zu bearbeiten:

  • Im Wissensteil galt es 7 Fragen in Stichpunkten und mit Zitation versehen zu beantworten (insgesamt maximal 15 Punkte).
  • Der Essayteil bestand aus drei Themenblöcken, aus denen die Studierende zwei auswählen und bearbeiten mussten (je Essay maximal 15 Punkte). In jedem thematischen Block schrieben die Studierenden einen Essay und wählten dafür wiederum aus zwei vorformulierten Fragestellungen, bzw. kontroversen Hypothesen aus. Die Essays sollten maximal 1000 Wörter lang sein und thematisierten im Seminar bearbeitete Theorien und Fälle.
  • Die formalen Anforderungen wie Layout, Zitation und Literaturverzeichnis wurden gesondert mit bis zu maximal 5 Punkten bewertet.

Praxisbeispiel II: Take Home Exam in Anlehnung an eine Hausarbeit

Ein Take Home Exam in Anlehnung an eine Hausarbeit konzipierte ich für mein Seminar „Quantitative Texte lesen und verstehen!“ noch vor der Pandemie im Wintersemester 2019/20 an der Universität Münster. Das Seminar war ein Lektürekurs und richtete sich vor allem an Studierende in fortgeschrittenen Semestern bzw. im vertiefenden Studium.

Im Seminar erarbeiteten wir uns anhand von theoretischen und empirischen Texten die Grundlagen der Erstellung eines Forschungsdesigns. Außerdem gehörte zu der Studienleistung und Seminarinhalten die Anfertigung eines Flussdiagramms, welches einen quantitativen, empirischen Forschungsprozess abbildete. Für das Take Home Exam erhielten die Studierenden 120 Stunden bzw. 5 Tage Bearbeitungszeit und sollten ein Forschungsexposé, bzw. Forschungsdesign samt Flussdiagramm anfertigen.

Die Studierenden konnten aus zwei Themenblöcken mit vorformulierten Forschungsfragen und passender Literatur auswählen. Die Themenblöcke orientierten sich an dem im Seminar bearbeiteten empirischen Literatur. Pro Themenblock gab es eine vorformulierte Forschungsfrage, die die Studierenden so bearbeiten oder nach eigenen Wünschen abändern konnten. Ziel des Take Home Exams war, einen hypothetischen Forschungsprozess zu der genannten Forschungsfrage zu bearbeiten und methodische Herausforderungen und Limitierungen dazustellen sowie kritisch zu diskutieren.

Beispiel aus dem Themenblock „Wahlforschung“

Puzzle: Unterschiede von Wähler*innen verschiedener Parteien

Fragestellung: Welche Eigenschaften/Interessen/Positionen/Parteienidentifikation (Erkenntnisinteresse)  haben die Wähler*innen der Partei (SPD/CDU/CSU/Die Grünen/FDP/Die Linke/AfD oder Nicht-Wähler*innen) bei der Wahl (Analysezeitraum und -ort) in (Bundes-)Land (im Vergleich zu XX)?

Die Studierenden sollten dann im ersten Schritt die Fragestellung auf den Analysegegenstand, -zeitraum, und Ihr genaues Forschungsinteresse spezifizieren. Anschließend fertigten sie ein kommentiertes Flussdiagramm zu Ihrem hypothetischen Forschungsprozess an. Den größten Umfang besaß die schriftliche Ausarbeitung zum Flussdiagramm, welches Spezifikationen des Forschungsprozesses offenlegte, mögliche Herausforderungen bei der Umsetzung benannte und Lösungsansätze diskutierte.

Dazu sollten die Studierenden einen kurzen Forschungsstand auf Grundlage der von mir bereitgestellten Literatur ausarbeiten und die Konzepte ausfindig machen, die für die Bearbeitung der Forschungsfrage relevant sind ohne sie umfassend darzustellen. Vielmehr bot diese Ausarbeitung die (rudimentäre) Grundlage für den methodischen Teil des Forschungsdesigns. Anschließend sollten Sie Forschungshypothesen präsentieren und die Auswahl der von ihnen verwendeten Daten und Analysemethode rechtfertigen. Da es sich um ein Forschungsexposé handelte, sollten die zu erwartenden Ergebnisse abschließend besprochen werden. Dies meinte nicht die inhaltlichen Ergebnisse, sondern die Form, in der die Studierenden die Ergebnisse präsentieren würden und welche Implikationen (nicht) möglich sind mit der Art der gewählten Analysemethode.

Dieses sehr frei gestaltete Take Home Exam wurde von vier Studierenden geschrieben, da das Seminar nur von fünf Personen besucht wurde. Daher war auch die Vorbereitung auf diese Prüfungsform sehr intensiv. Ohne viel Austausch zu der Prüfungsform und den Anforderungen (Erwartungen der Dozierenden) wäre es sonst sicherlich schnell zu einem Missverständnis bei den Studierenden und Frustration gekommen. Da die Studierenden die Prüfungsform in Teilen außerdem im Seminar vorher erproben konnten und Feedback dazu bekamen, funktionierte das Take Home Exam sehr gut. Die Studierenden konnten sich kreativ und individuell mit methodischen Problemen auseinandersetzen und zeigten eine hohe Methodenkompetenz für quantitative, empirische Parteienforschung.

Feedback der Studierenden

Die Studierenden meldeten zurück, dass sie die Hilfestellung per Mail während der Bearbeitung angenehm empfanden. Hier kamen vor allem Fragen zur Zitation und ob bspw. Antworten in Stichpunkten ganze Sätze bedeuteten. Die Aufgabenstellung war so wie erwartet und vorher kommuniziert, insbesondere die Auswahlmöglichkeiten gefiel den Studierenden. Auch die Vereinbarkeit mit anderen Aufgaben wie Lohnarbeit oder anderen Prüfungen, die zeitlich nicht so flexibel terminiert waren, sowie die individuelle Zeiteinteilung lobten einige Studierende.

Trotz des positiven Feedbacks meldeten vereinzelt Studierende, dass sie vor allem als Erstsemester mit den Anforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens überfordert waren und sich dadurch besonders unter Zeitdruck gesetzt gefühlt haben. Ebenso empfanden einige beim Take Home Exam, welches an eine Klausur angelehnt war, die Bearbeitungszeit als zu lang im Verhältnis zur Prüfungszeit. Sie empfohlen mir in Zukunft nur ein Essay anfertigen zu lassen. Durch das für einige Studierende schlecht aufeinander abgestimmte Verhältnis von Bearbeitungs- und Prüfungszeit konnten diese nicht ihren Care-Verpflichtungen nachkommen oder mussten in der Nacht an den Aufgaben arbeiten. Gleichzeitig lade die längere Prüfungszeit dazu ein, diese auch ganz zur Bearbeitung der Aufgaben zu nutzen und schaffe dadurch einfach eine lange Bearbeitungszeit und keine Pausen. Ebenso formulierten die Erstsemester, dass das Prüfungsformat, wenn es unbekannt ist, sehr schlecht einzuschätzen sei und daher den Stresslevel im Vergleich zu einer bekannten Klausur oder Hausarbeit erhöhe.

Meine Lehren für zukünftige Take Home Exams

Grundsätzlich erfordert die bisher bei den Studierenden noch wenig bekannte Prüfungsform viel Vorarbeit, um Unsicherheiten auszuräumen und eine faire Prüfungsvorbereitung für die Studierenden zu ermöglichen. Dies ist insbesondere für Studierende der ersten Semester herausfordernd. Sie beherrschen die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens noch nicht aus dem Effeff und haben auch für die zu prüfenden Inhalte weniger Anknüpfungspunkte. Dadurch benötigen sie zur Bearbeitung vermeintlich eindimensionaler Aufgaben mehr Zeit als Studierende, die bspw. Zitation oder Literaturrecherche bereits mehrfach erproben konnten.

Als besondere Herausforderung empfand ich die Einschätzung einer angemessenen Bearbeitungszeit auf dessen Grundlage ich die Prüfungszeit bestimmen kann. Wie beschrieben, haben die Studierenden angemerkt, dass sie die Bearbeitungszeit als zu kurz kalkuliert empfanden und dadurch die gesamte Prüfungszeit nutzen. Das möchte ich als Prüfende in Zukunft unbedingt verhindern.

Um eine realistische Einschätzung der Bearbeitungszeit zu erhalten, kann vor der Konzeption des Take Home Exams erfragt werden, wie lange die Studierenden z.B. für einen Essay oder die Anfertigung eines Flussdiagramms benötigen. Die Kalkulation der Bearbeitungszeit durch die fehlenden Erfahrungswerte bleibt jedoch die größte Herausforderung bei der Konzeption des Take Home Exams. Fehlkalkulationen fallen dann besonders ins Gewicht, wenn die Prüfungszeit nur wenig länger als die Bearbeitungszeit konzipiert wurde. Daher ist mein Tipp mit der Bearbeitungszeit großzügig zu kalkulieren. Die Prüfenden können aus Fehlkalkulationen lernen, aber es wäre ärgerlich, wenn die Studierenden in einer Prüfung, die eigentlich Zeitdruck nehmen sollte, unter starken Zeitdruck geraten. Hier muss aber wieder berücksichtigt werden, dass einige Studierende unabhängig von der Bearbeitungszeit die gesamte Prüfungszeit nutzen, um ihre Leistung zu optimieren. Da kann auch eine gute Kalkulation der Bearbeitungszeit nicht helfen. Es ist also mit dem Take Home Exam nicht möglich allen gerecht zu werden.

Jedoch, und das ist für alle Beteiligten meiner Take Home Exams eine positive Erfahrung: die Take Home Exams wurden von mir durchschnittlich besser benotet als die klassischen Klausuren und es gab im Vergleich zu den Hausarbeiten weniger Ausreißer nach unten.

Fazit

Trotz des durchaus durchwachsenen Feedbacks meiner Studierenden, denke ich, dass Take Home Exams ein großes Potenzial für den Prüfungsbetrieb in der Politikwissenschaft während und nach der Pandemie haben. Es ist nur eine Frage der Zeit bis alle Beteiligten auf Erfahrungswerte zurückgreifen können und mit den Prüfungscharakteristika vertraut sind.

Als Hybride zwischen Klausur und Hausarbeit können Take Home Exams nicht nur auf die Seminarinhalte zugeschnitten werden, sondern bieten für alle Beteiligten vielfältige Vorteile und insbesondere im Vergleich zur Klausur mehr Freiheiten. Die bessere Vereinbarkeit mit anderen Verpflichtungen, weniger Zeitdruck, die Prüfungsdurchführung zu Hause und das open book-Format sind überzeugend. Darüber hinaus, müssen sich Prüfende nicht um Hygienekonzepte und auch nach der Pandemie um die Bereitstellung einer angemessenen Prüfungsumgebung kümmern. Mir gefällt das Format der Take Home Exams besonders gut, da trotz des begrenzten Bearbeitungszeitraums eigenverantwortliches Lernen ermöglicht und Zeit zur Reflexion gibt. Es geht nicht um reine Wissensreproduktion, sondern um Aufgaben im Anforderungsbereichen 2 bis 4. Die Studierenden sollen (2) anwenden, (3) analysieren und bewerten sowie (4) erweitern und erschaffen. Damit ist das Take Home Exam ist eine willkommene Ergänzung des Prüfungsportfolios in der Politikwissenschaft, welches die Studierenden weg von verschulten Lernabfragen hin zum eigenverantwortlichen Arbeiten begleitet, ohne sie direkt mit den umfangreichen Anforderungen einer Hausarbeit zu überfordern.

Diese Flexibilität der Take Home Exams in der Durchführung und Inhalt machen sie besonders attraktiv, um passgenau zu prüfen und Prüfung den Seminarkonzepten und dem Niveau der Studierenden anzupassen. Meiner Erfahrung nach eignen sie sich dabei insbesondere für kleinere Gruppen von Studierenden bis 15 Personen. Inwiefern sich das Format auch für große Vorlesungen und als Ersatz für bspw. Eingangsklausuren eignet, kann ich nicht einschätzen. Der Korrekturaufwand der Aufgaben mit höherem Anforderungsbereich könnte hier schnell zum K.O.-Kriterium werden.

Auch wenn Take Home Exams in Zukunft sicher nicht alle Klausuren und erst recht nicht Hausarbeiten ersetzten können, möchte ich alle Prüfenden der Politikwissenschaft ermutigen sich das Format genauer anzusehen. Eventuell ist es gar nicht so schwer bestehende Klausuren in Take Home Exams umzuwandeln. Und wenn eine neue Prüfung konzipiert werden muss, warum dann nicht auch mal ein Take Home Exam?

Weiterführende Links

Informationen beispielhafter deutscher Universitäten

Wissenschaftliche Texte

Quellenangaben

Bengtsson, Lars (2019): Take-Home Exams in Higher Education: A Systematic Review. In: Education Sciences 9 (4), S. 267. DOI: 10.3390/educsci9040267.

Cleophas, Catherine; Hoennige, Christoph; Meisel, Frank; Meyer, Philipp (2021): Who’s Cheating? Mining Patterns of Collusion from Text and Events in Online Exams. In: SSRN Journal. DOI: 10.2139/ssrn.3824821.

Guangul, Fiseha M.; Suhail, Adeel H.; Khalit, Muhammad I.; Khidhir, Basim A. (2020): Challenges of remote assessment in higher education in the context of COVID-19: a case study of Middle East College. In: Educ Asse Eval Acc 32 (4), S. 1–17. DOI: 10.1007/s11092-020-09340-w.

Hochschulrektorenkonferenz (Hg.) (2015): Kompetenzorientiert prüfen. Zum Lernergebnis passende Prüfungsaufgaben (Nexus Impulse für die Praxis, 4). Online verfügbar unter www.hrk-nexus.de/impulse/kompetenzorientiertpruefen.pdf, zuletzt geprüft am 13.07.2021.

Şenel, Selma; Şenel, Hüseyin Can (2021): Use of Take-Home-Exams for Remote Assessment: A Case Study. In: Journal of Educational Technology and Online Learning. DOI: 10.31681/jetol.912965.

Universität Bremen: Take Home Exam über Stud.IP. Unter Mitarbeit von Jens Bücking. Online verfügbar unter https://www.uni-bremen.de/zmml/kompetenzbereiche/e-assessment/pruefungsformen/take-home-exam, zuletzt geprüft am 29.07.2021.

Universität Göttingen (2021): Online Prüfen. Unter Mitarbeit von Team Digitales Lernen und Lehren. Online verfügbar unter https://www.uni-goettingen.de/de/626427.html#info-2, zuletzt geprüft am 29.07.2021.

Universität Hamburg (2021): Take-Home-Exams. Die alternative digitale Prüfungsart zur Klausur in Präsenz. Unter Mitarbeit von Heiko Witt, 06.05.2021. Online verfügbar unter https://www.uni-hamburg.de/elearning/methoden/online-pruefen/take-home-exams.html, zuletzt geprüft am 12.07.2021.

Universität Paderborn (2021): Take Home Exam – kleine Ausarbeitung (24-, 48- oder 72-Stunden-Arbeit). Online verfügbar unter https://www.uni-paderborn.de/lehre/corona-lehre/digitale-pruefformate/take-home-exam, zuletzt geprüft am 29.07.2021.

Feedback produktiv nutzen

Dies ist ein Gastbeitrag von Achim Kemmerling (Universität Erfurt)

 

Feedback an Studierende ist eines der wichtigsten didaktischen Werkzeuge im Unterrichtsbetrieb. Interessanterweise lernt man als Sozialwissenschaftler*in, dass das Konzept des Feedbacks ursprünglich aus der Kybernetik stammt und dann ein essentieller Bestandteil des Lernens in der Systemtheorie und in der Gruppenpädagogik geworden ist. In der Lehrpraxis spielt jedoch der Gruppen- bzw. Systemgedanke häufig eine eher untergeordnete Rolle. Dadurch verschenkt man meines Erachtens aber Potential, Feedback produktiv zu nutzen.

Generell kann Feedback dazu dienen, a) Lerneffekte zu erzielen, oder b) Benotungen zu begründen. Diese Unterscheidung kennt die Pädagogik und Evaluationstheorie als formative oder als summative Form der Evaluierung. Formativ ist Feedback v.a. dann, wenn es im laufenden Verfahren, beispielsweise einer Lehrveranstaltung, eingebaut wird, um dadurch konkrete Lernfortschritte zu erzielen. Summatives Feedback erfolgt meist nach einer erbrachten Leistung im Vergleich zur Zielgröße, beispielsweise des Erwartungshorizontes einer/s Lehrenden. Beide Funktionen werden in der Praxis häufig gemischt, das kann aber auch zu Widersprüchen führen. Beispielsweise spielen bei der (summativen) Benotung von Prüfungsleistungen auch strategische Aspekte eine Rolle: Wie legitimiere ich meine Bewertung, wie minimiere ich negative Reaktionen? Im Vergleich dazu können formative Feedbacks eher frei und offen sein.

Ein weiterer Nachteil von Feedback zur Benotung ist, dass es sehr spät kommt und oft folgenlos ist. Gerade wenn Feedback am Ende des Kurses erfolgt, nehmen es Studierende vielleicht nur noch halbherzig zur Kenntnis. Kurse im nächsten Semester sind anders strukturiert, Feedback verpufft. Noch schlimmer ist es, wenn Feedback zur Benotung emotionale Reaktionen hervorruft, zum Beispiel, wenn Studierende enttäuscht sind. Das kann Lerneffekte blockieren.

Für mich ist jedoch ein letzter Nachteil von Feedback zur Benotung ausschlaggebend: Es wird zumeist individuell gegeben. Peer-to-Peer-Verfahren sind da zum Teil anders, aber auch solche Verfahren stellen nicht notwendigerweise die Gruppe im Gegensatz zum Individuum in den Vordergrund. So gesehen hat Feedback selten systemische Wirkung. Das muss nicht immer schlecht sein: Individuelles Feedback ist natürlich ein Zeichen für individuelle Wertschätzung und daher an einer modernen Massenuniversität auch ein Zeichen der persönlichen Anerkennung. Aber gerade das macht es auch so aufwendig. Die Gruppe profitiert davon in der Regel nicht.

In meiner Lehrpraxis versuche ich daher immer durch Feedback die Lerneffekte für die ganze Gruppe zu erhöhen. Erstens sollte Feedback in den Lehrveranstaltungen möglichst früh erfolgen, zum Beispiel unmittelbar im Anschluss an Präsentationen, oder nach dem Einreichen von schriftlichen Arbeiten. Aber es geht auch noch früher, wenn die/der Adressat*in des Feedbacks die Gruppe und nicht (nur) das Individuum ist. Daher kann es zweitens, wesentlich effizienter sein, Feedback in der Gruppe zu geben. Das führt dazu, dass Feedback nicht nur für die/den jeweilige(n) Leistungserbringer*in lehrreich ist, sondern für alle Kursteilnehmer*innen.

Um ein praktisches Beispiel zu geben: Wenn alle Seminarteilnehmer*innen unmittelbar nach Präsentationen oder Diskussionsleitungen Feedback geben, profitieren alle davon und die Qualität zukünftiger Präsentationen und Diskussionsleitungen wird in der Regel besser. Außerdem entfällt dann häufig auch schon die intensive Einzelberatung vor den Präsentationen sowie das intensive (summative) Einzelfeedback nach den Präsentationen. Als Kursleiter fand ich es immer frustrierend, dieselbe Information jedes Mal wieder geben zu müssen. Durch Feedback in der Gruppe reduziert sich dieser Aufwand erheblich.

Wenn man ein solches Feedback gibt, müssen die Seminarleiter*innen natürlich vorher darüber informieren, in welcher Form Feedback gegeben werden sollte. Der Nachteil des öffentlichen Peer-to-Peer-Verfahrens ist, dass dadurch die Privatsphäre verletzt wird. Daher sollte ein solches Feedback immer konstruktiv sein und v.a. formativen Charakter haben. Zudem sind Etiketten und Regeln sehr wichtig, etwa das ‚Sandwich-Prinzip‘: Lob – Kritik – konstruktive (wohlmeinende) Vorschläge. Dabei beginnt Feedback am besten immer mit einem Lob, bevor Kritik oder Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Idealerweise wird das Verfahren schon vorher im Syllabus erklärt und eine Etikett-Liste verteilt. Dieses Verfahren funktioniert meiner Erfahrung nach sehr gut. In keiner meiner Lehrveranstaltungen ist es bisher (meines Wissens nach) zu Konfrontationen oder negativen Auseinandersetzungen aufgrund solcher Gruppen-Feedbacks gekommen.

Auch ein solches Feedback-Verfahren kann Nachteile haben. Beispielsweise gibt es u.U. stärkere Pfadabhängigkeiten. Wenn ein Präsentationsstil oder -element in einer der ersten Sitzungen besonders positiv hervorgehoben wird, kann das dazu führen, dass alle nachfolgenden Präsentationen dieses Verfahren kopieren. Das ist bis zu einem gewissen Maße beabsichtigt, aber es kann auch über das Ziel hinausschießen und die Studierenden davon abhalten, sich eigene Gedanken zu machen. Solche Probleme sind jedoch relativ leicht zu beheben, zum Beispiel, indem man auf Abwechslungsreichtum in Präsentationstechniken hinweist. Auch können Studierende sehr zurückhaltend sein, was Kritik an ihren Kolleg*innen anbetrifft. Aber da kann der oder die Dozierende aktiv gegensteuern und Etikette-Regeln tragen ihr Übriges dazu bei, dass sich Studierende trauen, auch kritisches Peer-to-Peer Feedback zu geben.

Die Idee, Feedback möglichst früh und möglichst in der Gruppe zu geben bzw. zu bekommen, eignet sich auch für schriftliche Arbeiten, wie z.B. Hausarbeiten. Hierbei ist es vorteilhaft, ein Revise & Resubmit einzuführen: Die Arbeiten (oder Skizzen) werden eingereicht und im Kurs diskutiert. Dieses Feedback können die Studierenden dann in der finalen Version der Hausarbeit aufgreifen. Auch hier kann sich der Mehraufwand des (formativen) Feedbacks für Lerneffekte lohnen, indem der Aufwand für summatives (Benotungs-)Feedback reduziert wird und v.a. ein höheres Lernergebnis erzielt wird.

Ein solches Verfahren ist insgesamt natürlich sehr aufwändig, da man als Kursleiter*in alle Arbeiten zweimal lesen und kommentieren muss. Auch die Studierenden sollten idealerweise mehrere oder alle Essays der ersten Runde lesen. Dennoch kann sich bei kleineren und mittelgroßen Kursen dieser Aufwand lohnen. Im Zweifel würde ich lieber andere Teilnoten/Prüfungsleistungen weglassen, um eine Seminararbeit als Revise & Resubmit anlegen zu können.

Daran knüpft sich die Frage, ob sich solche formativen Feedbacks auch für größere Kurse oder sogar Vorlesungen eignen. Prinzipiell geht das, wie MOOCs (Massive Open Online Courses) zeigen. Feedback wird dort Peer-to-Peer z.B. in Forendiskussionen durchgeführt. Supervisiertes Feedback durch die/den Kursleiter*in ist dann natürlich schwierig, wenn die Teilnehmerzahl zu hoch ist. Aber bei entsprechender Anleitung, wie das Verfahren läuft, nach welchen Kriterien evaluiert werden soll und welche Etikett-Regeln gelten, können Feedbacks auch Peer-to-Peer dezentralisiert erfolgen.

Ein weiterer Vorteil von frühzeitigem, detailliertem und gruppenorientiertem Feedback ist, dass diese als Grundlage oder sogar als Ersatz für das Feedback zur finalen Benotung dienen können. Mit der Zeit habe ich gelernt wie man Feedback so schreibt, dass die Studierenden etwas Konstruktives daraus mitnehmen und nicht gleich in eine Abwehrhaltung verfallen, die zu endlosen Nachfragen oder sogar Beschwerden über (Teil-)Noten führen. Beispielsweise sollte Kritik immer mit Textstellen und Beispielen belegt werden. Pauschale Kritik ist für Studierende schwieriger nachzuvollziehen. Am Ende füge ich auch immer konstruktive Vorschläge ein, wie die Arbeit noch verbessert werden könnte. Das ist zwar de facto nicht mehr relevant, weil die Studierenden die Kommentare für diese Arbeit nicht mehr gebrauchen können. Aber sie bekommen eine Idee davon, welche Fehler sie in Zukunft vermeiden können. Zudem endet das Feedback auf eine positive Weise.

Zugegebenermaßen ist das Geben summativen Feedbacks eher eine Kunst als eine Technik. Aber auch für Feedback zur Benotung ist es hilfreich, wenn die Einschätzung auch von anderen Studierenden geteilt wird und die Sandwich-Regeln eingehalten werden. Dies führt zu einer enormen Zeitersparnis und zu einer Entlastung in der Korrespondenz.

Insgesamt ist Feedback zu Lernzwecken daher keineswegs nur ein Mehraufwand für Dozierende. Richtig eingesetzt, kann es für alle Beteiligten produktiv eingesetzt werden.

Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft – Ein Interview mit Daniel Lambach

Der neueste Band in der Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik befasst sich mit dem gerade hochaktuellen Thema digitaler Lehre. Anders als seine Vorgänger ist dies ein Sammelband mit insgesamt neun Artikeln, dazu noch einmal fünf Kurzporträts digitaler Werkzeuge. Wir haben mit dem Herausgeber Daniel Lambach (Universität Frankfurt) über dieses Projekt gesprochen.

 

1) Worum geht es in diesem Buch?

Es geht um digitale Lehre in all ihren Facetten. Jetzt wo das Wintersemester 2020/21 an den meisten Hochschulen wieder nahezu komplett digital stattfindet, kann man dem Thema aktuell kaum ausweichen, auch wenn Lehrende und Studierende inzwischen schon auf ihre Erfahrungen aus dem Sommersemester zurückgreifen können.

Der Sammelband ging aus einer Reihe von Online-Workshops hervor, die der AK Hochschullehre im April und Mai 2020 für die DVPW organisiert hatte. Die Resonanz auf die Workshops war einhellig sehr gut – offenbar sahen und sehen Lehrende einen großen Bedarf, sich für digitale Lehre weiterzuqualifizieren und sich darüber auszutauschen. Dem wollten wir mit dem Sammelband entgegenkommen und so dient das Buch dazu, Ideen zu dokumentieren, Praxistipps zu geben und über erste Erfahrungen zu reflektieren. Die Texte sind kurz und  anwendungsorientiert formuliert, damit Leserinnen und Leser es leicht haben, Hinweise zu finden, die ihnen bei ihrer Lehre weiterhelfen.

 

2) Warum ist das Thema für die politikwissenschaftliche Hochschullehre wichtig?

Ich möchte die Bedeutung der digitalen Lehre gar nicht auf Corona verengen, aber es natürlich klar, dass wir uns vor allem wegen der Pandemie darüber unterhalten. Aber ich bin fest überzeugt, dass digitale Lehrelemente auch nach Abklingen der Krankheitswelle ein alltäglicherer Bestandteil unserer Lehre bleiben werden. Viele Lehrende machen gerade gezwungenermaßen Erfahrungen mit digitalen Lehrmethoden und sicher werden manche einige Aspekte davon beibehalten, die auch unter normalen Umständen Mehrwert versprechen.

Ich will damit aber gar nicht suggerieren, dass wir uns erst jetzt mit der digitalen Lehre befassen sollte. Der Zug fährt schon seit zwei Jahrzehnten und die deutsche Politikwissenschaft ist, wie auch viele andere Fächer, bislang ziemlich strukturkonservativ diesbezüglich gewesen. Bisher ist digitale Lehre oft nur als didaktisches Element einzelner Lehrender angesehen worden, die sich in Eigeninitiative darum kümmern. Da ist noch viel Potenzial, digitale Lehre umfassender zu sehen, z.B. indem (teil-)digitalisierte Curricula entwickelt werden, man über digitale Selbstlernangebote nachdenkt, oder wir als Fach uns mal ernsthaft mit Open Educational Resources befassen.

All dies kann so ein kleiner Sammelband natürlich nicht leisten, aber ich denke, dass wir jetzt gerade eine Chance haben, der digitalen Lehre in der Politikwissenschaft einen wichtigen Schub zu geben, damit man sich auch mal den großen Fragen zuwendet.

 

3) Wer sollte dieses Buch lesen?

Das Buch ist für jeden und jede, der oder die in der Politikwissenschaft (und darüber hinaus) digital lehrt, ob jetzt unter den erschwerten Bedingungen der „Corona-Semester“ oder auch in Zukunft. Es soll vor allem denjenigen helfen, die über die Grundlagen ihrer Lehre nachdenken wollen und nach neuen Anregungen suchen, ganz gleich ob Professorin, Lehrbeauftragte oder Doktorandin.

Außerdem soll es ein bisschen eine Zeitkapsel sein, die unser Denken über digitale Lehre zum Stand 2020 dokumentiert. Ich gehe davon aus, dass sich die entsprechenden Konzepte und Praktiken weiterentwickeln werden. Da kann der Sammelband einen Anstoß geben und vielleicht auch ein historisches Referenzdokument sein, auf das man in fünf oder zehn Jahren nochmal zurückblicken kann.

 

Das Buch ist erhältlich über https://wochenschau-verlag.de/Bausteine-digitaler-Hochschullehre-in-der-Politikwissenschaft/41186 und bei allen Buchhandlungen.

Web Based Trainings als Teil einer Online-Lernumgebung

Dies ist ein Beitrag von Benedikt Philipp Kleer und Simone Abendschön (beide Universität Gießen).

Mit dem nun zweiten „Corona-Semester“ erfahren e-Learning-Elemente auch weiterhin eine große Aufmerksamkeit in der Hochschullehre. Hierbei stechen nicht nur einzelne Online-Elemente hervor, sondern oftmals die Kombination verschiedener Online- bzw. e-Learning-Elemente. Unserer Einschätzung nach können web-basierte Selbstlernangebote (web-based-trainings, im folgenden WBTs) Online-Lernumgebungen einer Lehrveranstaltung sinnvoll ergänzen.

WBTs sind entweder Teil einer eigenen Website oder werden in die Lernplattformen integriert, in denen die Lerninhalte geordnet und zusammenhängend vermittelt werden. Im Hochschulkontext macht sicherlich letzteres verstärkt Sinn, da diese Lernplattformen bereits bestehen. Meist werden verschiedene mediale Elemente wie Texte, Abbildungen, Screencasts, Lernvideos, Audiodateien o.ä. genutzt, um die Lerninhalte zu präsentieren und zu vermitteln. WBTs eignen sich besonders dann, wenn der vermittelnde Inhalt klar eingrenzbar und abgeschlossen ist. Der Aufbau eines WBTs ist daher modular: Der Lerninhalt wird in verschiedene Lernmodule bzw. Kapitel geordnet, womit den Lernenden auch eine inhaltliche Struktur vermittelt wird. Das WBT kann entweder autonom von Studierenden bearbeitet werden oder Lehrende leiten das Bearbeiten mit Vorgaben an. Der Einsatz erfolgt in der Regel asynchron und stellt damit den Lernenden eine flexible Möglichkeit des Selbststudiums dar. Es bietet somit insbesondere im Online-Semester eine sinnvolle Ergänzung einer Lernumgebung.

Im Sommersemester 2020 haben wir für die Vorlesung „Statistik für die Sozialwissenschaften II“ eine umfangreiche Online-Lernumgebung getestet und dabei ein WBT eingesetzt. Neben wöchentlichen Vorlesungsaufzeichnungen und synchronen wöchentlichen Online-Tutorien wurden vier kürzere Lernmodule als WBT zum Selbststudium zur Verfügung gestellt. Begleitet wurden diese Lernmodule von Lerntests und Lernkarten. Ebenso wurde in den Tutorien auf entsprechende Kapitel in den Lernmodulen zum weiteren Selbststudium verwiesen. Da die Studierenden am Ende des Semesters eine modulabschließende Prüfung ablegen mussten, die auch die Inhalte der ersten Vorlesung zum Thema hatte, wurden in Lernmodul 1 und 2 zunächst Inhalte aus dieser wiederholt. Die Lernmodule 3 und 4 behandelten dagegen Inhalte der im Sommersemester gehaltenen Vorlesung. Die einzelnen Seiten des WBTs beinhalteten neben Text, Formelerläuterungen und Abbildungen auch kurze Lernvideos, in denen einzelne Inhalte und Rechenschritte kompakt erläutert wurden. Insbesondere diese Lernvideos kamen bei den Studierenden gut an. Sinnvoll erscheint dabei die Dopplung von Inhalten in verschiedenen Formaten, z.B. in Text und kurzem Lernvideo.

Zu diesen vier Lernmodulen des WBTs wurden in der Online-Lernumgebung Lerntests geschaffen. Diese sollen den Studierenden zur Überprüfung ihres Lernstands dienen und Orientierung geben. Die Rückmeldung wurden in differenzierter Form gegeben (< 50 % korrekt: „Sie sollten das Lernmodul wiederholen.“; >= 50 % korrekt: „Sie beherrschen die Inhalte ausreichend.“; >= 70 % korrekt: „Sie beherrschen die Inhalte überwiegend.“; >= 90 % korrekt: „Sie beherrschen die Inhalte sehr sicher.“).

Zusätzlich bot sich in dieser Vorlesung die Verwendung von Lernkarten an. Lernkarten funktionieren wie klassische Vokabelkarten: Auf einer Seite stehen einzelne Begriffe, auf der anderen Seite die Erklärung bzw. Definition zu diesem Begriff. Wichtige Begriffe und Definitionen konnten so einzeln von den Studierenden gelernt bzw. wiederholt werden. Hierbei wurden die wichtigsten Begriffe eines Lernmoduls jeweils als ein Set an Lernkarten in einem digitalen „Vokabelkasten“ gebündelt.

Abbildung 1: Übersicht der Lernkarten-Box

Die Lernenden bekommen während des Trainings die einzelnen Begriffe angezeigt und können dann über das Öffnen der Definition testen, ob sie sich korrekt erinnert haben, Probleme hatten (Button „Schwierig“) oder sich nicht an den Begriff erinnert haben (siehe Abbildung 2 & 3).

Abbildung 2: Einzelne Lernkarte

Innerhalb dieser Online-Lernumgebung konnten sich die Studierenden die Inhalte mithilfe der Vorlesungsaufzeichnungen, den Lernmodulen und den synchronen Tutorien erschließen. In den Vorlesungsaufzeichnungen und Tutorien wurde an entsprechenden Stellen auf die Lernmodule für eine Wiederholung/Vertiefung verwiesen. Anwendungsprobleme wurden dabei in den synchron stattfindenden Tutorien besprochen und gelöst. Studierende hatten somit während des Sommersemesters eine verknüpfte Lernumgebung aus verschiedenen asynchronen und synchronen Elementen, die verschiedene Lerntypen adressiert hat.

Dieser Artikel ist Teil der Blogserie „Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft“.

Statistik kontaktfrei

Dies ist ein Beitrag von Achim Goerres und Hayfat Hamidou-Schmidt (beide Universität Duisburg-Essen).

Wenn man einen Pflichtkurs zur angewandten Statistik in der Politikwissenschaft kontaktfrei unterrichten will, trifft man auf zwei Herausforderungen. Zum einen muss man eine geschickte Verknüpfung vielfältiger Aktivitäten schaffen, die es den Studierenden erlauben, die abstrakten Wissensbestände aktiv in Form von Übungen mit und ohne Software konkret anzuwenden. Zum anderen muss man Studierende motivieren, in dem völlig kontaktfreien Modus bei der Stange zu bleiben und, den Empfehlungen folgend, mitzuarbeiten.

Beide Herausforderungen sind erst einmal typisch für Pflichtkurse der angewandten Statistik in der Politikwissenschaft und keineswegs spezifisch für ein „Corona-Semester“. Doch ist der Umgang mit den beiden Herausforderungen in einer Pandemie-Zeit sehr anders im Vergleich zu einer „normalen“ Zeit.

Wir glauben, die erste Herausforderung (geschickte Verknüpfung verschiedener Aktivitäten) besser gemeistert zu haben als die zweite (Motivation zum Mitmachen). Alles in Allem lehrten uns unsere Erfahrungen im Sommersemester 2020 viel.

Im Folgenden beziehen wir uns auf die Vorlesung mit Tutorium „Statistik für Politolog_innen“ im Umfang von 240 Arbeitsstunden (8 ECTS) im ersten Studienjahr des BA Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, ein Kurs an dem typischerweise mehr als 300 Studierende teilnehmen. Ausnahmsweise erlaubte die Universität im Sommersemester 2020 Freiversuche: aktiv nicht-bestandene Prüfungen wurden nicht auf das zulässige Maximum von drei Fehlversuchen angerechnet.

Verknüpfung verschiedener Aktivitäten in einer Woche

Eine exemplarische Lehrwoche bestand für die Studierenden erstens aus einer Bearbeitung eines Onlinevideos aus dem vorgehenden Jahr nebst Folien und der Lektüre der Pflichtliteratur. Diesen Teil würden wir bei einer ähnlichen Wiederholung des Kurses so belassen, wenngleich wir die Videos in kleinere Einheiten à 20-30 Minuten schneiden würden, um Teilstücke für die Studierenden leichter navigierbar zu machen.

Zweitens sollten die Studierenden ihr Verständnis in einem kurzen Multiple-Choice-Test über das Video überprüfen, der ihnen umgehend Feedback zu ihren Antworten gab. Dies würden wir unverändert lassen, zumal der Dozent hierdurch einen guten Überblick über gehäufte Schwächen im Verständnis bekam und dies in der Live-Session (s. Viertens) nutzen konnte.

Drittens sollten sie Anwendungsaufgaben, also Aufgaben, in denen das Erlernte in neuen Kontexten konkret angewendet werden musste, für die Live-Session vorbereiten. Dies würden wir in Zukunft in fest eingeteilten Gruppen statt solo organisieren, in denen sich die Studierenden mit einem oder einer selbstgewählten Leiter bzw. Leiterin gemeinsam mit den Aufgaben auseinandersetzen müssten.

Viertens sollten die Studierenden an der Live-Session teilnehmen, in der der Dozent auf die Schwächen in der Beantwortung der Multiple-Choice-Fragen (s. Zweitens) einging, die Anwendungsaufgaben (s. Drittens) auflöste und weitere Fragen beantwortete. Wir halten die wöchentliche Live-Session für unbedingt notwendig. Wir gehen künftig jedoch von einem, wenngleich sehr datenarmen und stabilen, Livestream mit Chat-Funktion auf eine Videokonferenzplattform über, mit der Möglichkeit für Studierende, bei Fragen ihre Kamera und ihr Mikro in einem stärker sozialen Austausch zu benutzen.

Fünftens sollten die Studierenden ein Aufgabenblatt mit SPSS selbstständig allein oder in Gruppen vorbereiten, bevor sie sechstens in einem virtuellen Tutorium die Auflösung gezeigt bekamen und weitere Fragen stellen konnten. Auch hier würden wir zu einer fest eingeteilten Gruppe wechseln und Bonuspunkte für korrekte Einreichungen vergeben.

Geringe Motivation zur Umsetzung der verzahnten Aktivitäten

Obwohl wir die Verzahnung der verschiedenen inhaltlichen und kompetenzorientierten Aktivitäten nach wie vor gut finden, scheint die große Mehrheit der Studierenden nicht motiviert gewesen zu sein, alle diese Aktivitäten tatsächlich umzusetzen. Von mehr als 300 Interessierten blieben circa 50 wirklich aktive Studierende während des Semesters übrig.

Man muss allerdings auch bedenken, dass auch in einem „normalen“ Semester nur eine Minderheit den Empfehlungen des Dozenten laut ihren eigenen Angaben folgt. In diesem Corona-Semester war nur das virtuelle Verhalten sichtbarer und messbarer.

Im Gegensatz zu dem geringen Aktivitätslevel vieler Studierender bei den wöchentlichen Aktivitäten nahmen viele Teilnehmer_innen an optionalen synchronen Online-Tests zu SPSS-Skills teil. Gleiches galt für die zwei Klausurversuche. Anders als bei den wöchentlichen Aktivitäten nahmen sehr viele Studierende an den Prüfungen teil, bei denen es um etwas ging, aber bei denen die Kosten des Nicht-Bestehens bei null waren.

Gegeben die Beobachtung, dass die meisten Studierenden während des Semesters nur mäßig aktiv waren, zugleich jedoch die Prüfversuche nutzten, scheinen viele Studierende den Weg des wenig vorzubereitenden „Probieren wir einfach einmal“ gewählt zu haben. Da die Schwierigkeit der Prüfung nicht abgemildert worden war, lieferte diese Strategie wenige bestandene Prüfungen.

Aus einem ineffizienten Kurs in die kontaktfreie Zukunft

In Summe war dieser Kurs wenig effizient: mit großem Engagement und vielen Beteiligten wurde ein durchdachter Kurs geschaffen, dessen Möglichkeiten von den Teilnehmenden letztendlich nicht angenommen wurden. Somit lieferte sehr großes Input an Ressourcen ein sehr geringes Output an bestandenen Prüfungen.

Die Lösung zu einer größeren Motivation scheint uns darin zu liegen, die Studierenden stärker virtuell in feste Arbeitsgruppen einzuteilen und der Arbeit dieser Gruppen durch geringe Bonuspunkte für die Endprüfung externe Anreize zu setzen. Je mehr normales soziales Miteinander in einem kontaktfreien Kurs, desto besser scheint dieser zu funktionieren.

 

Dieser Artikel ist Teil der Blogserie “Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft”.

Digitale Vermittlung von Schreibkompetenz

Dies ist ein Beitrag von Kathrin Loer (Hochschule Osnabrück).

Schreiben kann jeder, oder? So einfach ist es dann häufig doch nicht. Dabei gehört das Schreiben zu den Hauptaktivitäten im politikwissenschaftlichen Studium. Die Umstellung auf digitale Lehre ändert nichts Grundsätzliches daran, dass viele Studierende der Politikwissenschaft von systematischen Anleitungen und Unterstützungsformaten zum Schreiben profitieren, diese aber häufig fehlen. Über die digitale Lehre kann allerdings nach meiner Einschätzung Schreibkompetenz ideal vermittelt und der Schreibprozess begleitet werden.

Acht Schritte auf einem Entwicklungspfad lassen sich im Verlauf eines Semesters beschreiten. Dabei ist es möglich, die Vermittlung von Schreibkompetenz in diesen Etappen mit einem Seminar oder einer Vorlesung zu kombinieren oder aber eine eigene Veranstaltung zur Schreibkompetenz anzubieten. Der Pfadverlauf ergibt sich aus der individuellen Ermittlung des Unterstützungsbedarfs, der Planung und Organisation von Schreibaufgaben, über verschiedene Schreibübungen bis hin zur Erarbeitung von Fragestellungen, Gliederungen und der Erarbeitung erster (oder umfassender) Schreibprodukte (siehe Abbildung). Im Idealfall lässt sich nach einer solchen Lehrveranstaltung nicht nur eine verbesserte Schreibkompetenz aller Teilnehmer feststellen, sondern die Studierenden können die Früchte ihrer Arbeit auch sehr konkret für Haus- und Abschlussarbeiten nutzen.

Vorab sollte den Studierenden sehr plastisch das übergeordnete Ziel vermittelt werden: „Mehr, verständlich und präzise schreiben.“ Das bedeutet, dass mehr geschrieben werden sollte, und dass dabei Wege gefunden werden, damit es sich letztlich um verständliche und präzise Texte handelt. Wenn das in der Vermittlung gut gelingt, kann das Lust auf Sprache und schriftliche Kommunikation machen. Ein praktisches Ziel besteht darin, Schreiben als Routine zu etablieren, außerdem können die Einzelnen so ihre sprachlichen Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeiten steigern. Genau diese Aspekte sollten vorab herausgestellt werden. Zusätzlich gilt es, den Mehrwert für die spätere berufliche Praxis von Politikwissenschaftler:innen zu betonen, in der immer wieder Texte verfasst werden müssen.

Eine weitere Empfehlung: Wenn die Übungen mit einer konkreten Aufgabe aus dem Studium (Vorbereitung einer Hausarbeit oder Abschlussarbeit) verknüpft werden, erkennen die Studierenden ihren Vorteil unmittelbar. Aus diesem Grund umfasst der Pfad sowohl die Entwicklung einer politikwissenschaftlichen Fragestellung als auch die Strukturierung der Argumentation, um die eigene Darstellungs- und Analyseleistung letztlich gut erbringen zu können. Beim Durchlaufen des Pfades wechseln sich synchrone und asynchrone Elemente der digitalen Lehre ab. Wesentlich ist die Festlegung eines eindeutigen Zeitrahmens, den alle Teilnehmenden gemeinsam einhalten. Der Pfad zerlegt dann den Arbeitsprozess, in dessen Rahmen ein wissenschaftlicher Text produziert wird, in einzelne Schritte, damit die Aufgabe besser bewältigt und möglicherweise bestimmte Schwierigkeiten und Herausforderungen gezielter adressiert und bearbeitet werden können. Dazu dienen begleitende Informationen, die jeweils die nächste praktische Phase (Schreibübung 1, Schreibübung 2, Bearbeitung der politikwissenschaftlichen Aufgabe z.B. Hausarbeit) fundieren und anleiten.

Schreiben als „Handwerk“ lässt sich erlernen: Das sollte Studierenden vermittelt werden – gleichzeitig brauchen viele dazu eine gute Unterstützung. Das gemeinsame Absolvieren des Entwicklungspfades soll dazu dienen, dass Studierenden idealerweise Freude am Planen und Erfüllen ihrer Schreibaufgaben entwickeln. Wenn es gelingt, Schreibübungen produktiv in das Studium zu integrieren, dann lassen sich darüber Studierenden zum Training motivieren. Sie lernen, sich Ziele zu setzen für alles, was es an Schreibaufgaben gibt. Wesentlich ist es auch zu zeigen, dass Schreiben Zeit braucht und es kein Wettrennen darstellt. In der digitalen Lehre sollte dazu neben synchronen Vermittlungsformen (Online-Sitzungen) auch genügend Raum und Zeit für individuelle Klärungen geschaffen werden, was ebenfalls digital – sowohl synchron (Videochat, Telefon, Messenger) als auch asynchron (Email) – ideal machbar ist.

Dieser Artikel ist Teil der Blogserie “Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft”.

Politikwissenschaftliche Leseübungen in der Online-Lehre

Dies ist ein Beitrag von Matthias Freise (Universität Münster).

Dieses Blogbeitrag basiert auf meinem gleichnamigen Vortrag im Rahmen der Workshop-Reihe „Hochschullehre in Zeiten von Corona“ des AK Hochschullehre vom 15. April 2020.

Wie alle Geistes- und Sozialwissenschaften ist die Politikwissenschaft eine Lesedisziplin. Wer sich das Fach und seine Inhalte erschließen möchte, kommt um umfangreiche Lektürearbeit nicht herum. Das gilt nicht erst seit Einsetzen der Corona-Krise. Mit dem abrupten Ende der Präsenzlehre und der Umstellung auf Online-Formate hat der Anteil des Lektürestudiums aber vielerorts noch zugenommen. Lehrende entdeckten die Buchscanner und Lieferdienste ihrer Bibliotheken für sich und erstellten umfangreiche PDF-Reader ‒ vor dem geistigen Auge ihre Studierenden, die die Pandemie wie Spitzwegs Bücherwurm verbringen. In der Realität dürften viele Lernende durch erweiterte Leselisten allerdings eher abgeschreckt worden sein. Beispielhaft zeigt dies eine unveröffentlichte Studierendenbefragung der Universität Münster aus dem Corona-Semester, bei der sich fächerübergreifend eine Mehrheit der Studierenden über die deutlich ausgeweiteten Lektüreanforderungen beklagten und sie für nicht bewältigbar hielten. Es empfiehlt sich deshalb ein Blick in den Instrumentenkasten der hochschuldidaktischen Lehr- und Lernforschung, die einige Verfahren entwickelt hat, mit denen sich die Lesecompliance von Studierenden steigern lässt.

In meinem Artikel im Sammelband stelle ich fünf solcher Instrumente vor, die ich in meinen Seminaren an der Universität Münster während des Corona-Semesters erfolgreich getestet habe. Für diesen Blogbeitrag möchte ich beispielhaft des Instrument der Textpatenschaften vorstellen.

Im Mittelpunkt vieler politikwissenschaftlicher Lehrveranstaltungen stehen Institutionen oder politische Organisationen wie Parlamente, Regierungen, Parteien, NGOs oder soziale Bewegungen. In solchen Seminaren können Sie zu Beginn des Semesters Textpatenschaften vergeben. In meinem Kurs „Zivilgesellschaft in Deutschland“ habe ich im Corona-Semester beispielsweise allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgewählte Vereine, Stiftungen, Wohlfahrtsverbände, Interessenverbände, Genossenschaften und gemeinnützige Kapitalgesellschaften zugewiesen und die Studierenden gebeten, die gesamte Seminarliteratur stets dahingehend zu lesen, inwieweit sich die getroffenen Aussagen auf die eigene Patenorganisation anwenden lassen oder ob sie ein eher schlechtes Beispiel zur Illustration des Textes sind.

Ich habe die Studierenden außerdem gebeten, in Fällen, in denen ihre Patenorganisation besonders gut geeignet ist, diese im Videoseminar kurz vorzustellen und auf den Text zu beziehen. In Kursen bis zu 30 Studierenden habe ich in der Videokonferenz einen Ausdruck der Organisationspatenschaften vor mir liegen und bitte die Studierenden, sich zur Seminarlektüre zu äußern, indem ich sie direkt mit Namen anspreche. Auf diese Weise gelingt es mir, auch Studierende zu aktivieren, die sich sonst nicht am Seminar beteiligen und die man im Webinar teilweise noch schwerer aktivieren kann als im Präsenzseminar. Da alle wissen, dass sie im Laufe des Semesters mehrfach aufgerufen werden, steigert das die Lesedisziplin erheblich. Als Lehrperson muss ich mich allerdings darauf vorbereiten, dass einige Studierende im Webinar fehlen und in diesen Fällen improvisieren, indem ich andere aufrufe.

Textpatenschaften eignen sich auch gut für Breakout Sessions, bei denen die Studierenden thematisch nach ihren Patenorganisationen in Kleingruppen eingeteilt werden und dort eine Aufgabe bearbeiten. In oben genanntem Seminar habe ich die Studierenden beispielsweise gebeten, in Breakoutsessions zu eruieren, inwieweit ihre Organisationen die verschiedenen Funktionen bedienen, die die liberale Demokratietheorie der Zivilgesellschaft zuweist.

Übrigens können Sie den Studierenden auch anbieten, Textpatenschaften aus ihrer eigenen Lebenswelt zu übernehmen. Sind Studierende selbst Mitglied in einer Partei, Gewerkschaft oder NGO, können sie im Seminar plastisch von ihren eigenen Erfahrungen berichten.

Dieser Artikel ist Teil der Blogserie „Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft“.

Interaktive Elemente in der Online-Lehre – Ein kurzer Einblick

Dies ist ein Beitrag von Tina Rosner-Merker (Universität Magdeburg) und Patricia Konrad (Universität Hamburg).

Bis März 2020 stellten digitale Lehrveranstaltungen in Deutschland eher eine Ausnahme dar. Die COVID-19-Pandemie änderte die Rahmenbedingungen und in der Lehre beschäftige Personen sahen sich – gefühlt von jetzt auf gleich – mit der Thematik Online-Lehre konfrontiert. An dieser Stelle setzen wir mit unserem Sammelbandbeitrag zu digitaler Lehre an und fokussieren uns auf Interaktion als didaktisches Element. Unser Artikel im Sammelband bietet dabei eine kurze Auseinandersetzung mit Interaktion und unserer didaktischen Grundhaltung, einen Überblick über sechs konkrete Tools zur Integration interaktiver Elemente in die Online-Lehre sowie eine erste Orientierungshilfe zur Auswahl passender Tools. Wir sind dabei der Auffassung, dass Online-Lehre eine große Bandbreite an Interaktionsmöglichkeiten bietet und mit einfachen, niedrigschwelligen und zugleich oft wirkmächtigen Mitteln eine Verbesserung des Lernerfolgs erzielt werden kann

Alle in unserem Buchbeitrag vorgestellten Tools basieren auf einer lerner*innenorientierten Didaktik und beziehen sich insbesondere auf Seminare bzw. Übungsformate. Einzelne Elemente sind aber auch auf Vorlesungen übertragbar. Ein wiederkehrendes Element unserer Tools stellt dabei die Peergroup-Education dar. Insgesamt betrachten wir Online-Lehre als in vielen Aspekten unterscheidbar von Präsenzlehre, nehmen aber keine Zuschreibung im Sinne von „besser“ oder „schlechter“ vor.

Wir laden dazu ein, diejenigen Elemente und Tools zu identifizieren, die den gewünschten Zielen entsprechen, diese auszuprobieren und im Austausch mit den Studierenden einen gemeinsam zu beschreitenden Weg zu finden. Als exemplarisches Beispiel schildern wir in diesem Blogbeitrag das Tool der interaktiven Videos.

Ergänzend zu bekannteren Videoformaten wie Screencasts, annotierten Präsentationen oder aufgezeichneten Vorträgen bieten interaktive Videos eine Vielzahl an Möglichkeiten. Ihnen ist gemein, dass Studierende vom passiven Anschauen des Videos in einen aktiven Modus wechseln: Das heißt, dass ein Video nicht mehr ohne Unterbrechungen beziehungsweise linear abgespielt werden muss, sondern durch die aktive Reaktion der*des Studierenden individuell gesteuert wird. Nichtlineares Abspielen bedeutet, dass innerhalb des Videos sowohl vor und zurück, als auch zu unterschiedlichen Kapiteln gesprungen werden kann.

Dabei stehen unterschiedlichste Varianten der Ausgestaltung des interaktiven Videos zur Verfügung; beispielsweise können verschiedene Aufgaben wie Quizfragen oder Lückentexte integriert und weiterführende Informationen eingeblendet werden. So lassen sich z.B. Kontrollfragen zum Verständnis oder kleinere Aufgaben einfügen, bei denen Studierende zur Lösung auf ein vorab erklärtes Vorgehen zurückgreifen müssen. Zudem können zur leichteren Navigation innerhalb des Videos einzelne Kapitel angelegt werden. Auch spätere Veränderungen oder Entscheidungsoptionen, z.B. zur Vertiefung, lassen sich integrieren. Zudem ist je nach Editor variabel, ob interaktive Elemente optional oder zum Fortlaufen des Videos verpflichtend absolviert werden müssen. Anders als das interaktive Video vermuten lässt, muss die Lehrperson dabei keinesfalls über umfassende Kenntnisse der Videobearbeitung verfügen. Vielmehr stehen interaktive Videos allen Personen offen, die auch klassische Videos aufnehmen können.

Um diese technisch niedrigschwellige Umsetzung zu ermöglichen, kann beispielweise auf den h5p-Editor zurückgegriffen werden. Unter https://www.oncampus.de/weiterbildung/moocs/einstieg-in-h5p ist ein kostenloser und kompakter Massive Open Online Course (MOOC) verfügbar, der einen Einstieg in das generelle Thema interaktiver Online-Elemente auf h5p-Basis ermöglicht, aber auch interaktive Videos im Spezifischen thematisiert. Dieser Editor lässt sich – wenn nicht bereits verfügbar – direkt in Lernplattformen wie moodle oder ILIAS integrieren und ermöglicht die Videoerstellung in einem Schritt-für-Schritt-Prozess.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Artikel ist Teil der Blogserie „Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft“.