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Digitale Studien- und Prüfungsleistungen

Dies ist ein Beitrag von Kai-Uwe Schnapp (Universität Hamburg).

Hört man den Begriff Onlineprüfung, dann denkt man zunächst an stupide Single- oder Multiple-Choice-Fragen, mit denen allenfalls Faktenwissen geprüft werden kann. Klug eingesetzt können solche Tests jedoch sehr viel mehr sein und Lehr-Lern-Prozesse sinnvoll ergänzen. Das gilt vor allem dann, wenn eine solche Prüfung durch geeignete Frageinhalte und -formate die Studierenden zur Wissenserweiterung im Prüfungsprozess anregt. In diesem Sinne nutze ich Onlinetests auch, um Studierende etwa zur Auseinandersetzung mit ergänzender Literatur zu „drängen“ oder ihnen Webseiten nahe zu bringen, die für das Studium relevant sind. So gibt es zu einer Methodenvorlesung Fragen, die ohne Nutzung des Messinstrumentenrepositoriums der GESIS nicht beantwortet werden können, andere sind ohne den Griff zum Buch nicht beantwortbar. Das Ziel dieser Art von Fragen ist nicht die Abfrage des jeweiligen Wissens, sondern das Anregen zur Auseinandersetzung mit für das Studium wichtigen Quellen. Die Prüfungssituation wird dadurch explizit zur Fortsetzung des Lern- und Auseinandersetzungsprozesses genutzt.

Was macht eine gute Onlineprüfung als aus? Sie braucht Fragen, die 1) die Erreichung der gesetzten Lernziele prüfen, 2) unterschiedliche Denkstufen abdecken, 3) die gewünschten Arbeitsschritte, etwa den Besuch einer Webseite oder das Nachlesen in einem Text notwendig machen, 4) die technisch verfügbare Palette an Frageformaten ausnutzen, und 5) die Ressourcen zur Überprüfung der Antworten nicht überfordern. Eine gute didaktische Qualität wird erreicht, wenn Lehrende sich genau überlegen, was sie prüfen und daher fragen wollen. Sie müssen sich also über den abzufragenden Inhalt, den jeweils geeigneten Fragentyp und die zu erreichende Punktezahl Gedanken machen. Die einzelnen Fragen sollen möglichst unterschiedliche Schwierigkeitsgrade aufweisen, die Fragentypen sollen variieren. Idealerweise kooperieren Lehrende bei der Entwicklung solcher Tests.

Rechtlich sind Onlinetests nach wie vor ein unsicheres Terrain. Bei ihrer Nutzung sollte daher in jedem Falle die Rechtsinterpretation der eigenen Hochschule beachtet werden. Ein unbedingtes Muss ist die Einhaltung des auch sonst bei Prüfungen üblichen Vieraugenprinzips. Dies wird bei Onlinetests dadurch sichergestellt, dass Fragen, Antwortoptionen und richtige Antworten sowie die Punktvergaben von einer Lehrperson entworfen und dann von einer zweiten Person geprüft werden. Hier wird Kooperation der Lehrenden bei der Testentwicklung sogar rechtlich erzwungen.

Führen Studierende einer großen Studiengruppe, also etwa einer Vorlesung, Onlinetests ohne Aufsicht am heimischen PC/Laptop durch, stellt sich die Frage, wie die Autoreninnenschaft der Antworten gesichert werden kann. Der erste technische Schritt ist das randomisierte Vorlegen der Antwortoptionen einer Frage, die von den meisten Testsystemen unterstützt wird. Die einfache Weitergabe der Nummer der richtigen Antwortoption wird so unterbunden. Hat man einen großen Fragenpool, dann kann dieser genutzt werden, um vom Testsystem individuelle Tests zusammenstellen zu lassen, die für jede Studierende anders aussehen. Das einfache Abschreiben von „Musterlösungen“ wird so effektiv unterbunden. Und was kann man tun, wenn Studierende sich diesen Vorkehrungen zum Trotz bei der Bearbeitung der Tests wechselseitig beraten? Aus meiner Sicht stellt das vor allem dann kein Problem dar, wenn der Test als unbenotete Leistung vorgenommen wird. Versteht man Prüfen jetzt als Teil des Lernprozesses und nicht ausschließlich als „Assessment“, kann eine solche Kooperation m.E. sogar als produktiv angesehen werden.

Welche Ressourcen werden für die erfolgreiche Implementation von Onlinetests benötigt? Es bedarf eines E-Learning-Systems, das Onlinetests zur Verfügung stellt und das möglichst im Besitz der eigenen Hochschule ist. Idealerweise wird das System an der Hochschule bereits breit genutzt, das senkt die Hürden für die Studierenden. Für Lehrende senken sich die Hürden, wenn es erfahrene Kolleginnen oder eine gute Unterstützung durch E-Learning-Büros oder vergleichbare Einrichtungen gibt. In jedem Falle benötigt man für die Umsetzung von Onlinetests ausreichend Hilfskraftstunden. Die Zahl der benötigten Stunden sinkt bei der wiederholten Durchführung eines Tests, geht aber nicht auf Null. Jeder Durchlauf benötigt seine eigenen Personalressourcen.

So entwickelt und eingesetzt sind Onlinetests ein weiteres wertvolles Instrument im didaktischen Werkzeugkoffer. Die zu überwindenden technischen Hürden sind angesichts weit entwickelter E-Learning-Systeme heute nicht mehr groß. Das gilt umso mehr, wenn an der eigenen Hochschule ein Mindestmaß an technischer Unterstützung gegeben ist.

Dieser Artikel ist Teil der Blogserie „Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft“.

Lernprozesse durch integriertes Lernen fördern – asynchrone und synchrone Lehre verzahnen

Dies ist ein Beitrag von Daniel Lambach (Universität Frankfurt am Main) und Caroline Kärger (HAW Hamburg).

Wenn Lehrveranstaltungen in ein Onlineformat umgewandelt werden müssen, ist die erste Idee vielleicht die sonst in Präsenz stattfindende Vorlesung oder das Seminar einfach 1:1 als synchrone Onlineveranstaltung anzubieten. Dieser Gedanke liegt nahe und ist nachvollziehbar, stellt aber nicht unbedingt die optimale Lösung dar. Im Vergleich zu klassischen Präsenzformaten ist es in synchronen Onlineformaten schwieriger eine Gesprächsdynamik zu erzeugen, es kann technische Probleme und Zugangshürden geben, man hat weniger Gefühl für die Stimmung im Raum, Studierende lassen sich am Computer leichter ablenken und haben ggf. das Gefühl in ihrem Lernen allein zu sein. Wir plädieren deshalb dafür sich auf die veränderten Möglichkeiten einzustellen, die Chancen des asynchronen Lernens zu ergreifen sowie asynchrone und synchrone Anteile als Teil eines integrierten Lernprozesses zu begreifen.

Die Inspiration für diese Überlegungen stammt aus unserer Beschäftigung mit dem Flipped Classroom (FC). Um in Lehrveranstaltungen Freiraum für aktives Lernen zu schaffen, wird die übliche Lernreihenfolge umgekehrt: In „klassischen“ Präsenzlehrformaten vermittelt die Lehrperson den Studierenden Grundlagenwissen, das die Studierenden danach eigenständig nachbereiten und anwenden sollen. Im FC erarbeiten sich die Studierenden zunächst die Grundkenntnisse selbst, die dann unter Anleitung der Lehrperson angewandt und vertieft werden.

Der FC ist nicht für die reine Online-Lehre konzipiert worden. Dennoch kann man daraus einige Ratschläge dafür ableiten:

  • Klären Sie die Kompetenz-/Lernziele der Lehrveranstaltung: Was sollen die Studierenden am Ende der Lehrveranstaltung können und wissen?
  • Überlegen Sie sich, mit welchen Lehr-Lern-Aktivitäten Sie diese Ziele am besten verfolgen können und wo Studierende am ehesten Begleitung und Unterstützung durch die Lehrperson und/oder Mitstudierende brauchen: Was benötigen die Studierenden, damit sie sich Wissen und Kompetenzen aneignen können?
  • Aktives Lernen kommt vor passivem Lernen.
  • Aktivitäten brauchen Feedback.

Für die Planung von digitaler Lehre ist es zunächst wichtig die beiden Phasen des synchronen („gleichzeitigen“) und asynchronen („zeitversetzten“) Lernens unterscheiden. Mit synchronem Lernen bezeichnet man Phasen, in denen Lehrpersonen und Lernende direkt miteinander interagieren, z.B. über Video-/Webkonferenzen oder Chatrooms. Asynchrones Lernen bedeutet, dass Lernende Material  nutzen, das die Lehrpersonen vorab bereit gestellt haben, oder sich in zeitversetztem Austausch mit Lehrenden und anderen Lernenden befinden (z.B. über Foren). Synchrone und asynchrone Anteile sollten Aspekte eines integrierten Lernprozesses sein, d.h. wie ineinander greifende Zahnräder funktionieren, die das kontinuierliche und gesamtheitliche Lernen der Studierenden unterstützen. Dabei sollten möglichst alle Phasen dieses Prozesses in derselben Lernplattform (z.B. Moodle oder Ilias) abgebildet und nicht über verschiedene Dienste verteilt werden, um die Arbeit für Lehrpersonen und Studierende möglichst reibungsfrei zu gestalten.

Mit dieser Unterscheidung im Hinterkopf können die für die gesamte Lehrveranstaltung definierten Kompetenzziele dann so auf synchrone und asynchrone Phasen verteilt werden, dass die spezifischen Stärken dieser Phasen optimal genutzt werden. Dafür bietet sich die Planung einer Lehrveranstaltung mittels Constructive Alignment an. Dieses Prinzip geht davon aus, dass Lernprozesse wirksam gestaltet werden können, indem man die Kompetenzziele, die Lehr- und Lernaktivitäten sowie die Prüfungsformen aufeinander abstimmt. Besteht ein Kompetenzziel einer Veranstaltung z.B. in der Fähigkeit zum wissenschaftlichen Schreiben, sollten die Aktivitäten das Schreiben, Analysieren und Kritisieren von Texten beinhalten und die Prüfung ein entsprechendes schriftliches Format haben.

Die Verteilung auf synchrone und asynchrone Phasen sollte sich dabei auch an der Frage orientieren, welche Ziele die Studierenden alleine erreichen können und wobei sie am ehesten den Austausch mit der Lehrperson und ihren Mitstudierenden brauchen. Oft dient die asynchrone Phase als Vorbereitung für die synchrone Phase (siehe Abbildung), sie kann aber auch Kontroversen anregen und Irritationen erzeugen, die in der synchronen Phase diskutiert werden sollen.

Wichtig ist dabei, jede Lerneinheit und jede Lernphase als Teil eines integrierten Lernprozesses zu verstehen. So eröffnen wir den Studierenden eine „nahtlose“ Lernerfahrung, lassen sie nicht allein im digitalen Lernen und können als Lehrpersonen wieder mehr in den Dialog einsteigen und ein Gefühl dafür bekommen, wo unsere Studierenden stehen (z.B. indem wie die Rückmeldungen der Studierenden zu den Aktivitäten der asynchronen Phase in der synchronen Phase im Plenum aufgreifen) und was sie brauchen. Manchen Herausforderungen des Online-Lernens kann durch diese Gedanken integrierter Lernprozesse begegnet werden. Insofern verstehen wir diesen Gedanken als Impuls, um Online-Formate nicht nur für Ihre Studierenden, sondern auch für Sie als Lehrperson angenehmer und wertvoller zu machen.

Dieser Artikel ist Teil der Blogserie „Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft“.

Blogserie „Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft“

Nach dem Corona-Semester ist vor dem Corona-Semester. Diese Abwandlung einer bekannten Fußballweisheit wird sicher nicht für alle Ewigkeit gültig sein, aber doch für das kommende Wintersemester. Und auch wenn die Corona-Pandemie einmal überstanden sein sollte – eine völlige Rückkehr zum Status Quo Ante wird es nicht geben.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Lehrende machen aktuell gezwungenermaßen einen Crashkurs in digitaler Lehre. Die dabei gewonnen Erfahrungen und Kompetenzen werden manche von ihnen dazu motivieren, digitale Elemente auch dann noch einzusetzen, wenn es nicht mehr zwingend notwendig ist. Hochschulleitungen bauen digitale Infrastrukturen auf, die auch in Zukunft genutzt werden wollen. Und Studierende, die zwar die komplette Umstellung des Studiums auf digitale Formate mehrheitlich ablehnen, können der Flexibilität mancher Angebote auch in kommenden Semestern noch etwas abgewinnen.

Das alles deutet darauf hin, dass die Hochschullehre durch die Corona-Erfahrung auf Dauer verändert wird. Ich meine damit nicht, dass man nochmal solche annähernd voll-digitalisierten Semester plant wie das Sommersemester 2020, sondern dass das Potenzial digitaler Lehre stärker genutzt werden wird, um Präsenzstudiengänge zu bereichern. Der Trend geht hin zum blended learning.

Deshalb sollten wir uns als Lehrende mehr mit dem digitalen Lernen beschäftigen, um unsere Erfahrungen zu reflektieren, best practices zu formulieren und unser Wissen miteinander zu teilen. Dies war bereits der Hintergedanke für die Zoom-Workshops zur digitalen Hochschullehre, die der AK Hochschullehre im April und Mai 2020 für die DVPW veranstaltet hat, sowie die Toolbox zur digitalen Hochschullehre, in der Ideen und Erfahrungen gesammelt werden.

Um die Auseinandersetzung fortzuführen, hat eine Gruppe von Autorinnen und Autoren einen Sammelband mit dem Titel „Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft“ verfasst, der im November 2020 in der Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politikwissenschaft beim Wochenschau-Verlag erscheinen wird. Die Autorinnen und Autoren beleuchten darin Elemente der digitalen politikwissenschaftlichen Lehre in all ihren Facetten – asynchrones Lernen, digitale Studienleistungen, Interaktivität, Lese- und Schreibübungen, Selbstlernangebote und noch vieles mehr.

Dieser Band soll dabei helfen, Lehrende schnell und übersichtlich auf Einsatzszenarien digitaler Lehre vorzubereiten, Berührungsängste abbauen und zur Kreativität anregen. Er ist aber nicht als Handbuch oder als Abschluss einer Diskussion zu verstehen, sondern soll vielmehr deren Auftakt bilden. Die (nicht nur politikwissenschaftliche) Hochschullehre muss sich verstärkt mit der Digitalisierung der Hochschulen und der Lehre befassen und mit diesem Band dokumentieren wir unsere aktuellen Ansätze in der Hoffnung, damit weitere Diskussionen anzuregen.

Zur Einstimmung auf die Veröffentlichung gibt es hier im AK-Blog eine Reihe mit Beiträgen von den Autorinnen und Autoren, die darin kurze Einblicke in ihre Artikel bieten. Diese werden wir über die nächsten Wochen jeden Dienstag veröffentlichen:

06.10.2010 Daniel Lambach und Caroline Kärger: Lernprozesse durch integriertes Lernen fördern – asynchrone und synchrone Lehre verzahnen

13.10.2020 Kai-Uwe Schnapp: Digitale Studien- und Prüfungsleistungen

20.10.2020 Tina Rosner-Merker und Patricia Konrad: Interaktive Elemente in der Online-Lehre – Ein kurzer Einblick

27.10.2020 Matthias Freise: Politikwissenschaftliche Leseübungen in der Online-Lehre

03.11.2020 Kathrin Loer: Digitale Vermittlung von Schreibkompetenz

10.11.2020 Hayfat Hamidou-Schmidt und Achim Goerres: Statistik kontaktfrei: ihre Grundlagen und softwaregestützte Anwendung unterrichten

17.11.2020 Benedikt Kleer und Simone Abendschön: Web-Based-Trainings als Teil einer e-Learning-Umgebung

Außerdem empfehle ich die schon publizierten Blogbeiträge von Tobias Denskus zur Lehre in einem hybriden Studiengang und Achim Kemmerling zu interaktiven Tests als Ergänzung. Wir hoffen, dass wir damit den Lehrenden jetzt schon ein paar Anregungen zur Gestaltung ihrer Lehre im Wintersemester geben können.

Lehre in der Krise: von Null auf Hundert, von Präsenz auf digital

Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Oliver Schwarz (Universität Duisburg-Essen). Der Beitrag entstand im Rahmen der Qualitätskonferenz zum Thema „Lehre in der Krise – Umgang mit Ungleichheiten und Effizienz“ am 24. Juni 2020 an der dortigen Fakultät für Gesellschaftswissenschaften.

 

Für mich persönlich begann das Corona-Semester passenderweise im März 2020 an einem Freitag, den 13. Eigentlich war ich für ein abendliches Kamingespräch zum Thema „Europa und soziale Demokratie“ eingeladen. Das Seminar wurde am frühen Morgen abgesagt. Wenig später erreichte mich die Absage einer zweitägigen Fortbildung, die ich in der nachfolgenden Woche absolvieren wollte. In ganz Deutschland und weltweit überschlugen sich die Ereignisse. Der öffentliche Diskurs kannte nur noch ein Wort: Corona. Bestand ursprünglich noch die Hoffnung, im Verlauf des Semesters möglicherweise wieder zu einer Art von Normalität zurückkehren zu können, so wurde in der Zwischenzeit sehr schnell klar: keine Chance.

Angesichts des gebotenen Verbots der Präsenzlehre machte ich mich für meine Lehrveranstaltungen im Sommersemester daran, die gängigen Videokonferenzdienste auf dem Markt zu testen. Meine ersten Versuche über den Konferenzdienst im Deutschen Forschungsnetz (Dienst DFNconf) waren leider katastrophal. Das Bild hing, der Ton versackte. Ich musste die Sitzung abbrechen. Schnell schwenkte ich daher in der Lehre auf das frisch von meiner Universität angebotene BigBlueButton um. Später kam noch Zoom hinzu. Der US-amerikanische Videokonferenzdienst wurde insbesondere bei dienstlichen Terminen genutzt. Meine wöchentlichen Sprechstunden begann ich über Skype abzuhalten. Während ich mich bei Moodle bereits wie zuhause fühlte, stellte mich das Produzieren und die Bereitstellung von digitalen Lehrmaterialien vor neue Herausforderungen. Doch dazu später mehr.

Das digitale Sommersemester ist noch nicht ganz vorbei und doch geht der Blick schon wieder nach vorne. Wie geht es weiter im Wintersemester? Was passiert mit all den neuen digitalen Elementen in Studium und Lehre? Basierend auf meinen persönlichen Erfahrungen in den vergangenen Wochen hierzu ein paar Überlegungen.

Zunächst ist es angebracht, uns allen selbst einmal anerkennend auf die Schulter zu klopfen. In diesem Semester gab es nicht viel Zeit zum Nachdenken. Wir mussten einfach loslegen, parallel zur kompletten Umstrukturierung auch unseres Privatlebens. Das war anstrengend und Kräfte zehrend, aber vielleicht eben auch ein Vorteil und rückblickend irgendwie auch sehr erfolgreich. Ich jedenfalls bin nach wie vor sehr positiv angetan davon, wie professionell unser Krisenmanagement war und wie schnell sich alle, sowohl Studierende als auch Lehrende und Hochschulverwaltung, in das „neue Normal“ eingefügt haben.

Für mich persönlich wurde Corona zum Sprungbrett in die digitale Lehre. Ich bin nun seit 16 Jahren in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre aktiv und von einigen digitalen Ausflügen abgesehen, stand bei mir immer die klassische Präsenzlehre im Vordergrund. Der direkte Austausch mit meinen Studierenden, aber auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen war mir wichtig und ist es immer noch. Doch nun organisiere ich diesen Austausch eben per Videokonferenzdienst, erstelle ich für meine Lehrveranstaltungen nahezu täglich ein oder gleich mehrere Lehrvideos und mein Büro sieht mehr und mehr aus wie ein Aufnahmestudio.

Und damit sind wir bei einem Punkt: dem Finanziellen. Um meine Lehre in diesem Semester vernünftig durchführen zu können, war eine Reihe technischer Anschaffungen notwendig: Headset, Mikrofon, Digitalkamera, Stativ usw. Ich konnte mir all diese Dinge dankenswerterweise durch ein von mir koordiniertes, lehrbezogenes Drittmittelprojekt leisten. Das ist aber sicherlich nicht bei jedem der Fall. Unabhängig von den richtigerweise vielerorts eingerichteten Notfallfonds wäre es daher wünschenswert, dass für dieses zusätzlich notwendige Arbeitsmaterial grundsätzlich auch finanzielle Mittel von Seiten der Universität möglichst niedrigschwellig zur Verfügung stünden.

Doch die Umstellung durch das digitale Semester ist ja nicht nur rein technischer Natur, es geht auch um digitale Soft Skills wie zum Beispiel die Frage nach der Aktivierung der Studierenden. Ich selbst habe in diesem Semester den Weg der asynchronen Lehrorganisation beschritten. Sowohl die studentischen Referate als auch mein Input werden hierbei jeweils im Videoformat über Moodle geteilt. Selten habe ich im Übrigen so fokussierte und qualitative hochwertige Beiträge von Studierenden erlebt wie in diesem Semester. Gleichzeitig musste ich bei einigen meiner Kurse jedoch feststellen, dass Zusatzangebote nur in sehr begrenzten Umfang genutzt worden sind oder dass ein Austausch im Forum so gut wie überhaupt nicht zustande kam. War bei mir in diesem Semester also vor allem das Medienzentrum meiner Hochschule gefragt, so wünsche ich mir in mittelbarer Zukunft vor allem eine stärkere didaktische Begleitung meiner Lehre in Sachen Lernen auf Distanz.

Darüber hinaus hoffe ich, dass der Lehre zukünftig insgesamt ein höherer Stellenwert eingeräumt wird – unabhängig davon, ob sie nun klassisch in Präsenzform oder eben digital durchgeführt wird. Bei uns am Institut gibt es beispielsweise eine Auszeichnung für die beste Fachpublikation eines Young Scholars. Warum haben wir nichts Entsprechendes für die Lehre, keine Auszeichnung für die Dozentin oder den Dozenten des Semesters? Ja, wir haben lehrbezogene Auszeichnungen auf Universitätsebene. Aber Hand aufs Herz: Zählt man nicht zu den MINT-Fächern, ist es sehr unwahrscheinlich, hier zu den Glücklichen zu gehören.

Kurzum: Alles super im digitalen Semester aus Dozierendensicht? Nicht ganz. Ich persönlich kann aktuell noch überhaupt nicht einschätzen, wie gut ich meine Studierenden in diesem Semester tatsächlich erreicht habe, wie konsequent sie in dieser permanenten Ausnahmesituation ihrem Studium nachgehen konnten und wie erfolgreich ich letztlich bei der Vermittlung von Kompetenzen gewesen bin. Selten zuvor waren mir die Ergebnisse meiner studentischen Lehrveranstaltungsbewertungen daher so wichtig wie in diesem Semester. Auch auf die noch ausstehenden Prüfungsleistungen meiner Studierenden warte ich mit Hochspannung. Durch das plötzliche Umstellen von Null auf Hundert, von Präsenz auf digital habe ich in diesem Sommer deutlich mehr in meine Lehre investiert als unter Normalbedingungen. Es wäre schön, wenn sich diese Investition am Ende des Semesters auch auszahlen würde.

Was ich mir darüber hinaus, also neben einer didaktischen Begleitung, einer finanziellen Unterstützung sowie einer institutionellen Anerkennung der Lehre, wünsche, ist Flexibilität. Niemand weiß, wie sich diese Corona-Pandemie entwickeln wird. Uns Lehrenden sollte daher die in diesem Semester eingeräumte Freiheit auch weiterhin zugestanden werden. Das betrifft nicht nur die Ausgestaltung unserer Lehrtätigkeit, sondern allgemein die Ausgestaltung unserer Arbeitszeit an der Hochschule. Ob nun persönlich vor Ort oder digital präsent, das sollte eigentlich überhaupt kein Gegensatz sein. Das sollte sich einander ergänzen. Wenn wir das verinnerlichen könnten, dann wären wir in der Post-Corona-Zeit nicht nur wieder da, wo wir im Wintersemester 2019/20 einmal waren, sondern meiner Ansicht nach wirklich einen Riesenschritt weiter.

Die Offene Lernplattform „Mathematik in den Sozialwissenschaften“

Dies ist ein Gastbeitrag von Christian Cleve (Fernuni Hagen).

Als empirische Wissenschaft sind in den Sozialwissenschaften zumindest grundlegende mathematische Fähigkeiten erforderlich, um gesellschaftliche Entwicklungen (z.B. soziale Ungleichheit, Wahlbeteiligung und Gender-Pay-Gap) angemessen beschreiben und erklären zu können. Aus verschiedenen Gründen haben viele Studierende aber Defizite bei den erforderlichen Mathematikkenntnissen, die für ein sozialwissenschaftliches Studium nötig sind. Vor diesem Hintergrund begegnen Studierende in sozialwissenschaftlichen Studiengängen mathematischen Inhalten in Lehrveranstaltungen häufig mit Zurückhaltung oder Ablehnung. Entsprechend werden wichtige statistische Themenfelder nur sporadisch oder überhaupt nicht bearbeitet. Im weiteren Studienverlauf führt dies zu Problemen, da bspw. eine angemessene Auseinandersetzung mit empirischen Studien nicht möglich ist.

An dieser Stelle setzt der Online-Kurs „Mathematik in den Sozialwissenschaften“ an. Der Kurs ist ein Angebot der Arbeitsstelle Quantitative Methoden auf der offenen Lernplattform der FernUniversität in Hagen und bietet Studierenden und Studieninteressierten die Möglichkeit, ihr mathematisches (Vor-)Wissen für ein sozialwissenschaftliches Studium aufzufrischen und zu festigen. Die Teilnehmenden sollen nach Bearbeitung des Kurses über die erforderlichen Mathematikkenntnisse für ein sozialwissenschaftliches Studium verfügen. Nach kostenloser Registrierung auf der offenen Lernplattform können sich Interessierte in den Kurs „Mathematik in den Sozialwissenschaften“ selbst einschreiben. Bei dem Kurs handelt es sich um ein freiwilliges, außercurriculares Angebot („Brückenkurs“) für Studierende sowie Studieninteressierte der Sozialwissenschaften (mit Fokus auf Politikwissenschaft und Soziologie). Ein Zertifikat und/oder Leistungspunkte können nicht erworben werden.

Der Kurs verfolgt dabei zwei Ziele: Erstens werden die mathematischen Kenntnisse für ein sozialwissenschaftliches Studium (insbesondere Soziologie und Politikwissenschaft) offengelegt. Zweitens wird Lernmaterial (z.B. Videotutorials, Moodle-Tests und Aufgabenblätter) zur Verfügung gestellt, um mögliche Defizite der mathematischen Vorkenntnisse im Selbststudium festzustellen und ausgleichen zu können.

Inhaltlich gliedert sich der Kurs in drei Teilbereiche:

  • Teil 1: Grundlegende Rechenoperationen

Um mathematische Formeln anwenden und Prozentsätze sowie statistische Kennwerte korrekt berechnen zu können, benötigen Studierende der Sozialwissenschaften einen sicheren Umgang mit grundlegenden Rechenoperationen. Dazu zählen die vier Grundrechenarten (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division), Potenzen, Wurzeln, Beträge, das Rechnen mit negativen Zahlen und Variablen sowie das Summenzeichen.

  • Teil 2: Bruch-, Dezimal- und Prozentrechnung

Insbesondere die Prozentrechnung ist in der quantitativen Sozialforschung von enormer Bedeutung, um (prozentuale) Anteile bzw. Veränderungen korrekt berechnen und interpretieren zu können. Grundlage hierfür ist auch ein sicherer Umgang mit Brüchen sowie Dezimalzahlen.

  • Teil 3: Einführung in die univariate Datenanalyse

Die quantitative Sozialforschung basiert in der Regel auf vielen Beobachtungen (z.B. Bevölkerungsumfragen mit mehreren tausend Befragten). Ein erster Schritt bei der Analyse solcher Daten besteht darin, einzelne Merkmale (z.B. Informationen zum Geschlecht, Alter oder Schulabschluss) zu beschreiben (bspw. mittels Häufigkeitstabellen und Lagemaßen).

Die Inhalte dieser drei Teilbereiche werden anhand sozialwissenschaftlicher Beispiele (z.B. Wahlen und individuelle Einstellungen) veranschaulicht. Im Kurs werden Übungsaufgaben bereitgestellt, die sowohl klassisch auf Papier als auch am Computer bearbeitet werden können.

Tod der Reputationsasymmetrie! Wie stärken wir den Stellenwert von Lehre in Berufungsverfahren? Ein Meinungsbeitrag von Daniel Lambach

In der Politikwissenschaft wie auch in anderen Fächern ist man sich in professionspolitischen Fensterreden schnell einig, dass Leistungen in der Lehre mehr gewürdigt werden sollten. Karrieren werden zu oft noch (nahezu) ausschließlich auf Forschungsleistungen aufgebaut, während Erfolge und Erfahrungen in der Lehre nur wenig beim Vorankommen in der Wissenschaft helfen, obwohl diese beiden Felder im Sinne des Maxims Forschung und Lehre gleichberechtigt sein sollten. Diese „Reputationsasymmetrie“ wird über verschiedene Mechanismen aufrechterhalten, vor allem über Einstellungs- und Berufungsverfahren.

Ein Grundproblem dabei ist, dass Lehrleistungen stärker dichotom bewertet werden als Forschungsleistungen. Während bei letzteren eher gilt „je mehr und je mehr Ansehen desto besser“ wird Lehre eher als „ausreichend oder nicht ausreichend?“ bewertet. Spitzenleistungen in der Lehre erhalten damit keinen angemessenen Bonus gegenüber bloß adäquaten Leistungen. Wer lange Zeit mit hohem Deputat lehrt, Lehrpreise bekommt, Förderung für Lehrprojekte einwirbt, über Lehre publiziert, sich um seine Studierenden kümmert, wird nur geringfügig besser bewertet als solche Mitbewerber/innen, die in der Lehre gerade so das Nötigste getan haben.

Anekdotenhafte Evidenz zu dieser Annahme kann sicher jeder und jede beitragen, der/die schon einmal in einer Berufungskommission war. Unterstützt wird dies auch von den Ergebnissen einer jüngst veröffentlichten Studie zur Gewichtung von Auswahlkriterien in Berufungsverfahren:

„Die Ergebnisse […] zeigen, dass die Berufungskommissionsvorsitzenden von Universitäten im Vergleich zu ihren Fachhochschulkollegen die Relevanz forschungsbezogener Kriterien (wissenschaftliche Publikationen, durchgeführte Forschungsprojekte, eingeworbene Drittmittel, die Mitwirkung in der Scientific Community über die Tätigkeit als Vorstand einer Fachgesellschaft oder als Herausgeber von Fachzeitschriften sowie das Forschungskonzept bzw. geplante Forschungsprojekte und der Fachvortrag im Berufungsverfahren) für die Listenentscheidung in Berufungsverfahren überdurchschnittlich häufig betonen. Auf der anderen Seite akzentuieren sie überproportional häufig die geringe Relevanz von lehrbezogenen Kriterien (Lehrerfahrung bezüglich Veranstaltungen, Prüfungen und der Betreuung von Abschlussarbeiten; Lehrevaluationsergebnisse; das Lehrkonzept; schließlich der Lehrvortrag im Berufungsverfahren […]).“ (Kleimann/Hückstädt 2018: 39)

Um hier eine Veränderung zu bewirken, müssen wir also darüber sprechen, wie Lehre in derartigen Verfahren systematisch und fair höher bewertet werden kann als bisher. Dafür gibt es verschiedene Methoden, von denen manche bereits in Auswahlverfahren eingesetzt werden, z.B. Lehrproben oder die Einreichung von Lehrevaluationen. Allerdings gehen hier die Standards weit auseinander und manche dieser Instrumente sind nicht unbedingt valide Indikatoren für Lehrkompetenz. Welche Kriterien können Berufungskommissionen also heranziehen?

 

Lehrzertifikate

Für Stellen mit einem normalen Deputat sollte die Absolvierung didaktischer Qualifizierungsmaßnahmen eine absolute Muss-Bedingung sein. Dafür gibt es zwischen den Bundesländer variierende, aber insgesamt vergleichbare Zertifikate, die man in der Qualifikationsphase berufsbegleitend erwerben kann. Allermindestens sollte man den Berufenen abverlangen, ein noch nicht erworbenes Zertifikat innerhalb von 1-2 Jahren zu beenden.

 

Lehrqualität

Lehrqualität ist nur sehr schwer zu bewerten. Hier greifen viele Kommissionen auf die standardisierten Lehrevaluationen zurück, welche an den meisten Instituten regelmäßig durchgeführt werden. Dass diese Evaluationen aber methodisch fragwürdig sind und ihre Ergebnisse systematisch Frauen und Minderheiten benachteiligen, ist aber inzwischen gründlich bewiesen. Daher sollten Evaluationen entweder gar nicht oder nur mit der geboteten Vorsicht und als Teil eines mehrdimensionalen Assessments der Lehrqualität herangezogen werden.

Stattdessen kann man Bewerber/innen bitten, unter ihren Referenzen auch eine teaching reference anzugeben, die etwas zu den Lehrleistungen sagen kann. Dies ist in den USA durchaus gängig und würde bei uns u.a. dazu beitragen, dass sich Vorgesetzte für die Lehre ihrer Mitarbeiter/innen interessieren müssen, wenn sie deren Fortkommen in der Wissenschaft unterstützen wollen.

Außerdem könnte man ernsthafte Lehrproben einführen. Zu oft sind Lehrproben in Berufungsverfahren nur Kurzvorträge ohne Aussprache über die Didaktik, sondern über den Lehrinhalt, und damit eigentlich zweite Forschungsvorträge. Stattdessen sollte man realistische Settings organisieren (z.B. eine halbe Seminarsitzung von 45 Minuten vor echten Studierenden) und von den BewerberInnen vorab ein schriftliches Lehrkonzept einfordern.

 

Lehrkonzepte

Manche Kommissionen verlangen von Bewerber/innen entweder bei der Erstbewerbung oder nach Einladung zum Berufungsvortrag Lehrkonzepte ein. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings fehlt es hier zuweilen an der nötigen Kompetenz zur Bewertung der eingereichten Lehrportfolios. Diese sollten anhand eines klaren Kriterienkatalogs zu Lehrerfahrungen, Lehrphilosophie, didaktischer Qualifikation, geplanten Lehrangeboten sowie Diversitäts- und Genderkompetenz ausgewertet werden. Eventuell kann man zur Erstellung eines entsprechenden Katalogs Unterstützung seitens der örtlichen hochschuldidaktischen Qualifikationsstelle einholen.

 

Lehrquantität

Auch die Quantität der bisherigen Lehrerfahrung sollte in die Bewertung einfließen. Wie viel Erfahrung haben die Kandidat/innen insgesamt? Wie gut passen die bisher gelehrten Themen und Veranstaltungsformen zu denen, die im neuen Job gebraucht werden? Die Lehrerfahrung sollte auch im Kontext mit anderen Kriterien gesehen werden: wer sich von einer Ratsstelle mit hohem Deputat  (12-16 SWS) bewirbt, wird sicher einen geringeren Forschungsoutput haben als Mitarbeiter/innen eines reinen Forschungsinstituts, die gelegentlich einzelne Lehraufträge wahrnehmen. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil der „Sprung“ auf 9 SWS Lehre (oder noch mehr bei FHs) in Kombination mit der entsprechenden Gremienarbeit bei lehrunerfahrenen Spitzenwissenschaftler/innen oft einen Praxisschock erzeugt, der ihre forscherische Leistungsfähigkeit mehrere Jahre beeinträchtigt.

 

Besondere Lehrleistungen

Nicht zuletzt sollten auch besondere Lehrleistungen in der Bewertung der Lehrqualifikation berücksichtigt werden. Dazu gehören natürlich Lehrpreise, die ein guter Indikator für hohe Lehrqualität sind. Aber Vorsicht – nicht jede Hochschule bzw. Fakultät verleiht überhaupt Lehrpreise, so dass nicht alle Bewerber/innen hierzu überhaupt eine Chance haben. Hinzu kommt auch die Drittmitteleinwerbung für Lehrprojekte. Dieser Bereich wird mit dem für 2021 oder 2022 geplanten Start der sogenannten Organisationseinheit für „Innovationen in der Lehre“ (vulgo: Deutsche Lehr-Gemeinschaft) einen deutlichen Schub bekommen. Und nicht zuletzt kann man auch Publikationen über die Lehre heranziehen, die wir in diesem Blog schon oft als Mittel zur Kommunikation und Qualifikation gewürdigt haben.

Während diese drei Kriterien – Preise, Projekte, Publikationen – sich an „klassischen“ Statusmarkern wissenschaftlicher Arbeit orientieren, können besondere Lehrleistungen aber auch in anderer Weise erbracht werden, z.B. durch die Organisation besonderer Lehrveranstaltungen (Simulationen, Exkursionen etc.), die über das normale Curriculum hinausgehen. Auch ein besonderes Engagement in der Betreuung von Studierenden kann Ausdruck hohen Engagements sein. Diese Arten besonderer Lehrleistungen können im Rahmen des Lehrkonzepts dargelegt werden.

 

Quelle:

Kleimann, Bernd / Hückstädt, Malte (2018): Auswahlkriterien in Berufungsverfahren: Universitäten und Fachhochschulen im Vergleich. In: Beiträge zur Hochschulforschung 40:2, 20-46.

Planspiele und Politiksimulationen in der Hochschullehre – Ein Interview mit Wolfgang Muno

Zur Veröffentlichung zweier neuer Bände in der Kleinen Reihe Hochschullehre Politik haben wir nach dem Interview mit Caroline Kärger und Judith Gurr jetzt auch noch ein Gespräch mit Wolfgang Muno (Universität Rostock) geführt, in dem er seinen neuen Band „Planspiele und Politiksimulationen in der Hochschullehre“ vorstellt.

 

1) Worum geht es in Deinem Buch?

Momentan sind vielleicht E-Learning Methoden aktueller, aber es wird wieder die Zeit der Präsenzlehre kommen. Dann werden wir uns auch wieder Gedanken machen über die Beteiligung und Aktivierung der Studierenden in den Seminaren und Vorlesungen. Aktivierende Lehre wird dann wieder wichtig werden.

Planspiele und Simulationen gelten als ein „Königsweg“ aktivierender Lehrformen. Was könnte spannender sein für Studierende, als für einige Stunden oder gar einige Tage in die Haut einer Politikerin, einer Europa-Abgeordneten, einer Ministerin oder einer Kanzlerin zu schlüpfen und Entscheidungen zu treffen?

Das Buch ist aus der Entwicklung einer Simulation entstanden. Um die Lehre über die EU zu verbessern, habe ich gemeinsam mit einigen Studierenden vor einigen Jahren an der Uni Mainz eine Simulation zum Gesetzgebungsprozess der EU initiiert. Daraus ist eine mehrtägige Veranstaltung mit über 100 Teilnehmern aus der ganzen Welt geworden: Model European Union Mainz. Aus der Reflexion und Diskussion von MEUM entstand dann eine Reihe von Publikationen, als Gesamtschau schließlich diese Publikation.

Es geht dabei zunächst einmal um eine Systematik von Planspielen und Simulationen. Die Bandbreite reicht von einfachen, spontanen Rollenspielen bis hin zu mehrtägigen, komplexen, regelbasierten Simulationen. Im Vorfeld sollte man sich mithilfe der Systematik als Dozentin überlegen, welche Art von Planspiel beabsichtigt ist. Ich diskutiere auch Lehr-/Lernziele vor dem Hintergrund des sogenannten „Shift from teaching to learning“. Im Mittelpunkt steht aber die Praxisorientierung: Wie soll ich eine Simulation konzipieren? Was ist dabei zu beachten? Die Trias „Vorbereitung-Durchführung-Evaluation“ wird vor dem Hintergrund von MEUM ausführlich diskutiert.

 

2) Warum ist das Thema für die politikwissenschaftliche Hochschullehre wichtig?

Der „Shift from teaching to learning“ stellt Dozierende vor neuen Herausforderung. Nicht mehr der weise Greis, der alles weiß, ist gefragt, sondern eine Moderatorin, die zum Lernen motiviert und aktiviert. Eine passende Methode wäre eine Simulation, die aber viel mehr Mühe macht als ein klassisches Seminar mit Referaten.

Es geht in der Publikation schlicht um die Frage: wozu die Mühe mit einer Simulation? Ein einfaches, spontanes Rollenspiel kann problemlos in regulären Unterricht integriert werden, eine komplexe, mehrtägige, regelbasierte Simulation erfordert sehr viel organisatorischen Aufwand im Vorfeld. Lohnt sich das? Obwohl die empirische Forschung zu messbaren Lernergebnissen in der Hochschuldidaktik noch in den Kinderschuhen steckt, deuten erste Forschungen an, dass sich der Aufwand sehr wohl lohnt. Studierende schätzen Simulationen als spannend, unterhaltsam und lehrreich ein.

Um das zu schaffen, benötigt es aber eine gezielte inhaltliche und organisatorische Vorbereitung. Wichtig ist auch eine gute Evaluation bzw. Reflexionsphase, um einerseits Teilnehmenden das Nachdenken über Ausgeübtes und Erlerntes zu ermöglichen, andererseits die Simulation zu verbessern bzw. auf bestimmte Bedürfnisse und Herausforderungen anzupassen. Die Publikation soll dies verdeutlichen und beschreibt, was dabei hilft und was wichtig ist.

 

3) Wer sollte dieses Buch lesen?

Das Buch sollte für alle interessant sein, die überlegen, einmal eine Simulation durchzuführen, ob Universität oder Schule, ob Dozentin, Lehrerin oder Studentin. Es sollen sich auch alle Teilbereiche der Politikwissenschaft angesprochen fühlen.

Ob EU oder UN-Sicherheitsrat, ob Verfassungsversammlung oder Bildungsgerechtigkeit, ob die Ministerpräsidenten der Länder über die Einschränkung von Grundrechten zur Pandemie-Bekämpfung beschließen müssen oder der Bundesrat erneuerbare Energien fördern möchte, Simulationen sind unterhaltsame, und, wenn gut vor- und nachbereitet, auch sehr lehrreiche Lehr-/Lernformen – für Studierende wie für Dozierende.

Das Buch ist bestellbar über https://wochenschau-verlag.de/Planspiele-und-Politiksimulationen-in-der-Hochschullehre/40654 und alle Buchhändler.

Lebhafte Debatten in einem als „verstaubt“ geltenden Fach: Bericht über die Tagung aus Studierendenperspektive

Dieser Beitrag von Niklas Nolting (HSU Hamburg) ist der Abschluss der Blogserie “Hochschullehre in der Politischen Theorie und Ideengeschichte”.

 

Als Studierender stellt man sich häufig die Frage nach dem Verhältnis und der Vereinbarkeit von aktuellen politischen Entwicklungen oder Stimmungen und dem Lehrplan, der Theorie-Seminaren zugrunde liegt. Dies war auch ein wiederkehrender Diskussionspunkt des Workshops Theorielehrender in Hamburg. Hier wurden das Prinzip der Freiheit der Lehre und ihre potentiellen politischen Implikationen, die sich zum Beispiel in der Lehrplangestaltung manifestieren, abgewogen. Beispielsweise thematisierten Frederik Metje und Simon Rettenmeier in ihrem Vortrag über „die Schizophrenie des Lehrens politischer Theorie“ mögliche Gefahren, die aus einer Diskussion von Theoretikern mit rassistischen Grundannahmen resultieren. Sicher kann eine Verbannung Kants (aufgrund eines Rassismus-Verdachts) oder Heideggers und Schmitts (aufgrund ihrer Involviertheit in der NS-Zeit) vom Lehrplan nicht die Lösung sein: Welcher Lehrende hat einen „objektiven Standpunkt“ und kann entscheiden, wer es nach den heutigen Kriterien verdient hat gelehrt zu werden? Aus Studierendenperspektive erscheint es mir zudem paternalistisch, derartige Lehrinhalte nicht in Curricula aufzunehmen.  Vielmehr wäre es wünschenswert, Studierenden die Befähigung zum eigenständigen kritischen Denken zuzutrauen und diese Fähigkeit stärker zu betonen und zu fördern, anstatt den Lehrinhalt zu reglementieren. Auch der Roundtable war sich diesbezüglich einig: Die politische Theorie besteht gerade aus dem Denken über sowie dem Ringen mit ideologischen und weltanschaulichen Differenzen. Im Zweifel kann eine ungeliebte Theorie immer noch als Sparringspartner zu Generierung von passenden Gegenargumenten dienen. Die Lehre verliert etwas, wenn sie sich gewissen Inhalten grundsätzlich verschließt, und verkommt dadurch zu einem stromlinienförmigen Laborobjekt. Aus der Sicht des Lernenden war es erfreulich, dass die lebhafte Diskussion der Tagung zeigte, dass diese Diskrepanzen nicht bloß in der Studierendenschaft, sondern ebenso bei den DozentInnen Sprengstoff bergen und vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen kontrovers thematisiert werden.

Aus Studierendenperspektive wurde eine häufig als „abstrakt“ oder „verstaubt“ geltende Disziplin durch viele Diskussionen des Workshops plötzlich ganz lebhaft und anschaulich. Dazu trug auch die Debatte um die Methodik des Lehrens politischer Theorie bei. Rieke Trimcev und Lisa Klingsporn erklärten, dass sie politische Theorie (bzw. Ideengeschichte) gerne anhand eines Planspiels lehrten, indem die Studierenden das Leben in einem fiktiven Dorf, das über zuvor festgelegte Ressourcen verfügt, selbst politisch organisieren müssen. Mir schien insbesondere die Frage interessant zu sein, inwieweit sich „meine“ Ausgestaltung des Dorfes im Verlauf meines Studiums bereits verändert hätte oder noch verändern würde.

Insgesamt haben die Diskussionen und Fragestellungen der Tagung dazu beigetragen, dass ich eine neue Perspektive und ein besseres Verständnis für die Herausforderungen zu erlangen, die mit der Lehre der politischen Theorie einhergehen. Der Satz eines Teilnehmenden ist für mich mit einem faden Beigeschmack in Erinnerung geblieben: „Wer im akademischen Bereich Karriere machen will, der sollte seinen Fokus nicht zu sehr auf die Lehre richten.“ Dieser Umstand ist uns Studierenden eher selten bewusst. Zudem war ein weiterer Diskussionspunkt aus Studierendenperspektive überraschend dominant: die Angst angesichts rapider verändernder gesellschaftlicher Strömungen an den Rand der Forschungswelt und in die Bedeutungslosigkeit gespült zu werden. Dieser Angst trug insbesondere Gary S. Schaal Rechnung, indem er einen Appell für die Öffnung der politischen Theorie für digitale Technologien und Methoden formulierte. Sowohl didaktisch als auch inhaltlich müsse sich die politische Theorie auf das Arbeiten mit Algorithmen und Text Mining einlassen, da sie sonst zukünftig an Relevanz einbüße. Mit diesem zukunftsgerichteten Denken sprach er insbesondere auch die jungen WissenschaftlerInnen und Studierenden an, da sie es sind, die sich mit der Zukunft dieser Disziplin auseinandersetzen werden müssen.

 

Anm.: Als Anschlussveranstaltung ist derzeit ein internationaler Workshop zu Methoden und Herausforderungen der Theorielehre in Planung, der auch eine vergleichende Perspektive auf das Lehren und Lernen in verschiedenen nationalen bzw. kulturellen Kontexten einnehmen wird. Weitere Informationen folgen sobald Konferenz- bzw. Workshop-Planungen wieder möglich sind.

Lernen im Dialog: Aktivierende Methoden in der politikwissenschaftlichen Lehre – Ein Interview mit Caroline Kärger und Judith Gurr

Nach der Veröffentlichung zwei neuer Bände in der Kleinen Reihe Hochschullehre Politik haben wir wieder Interviews mit den AutorInnen geführt. In diesem Beitrag stellen Caroline Kärger (HAW Hamburg) und Judith Gurr (Leuphana Universität Lüneburg) ihren Band „Lernen im Dialog: Aktivierende Methoden in der politikwissenschaftlichen Lehre“ vor.

 

1) Worum geht es in Eurem Buch?

In unserem Buch geht es darum zu zeigen, wie Lehrende in ihren Lehrveranstaltungen Situationen herstellen und Anlässe schaffen können, in denen alle Studierenden aufgefordert sind, sich aktiv zu beteiligen und in den wissenschaftlichen Dialog zu treten. Das Buch ist aus der Erfahrung einer Situation heraus entstanden, die vermutlich viele Lehrende bereits erlebt haben: von den Studierenden einer Lehrveranstaltung beteiligt sich nur ein Bruchteil aktiv an den Diskussionen und Lernaktivitäten in einer Sitzung. Dabei ist gerade die mündliche Auseinandersetzung besonders relevant, da es zu den Zielen eines politikwissenschaftlichen Studiums gehört Studierende in der Aneignung dialogischer Kompetenzen zu unterstützen.

Deshalb skizzieren wir im Band wie dialogische Kompetenzen durch Konzepte aktiven Lernens und den Einsatz aktivierender Methoden gefördert werden können. Lehrenden bieten wir mit dem Band anwendungsorientierte Impulse für ihre eigene Lehre. Wir erläutern zunächst die Begriffe Dialog und dialogische Kompetenzen sowie die Relevanz dieser Kompetenzen und welche Ansätze es gibt um die Aneignung zu unterstützen. Im zweiten, längeren Teil des Buches werden dann in praxisorientierten Steckbriefen verschiedene aktivierende Methoden vorgestellt, die in den Präsenzphasen von Lehrveranstaltungen Diskussionsanlässe schaffen, Kommunikationsräume gestalten und Dialogkompetenzen fördern. Für alle Methoden gehen wir auf Ziele und Einsatzmöglichkeiten, Voraussetzungen und Material, Vorbereitung und Durchführung sowie Zeitbedarf, Teilnehmer*innenzahl und die Rolle der Lehrperson ein. Jede Methode wird durch Anwendungsbeispiele aus den verschiedenen Teildisziplinen der Politikwissenschaft illustriert. Wir geben sowohl in den Steckbriefen als auch am Ende des Buches konkrete Erfahrungswerte und Tipps weiter wie die Umsetzung der Methoden gelingen kann.

 

2) Warum ist das Thema für die politikwissenschaftliche Hochschullehre wichtig?

Es ist aus verschiedenen Gründen wichtig, dass wir als Lehrende Studierende darin unterstützen, Dialoge und Diskussionen führen zu können, Argumente zu entwickeln und sich mündlich kritisch mit Fragen und Themen der Politikwissenschaft auseinanderzusetzen. Erstens sind dies Fach- und Kernkompetenzen eines politikwissenschaftlichen Studiums. Politikwissenschaft ist pluralistisch und ein politikwissenschaftlicher Wissenskanon und -kern ist schwer festzumachen. Umso wichtiger ist der Erwerb dialogischer Kompetenzen, um verschiedene Positionen einnehmen, artikulieren, diskutieren sowie zwischen ihnen vermitteln zu können. Zweitens ist die Politikwissenschaft eine Disziplin, die eine wissenschaftliche (Aus-)Bildung bietet, aber kaum für konkrete Berufs- und Arbeitsfelder qualifiziert. Dialogische Kompetenzen sind deshalb unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigungsfähigkeit besonders arbeitsmarktrelevant und berufsbefähigend, da sie für viele Berufsfelder eine Grundvoraussetzung sind. Drittens sind dialogische Kompetenzen auch Kompetenzen für das Leben und die Teilhabe in einem demokratischen System. Der politikwissenschaftlichen Hochschullehre kommt deshalb gerade angesichts des Erstarkens populistischer Strömungen eine besondere Rolle in der Vermittlung dieser Demokratiekompetenz zu.

 

3) Wer sollte dieses Buch lesen?

Das Buch ist für alle Lehrenden der Politikwissenschaft interessant. Die vorgestellten Methoden sind so ausgewählt, dass sie für alle Teildisziplinen der Politikwissenschaft geeignet sind und sowohl von erfahrenen Lehrenden als auch von Einsteiger*innen eingesetzt werden können. Lehrende nehmen in diesen Methoden die Rolle von Lernbegleiter*innen ein. Bei der Auswahl der Methoden legten wir einen Fokus auf die Präsenzphasen von Veranstaltungen mit vielen Teilnehmer*innen, d.h. größere Seminare oder Vorlesungen, da die Förderung aktiven Lernens und die Unterstützung bei der Aneignung dialogischer Kompetenzen in solchen Formaten besonders herausfordernd ist. Die vorgestellten Methoden sind aber auch in Lehrveranstaltungen mit wenigen Teilnehmer*innen einsetzbar. Ferner sind es Methoden, die sowohl analog als auch digital gestützt durchgeführt werden können. Das Buch greift damit die Möglichkeiten der Digitalisierung für alternative Vermittlungs-, Partizipations- und Kooperationsmöglichkeiten auf. Einige der Methoden benötigen Vorbereitungszeit und können eine ganze Sitzung füllen, andere Methoden sind auch spontan einsetzbar. Ein Blick in das Buch lohnt damit sowohl bei der Veranstaltungsplanung zum Semesterbeginn als auch kurzfristig zur Inspiration für die Gestaltung einer Lehrveranstaltungssitzung. Wir wünschen allen Lehrenden viel Erfolg und Spaß beim Ausprobieren und Anpassen der Methoden in ihren Lehrveranstaltungen!

Das Buch ist bestellbar über https://wochenschau-verlag.de/Lernen-im-Dialog/40950-PDF und alle Buchhändler.

Bericht von der fünften Jahrestagung: Wozu politikwissenschaftliche Hochschullehre? (Berlin, 17.-18.2.2020)

Am 17. und 18. Februar 2020 veranstaltete der AK Hochschullehre seine fünfte Jahrestagung des AK Hochschullehre. Die Tagung unter dem Titel „Wozu politikwissenschaftliche Hochschullehre?“ fand im Besuchszentrum der Stiftung Berliner Mauer statt.

 

Book Launch

Zum Tagungseinstieg wurden zwei neue Bände der AK-eigenen Buchreihe präsentiert. Wolfgang Muno (Rostock) stellte seinen Band „Planspiele und Politiksimulationen in der Hochschullehre“ vor. Er hob die Bedeutung aktivierender Lehrformate für die politikwissenschaftliche Hochschullehre heraus. Sein Band bietet eine systematische Einführung in Simulationsformate und befasst sich insbesondere mit den praktischen Herausforderungen der Vorbereitung und Durchführung von Simulationen. Er sprach sich dafür aus, Simulationen nicht als losgelöste Sonderveranstaltungen zu organisieren, sondern sie in Lehrveranstaltungen zu integrieren, um die Vor- und Nachbereitung didaktisch einzubetten. Die besten Simulationen seien aber diejenigen, in denen Lehrende selbst kaum in Aktion treten und die Studierenden selbst die Zügel in die Hand nehmen.

Als nächstes präsentierten Caroline Kärger (HAW Hamburg) und Judith Gurr (Lüneburg) ihren Band „Lernen im Dialog – aktivierende Methoden in der politikwissenschaftlichen Lehre“. Ihr Band war durch die verbreitete Erfahrung motiviert, dass in Seminaren Gespräche und Diskussionen manchmal nicht richtig in Gang kommen. Dabei sind dialogische und argumentative Kompetenzen für Studierende der Politikwissenschaft besonders wichtig, deshalb sei dies eine besonders wichtige Herausforderung. Das Buch fasst vielfältige Methoden zusammen, die Lehrende praktisch einsetzen können, um Studierende zum Dialog zu animieren. So sollen Studierende lernen, Ambiguitäten zu tolerieren und Gesprächskompetenzen zu entwickeln. Caroline Kärger und Judith Gurr hoben hervor, dass das Buch prinzipiell für alle Lehrenden im Fach hilfreich sein kann, aber auch eine gewisse Bereitschaft seitens der Lehrenden erfordert, sich auf den Dialog mit Studierenden einzulassen.

 

Panel 1: Simulationen

Zum Einstieg in die Tagung stellten Anne Goldmann, Arno von Schuckmann, Julia Schwanholz und Stefanie Delhees (Duisburg-Essen) einen im Entstehen befindlichen Aufsatz über die Nutzung von Planspielen vor. Neben einer systematischen Einführung in das Thema ist das Herzstück des Artikels die Vorstellung von zwei Planspielen, die an der NRW School of Governance regelmäßig in der Lehre eingesetzt werden. Das erste Planspiel simuliert den Gesetzgebungsprozess im nordrhein-westfälischen Landtag und wird auch physisch im Düsseldorfer Parlamentsgebäude abgehalten, um ein authentisches Setting anzubieten. Das zweite Planspiel befasst sich mit der parlamentarischen Demokratie am Beispiel des Bundestages. In der Diskussion wurden auch grundsätzliche Fragen zu Planspielen aufgeworfen, z.B. zur Bewertbarkeit von Spielleistungen sowie zu den Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Reflexionsphase.

 

Panel 2: Politische Theorie lehren – wofür und wie?

Der erste Beitrag war von Valerie Scheibenpflug (Wien) zur „Spannung zwischen Selbstzweck und Verwertbarkeit der politisch-theoretischen Lehre an Universitäten“. Sie definierte Theorie als zweckfreie Erkenntnis und wies damit zunächst die Frage nach dem Wozu einer politiktheoretischen Lehre zurück. Universitäten haben ein „philosophisches Moment“ und sollten sich Verwertungszusammenhängen entziehen, um eine kritische Distanz zur Gesellschaft einzunehmen. Außerdem verliere der/die studierende BürgerIn seine/ihre demokratische Mündigkeit, wenn die Universität schon von vornherein alle Lernziele festlege. Allerdings lädt dies Vorwürfe an die politische Theorie ein, sie sei lediglich ein intellektuelles Glasperlenspiel. Damit täte man der politischen Theorie jedoch unrecht, vielmehr sei die Theorie tief in Gesellschaft und Praxis verstrickt und sie könne und dürfe sich der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht entziehen. Dies könne man bereits an der Gründungsgeschichte der deutschen und österreichischen Politikwissenschaft sehen, die in der Nachkriegsphase ein demokratisch-emanzipatorisches und hoch politisches Projekt darstellte. Die Aufgabe der politischen Theorie sei also nicht die Belehrung, sondern darin, gesellschaftliche Erfahrungen zu reflektieren.

Im Anschluss stellte Mareike Teigeler (Lüneburg) ein Seminarkonzept aus der politischen Theorie vor. In ihrem Vortrag zum „Dilemma als Reflektions- und Debattenraum“ rückte sie das Lernziel in den Mittelpunkt, Studierenden Multiperspektivität und Entscheidungskompetenz zu vermitteln. Dazu sollen Studierende durch mehrere Kleingruppenarbeitsphasen Dilemmata in eigenen Erfahrungen herausarbeiten und in einem strukturierten Vorgehen sozial anerkannte Möglichkeiten des Umgangs damit entwickeln. Im Anschluss erfolgt eine gemeinschaftliche Reflexion der Anwendbarkeit abstrakter ethischer Prinzipien. Im Ergebnis zeigt sich, dass aber selbst durch Entscheidungen die fundamentale Unentscheidbarkeit von Dilemmata nicht dauerhaft überwunden werden kann. Dadurch lernen die Studierenden, dass es auf ein Problem unterschiedliche begründbare Antworten geben kann.

 

Roundtable: Kann man Zielerreichung in der Lehre messbar machen?

Lehre wird heutzutage ständig gemessen – in Lehrevaluationen, Akkreditierung, in Verfahren der landeseigenen Mittelverteilung. Aber (wie) kann dies sinnvoll geschehen? Zu dieser Frage diskutierten Stefan Handtke (Professor für Verwaltungsmanagement an der HTW Dresden, davor drei Jahre Geschäftsführer der Akkreditierungsagentur ACQUIN), Gero Federkeil (Leiter internationale Rankings am Centrum für Hochschulentwicklung) und Lasse Cronqvist (Trier).

Gero Federkeil stellte typische Indikatoren vor, die in Messverfahren des CHE und anderer Institutionen verwendet werden. Diese orientieren sich an zwei Maximen: Erstens sollte vor jeder Messung die Definition von Zielen stehen. Dabei zu beachten: die individuellen/internen Ziele politikwissenschaftlicher Institute stehen immer in Interaktion mit externen Vorgaben, z.B. Zielvorgaben von Hochschulleitungen oder aus der Landespolitik. Zweitens soll bei der Bewertung von Daten deren inhaltliche Validität höher gewichtet werden als deren Verfügbarkeit. Er argumentierte, dass Lehrinstitutionen in der Lehre individuelle Ziele explizit formulieren, ihre Erreichung überprüfen und die dafür erhobenen Daten kontextualisiert (z.B. Abgleich mit Zielgrößen, zeitlicher Verlauf, Vergleich mit anderen) interpretieren sollten. Dabei sollte auch auf qualitative Informationen zurückgegriffen werden, um sich nicht nur auf Kennzahlen zu verlassen.

Stefan Handtke berichtete aus seinen Erfahrungen im Akkreditierungswesen. Derartigen Verfahren liege der Gedanke von Qualitätssicherung und -entwicklung in Forschung und Lehre zugrunde, die im europäischen Hochschulraum eingeordnet und vergleichbar gemacht werden soll. Zur Umsetzung wurde ein europäischer Katalog von Standards formuliert, aber deren genaue Ausformulierung und Interpretation soll in der Autonomie der Hochschulen bleiben. Dabei blieben Zielvorgaben in Bezug auf die Lehre äußerst vage – in Akkreditierungsverfahren wird nicht mechanisch die Erreichung übergeordneter Ausbildungsziele überprüft, sondern gefragt, welche Zielsetzung ein Institut oder eine Hochschule sich selbst gibt und wie diese in Studienprogrammen umgesetzt wird. Ziele sollen sichtbar und diskutierbar sein, müssen aber nicht zwingend überprüfbar oder gar messbar sein, auch wenn es bei manchen Akteuren im Akkreditierungsrat Tendenzen in diese Richtung gibt. Viele Hochschulen wehren sich aber gegen Tendenzen eines kennzahlengestützten Bewertungssystems von Universitäten oder Studiengängen.

In der Diskussion ging es um den Spalt zwischen dem was gemessen wird und „guter Lehre“. Die vorhandenen Instrumente messen so alles mögliche, aber selbst aus einem Abschluss in Regelstudienzeit mit Bestnote kann man nicht ablesen, was Studierende tatsächlich gelernt haben. Dies können letztlich nur die Institute über ihre Prüfungen erledigen, was aber nicht gut vergleichbar ist. Es wurde außerdem thematisiert, dass die große Lehrautonomie im deutschen Wissenschaftssystem Versuche der Steuerung von Lehrleistungen oder des Qualitätsmanagements erschwert. Dies ist auch ein Grundkonflikt in der Systemakkreditierung, wenn Fakultäten diese als Eingriff in ihren autonomen Bereich verstehen. Ferner berichteten manche Teilnehmer, dass in Instituten das eigentlich intendierte Potenzial von Akkreditierungsverfahren, nämlich die strukturierte Entwicklung hochwertiger Studienangebote, durch die Zurschaustellung von Compliance verdrängt werde.

 

Mitgliederversammlung

Der SprecherInnenkreis berichtete von seinen Aktivitäten seit der letzten Mitgliederversammlung. Aufgrund des Endes der Amtszeit wurde der SprecherInnenkreis anschließend neu gewählt. Nahezu einstimmig (mit einer Enthaltung) wurden gewählt: Matthias Freise (Münster) und Lasse Cronqvist für zwei Jahre, Julia Reuschenbach und Volker Best (Bonn) für ein Jahr. Daniel Lambach (Frankfurt) schied aus dem Kreis der SprecherInnen aus.

In der Aussprache wurde der Wunsch nach fachspezifischen Qualifizierungsangeboten für Nachwuchslehrende geäußert. Eventuell ließe sich ein AK-Angebot auch in landesspezifischen Zertifikatsprogrammen anerkennen lassen. Dies könnte zeitlich an die Jahrestagung angedockt werden, um so auch die Beteiligung an den Tagungen weiter zu steigern. Außerdem sollte sich der AK stärker auf seine Jahrestagung konzentrieren und Zweitveranstaltungen nur noch in Ausnahmefällen organisieren, um seine Kräfte und seine Außenwirkung stärker zu bündeln.

 

Panel 3: Lehrkulturen und Selbstverständnisse

Christoph Weller (Augsburg) begann den zweiten Tag mit einem Vortrag zum Thema „Ziele, Mittel und Herausforderungen politischer Hochschullehre: Die ‚Augsburger Erklärung‘ im Feld der Friedens- und Konfliktforschung“. Er berichtete aus Diskussionen im AK Curriculum und Didaktik der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung, in der mit der Augsburger Erklärung ein Text mit Orientierungscharakter verabschiedet wurde, die auch die Wozu-Frage der Tagung beantworten helfen kann. Er riet zur Bearbeitung der Frage mit Studierenden und formulierte mit Aufklärung und Politisierung zwei zentrale Begriffe, um die diese Auseinandersetzung strukturiert werden kann.

Im Anschluss berichtete Carola Klöck von ihren Erfahrungen in der Hochschullehre in unterschiedlichen Ländern. Ihr Beitrag verglich die Lehrpraxis in Deutschland und Frankreich. Sie hob die Unterschiedlichkeit der institutionellen Rahmenbedingungen und Steuerungsinstrumente hervor, z.B. seien an den Sciences Po Abschlussarbeiten nicht verpflichtend und werden nur von einer Minderzahl von Studierenden geschrieben. Außerdem sei in Frankreich die Lehre tendenziell stärker auf die Vorlesung konzentriert und weniger diskursiv als in Deutschland. Ingesamt riet sie zu einer Nutzung deutsch-französischer Kooperationsangebote.

 

Panel 4: Kompetenzziele

Daniel Lambach stellte die Ergebnisse einer gemeinsam mit Carlo Diehl (Frankfurt) durchgeführten Auswertung von Lehrbüchern der Internationalen Beziehungen (IB) vor. Unter dem Titel „Selbstpräsentation und Lehrziele in IB-Einführungen – Spiegelbild einer fragmentierten Teildisziplin“ diskutierte er die Herausforderungen für Lehrende und Studierende sich den IB als einer pluralistischen (oder: fragmentierten?) Disziplin zu nähern. Die Lehrbücher dieses Bereichs bildeten diese Heterogenität ab, seien aber didaktisch oft zu unambitioniert und inhaltsorientiert. Er schloss seinen Vortrag mit einem Plädoyer dafür, dass sich IB-Lehrende selbstreflexiv mit ihrer Sicht auf die Teildisziplin auseinandersetzen müssten, um ihren Studierenden bei der Orientierung helfen zu können.

Anschließend präsentierte Johannes Schmoldt (Erfurt) einen Beitrag zum Thema „Redefähigkeit als Lernziel? Zur rhetorischen Dimension politischer Urteilsfähigkeit im Rahmen von Demokratieerziehung in der politikwissenschaftlichen Lehre“. Darin argumentierte er, dass der zentrale politische Bildungsauftrag der Politikwissenschaft in der Urteilsfähigkeit liege, womit er den Transfer zwischen Allgemeinem und Speziellem sowie die Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Standpunkten meinte. Seine zentrale These lautete, dass die Sprache das Grundelement des Sozialen und der Politik sei und dass man Urteilsfähigkeit auch mit Redefähigkeiten verbessern könne. Die Fähigkeit zur freien Rede sei somit auch ein Element einer allgemeineren Demokratiekompetenz und sollte daher didaktisch in unsere Lehre eingebunden werden.

 

Panel 5: Ausbildungsziele I: Forschungsorientierung und Lehrerbildung

Zunächst stellte Ignaz Völk die Ergebnisse einer „Netzwerkanalyse führender Ausbildungsinstitute der Politikwissenschaft in Deutschland“ vor, die er in Kooperation mit Simon Ullrich (beide Kopenhagen) durchgeführt hat. Damit möchten sie die Mechanismen der Selbstreproduktion des akademischen Feldes über die Ausbildungswege an deutschen Universitäten untersuchen. Dazu analysierten sie Lebensläufe von 126 ProfessorInnen an 11 politikwissenschaftlichen Instituten und codierten, wo diese wichtige Karriereschritte (MA/Diplom, Promotion, Habilitation) absolvierten. Dabei zeigte sich, dass ProfessorInnen teils mehrere Schritte am selben Institut absolvieren; man kann aber auch andeutungsweise „Pfade“ zwischen bestimmten sendenden und empfangenden Instituten erkennen.

Danach diskutierten Lara Möller (Wien) und Alexander Wohnig (Siegen) die Rolle der politikwissenschaftlichen Hochschullehre in der LehrerInnenbildung, wo sie einerseits fachwissenschaftliche Ausbildung, aber auch eine didaktische Handlungsfähigkeit vermitteln soll. Letztere bedarf Sinnbildungskompetenzen, die an subjektive Vorstellungen anknüpfen und diese zum Ausgangspunkt des Lernens machen. LehrerInnen werden heute mit einer Vielzahl von Anforderungen konfrontiert (z.B. Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Extremismusprävention, Förderung von Partizipation). Dabei beobachten Möller und Wohnung eine Individualisierung und Entpolitisierung von strukturellen Problemen durch angehende LehrerInnen und in einschlägigen Lehrmaterialien. Sie schlagen eine konfliktorientierte Politikdidaktik für die Ausbildung aktiver und mündiger LehrerInnen vor.

 

Panel 6: Ausbildungsziele II: Anwendungsorientierung

Im letzten Panel der Tagung stellte ein Team von Lehrenden vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen (UDE) ihr Konzept für die Masterstudiengänge des Instituts vor. Henrik Schillinger stellte in einem einleitenden Beitrag unter dem Titel „Nur eine Marketingstrategie? Was Anwendungsorientierung in den politikwissenschaftlichen Masterstudiengängen der Universität Duisburg-Essen tatsächlich bedeutet“ verschiedene Konzeptionen von Anwendungsorientierung vor. Matthias Freise kommentierte den anwendungsnahen Duisburger Ansatz aus Münsteraner Perspektive und formulierte eine Reihe von Fragen, die von Anne Goldmann, Daniel Lambach und Toralf Stark als RepräsentantInnen der drei Duisburger Masterstudiengänge beantwortet wurden. Dabei wurde deutlich, dass für Studierende Stichworte wie Anwendungs- und Praxisorientierung bei der Masterwahl durchaus wichtig sind, auch wenn sie dies oft auf Fragen der Berufsqualifizierung verengen. Wenn sich ein Institut mit derartigen Zielen identifiziert, muss dies aber glaubwürdig und konsistent umgesetzt werden, wofür es eine Reihe von Instrumenten und Modellen gibt.