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Forschendes Lernen mit Kooperationspartnern

Dies ist ein Gastbeitrag von Matthias Freise (Universität Münster).

Viele Prüfungsordnungen politikwissenschaftlicher Studiengänge schreiben forschendes Lernen als Bestandteil des Curriculums vor. Das gilt auch für die Universität Münster, wo ich seit 2009 als Akademischer Oberrat unterrichte. Problematisch ist allerdings, dass das Konzept des forschenden Lernens nirgends wirklich ausbuchstabiert wird und sich verschiedene Interpretationen seitens der Lehrenden etabliert haben. Meine folgenden Ausführungen präsentieren eigene Erfahrungen mit forschendem Lernen aus mehreren Semestern in Münster. Ich bemühe mich, Anregungen für ähnliche Kurse zu geben, erhebe aber selbstverständlich nicht den Anspruch, das einzig wahre Konzept forschender Lehre in der Politikwissenschaft entwickelt zu haben.

Leitmotiv meiner Lehre in politikwissenschaftlichen Masterstudiengängen ist die Einbeziehung außeruniversitärer Partnerinnen und Partner, die sich mit einer konkreten sozialwissenschaftlichen Fragestellung an die Studierenden wenden. Das hat aus meiner Sicht drei große Vorteile: (1) Die Motivation der Studierenden steigt ganz erheblich, da nicht für die Schublade gearbeitet wird. Im Idealfall hat das Forschungsprojekt einen Nutzwert für Auftraggeber und Studierende gleichermaßen. (2) Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass auswärtige Partnerinnen und Partner eine Disziplinierung vieler Studierender bewirken. Seitdem das Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen Anwesenheitspflichten an den Universitäten weitgehend verbietet, ist das Schwänzen in Münster weit verbreitet. In meinen Kursen ist es jedoch deutlich weniger stark ausgeprägt, da eine Blamagegefahr besteht: Scheitert die Forschung, muss das nicht nur gegenüber den Kommilitoninnen und Kommilitonen offengelegt werden, sondern auch gegenüber dem Auftraggeber. (3) Schließlich eröffnen sich mir als Lehrendem durch das forschende Lernen sehr nützliche Feldzugänge, die ich für meine eigene Forschung nutzbar machen kann. In drei Seminaren ist mir dies besonders gut gelungen.

Im Wintersemester 2013/14 kooperierte ich mit der Geschäftsstelle der Euregio (www.euregio.de), einem deutsch-niederländischen Kommunalverband mit Sitz in Gronau, der unter anderem für die Europäische Union die grenzüberschreitenden INTERREG-Programme verwaltet. Gemeinsam mit dem INTERREG-Referenten entwickelte ich ein Forschungsprojekt, bei dem die Studierenden der Frage auf den Grund gingen, wie nachhaltig europäische Strukturförderung eigentlich ist. Typischerweise folgen die Förderlinien von INTTERREG nämlich den Siebenjahreszeiträumen der europäischen Programmplanung. Während dieses Zeitraumes werden die Projekte durchaus evaluiert. Zeitigen die Projekte aber auch noch sieben Jahre nach Auslaufen eine Wirkung? Diese Frage untersuchten die zwölf Studierenden des Kurses, indem sie die 24 größten deutsch-niederländischen Förderprojekte aus der vorvergangenen INTERREG-Periode analysierten. Der Euregio-Referent besuchte den Kurs, erteilte den Studierenden einen offiziellen Forschungsauftrag und ermöglichte die Kontaktanbahnung mit den Interviewpartnerinnen und –partnern auf beiden Seiten der Grenze. Gemeinsam mit den Studierenden entwickelte ich das Forschungsdesign, das auf einer umfangreichen Dokumentenanalyse und einem halbstandardisierten Interview basierte. Ergebnis der Feldforschung waren 28 teiltranskribierte Interviews von beträchtlicher Länge, die ich mit den Studierenden in einem Abschlussbericht zusammenfasste, den wir zum Semesterende im Rahmen einer Pressekonferenz offiziell der Euregio-Geschäftsführerin überreichten. Erfreulicherweise stieß die Pressemitteilung auf große Resonanz in den lokalen Medien. In der abschließenden Seminarbewertung erzielte der Kurs in allen Belangen Bestnoten, wenngleich die Studierenden durchaus den vergleichsweise hohen Arbeitsaufwand monierten.

Ein anderes Seminar des forschenden Lernens führte ich zwei Jahre später im Wintersemester 2015/16 durch und bezog dabei das Projekt Zivilgesellschaft in Zahlen (www.ziviz.org) ein. Das Projekt untersucht im Auftrag des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft die Entwicklung zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland und führt dazu mehrere repräsentative Surveys durch. Da ich mit der Projektleitung über meine eigene Forschung gut bekannt bin, fiel es mir leicht, eine Kooperation zu vereinbaren. Ausgangspunkt des Seminars war ein Ergebnis der ersten Erhebungsrunde, die in Deutschland einen Boom von Fördervereinsgründungen seit Anfang der 1990er Jahre belegte. Während Vereine in Deutschland vergleichsweise sehr gut erforscht sind, gibt es bislang kaum Erkenntnisse über den Sondertyp des Fördervereins. Deshalb entschied ich mich, im Seminar mit den Studierenden eine aufwändige qualitative Studie einer lokalen Fördervereinslandschaft durchzuführen und zu eruieren, welche Funktionen Fördervereine für die lokale Zivilgesellschaft eigentlich genau erfüllen. Darüber hinaus stellt mir die ZiviZ-Projektleitung eine Sonderauswertung des Surveys zur Verfügung. Mit den Studierenden wertete ich dann das Vereinsregister der Stadt Münster aus und wählte aus den rund 1.000 Vereinen, deren Namen auf einen Förderverein hinwiesen, 70 Vereine aus, deren Vorstandsmitglieder die Studierenden auf der Grundlage eines halbstandardisierten Fragebogens interviewten. Die Ergebnisse unserer Befragung führten wir in vier Postern zusammen, die die Studierenden auf dem Münsteraner Stiftungstag sehr öffentlichkeitswirksam präsentierten. Zudem konnte ich die Forschung für zwei eigene Zeitschriftenbeiträge nutzen, darunter ein Beitrag in Voluntas, einer internationalen Zeitschrift mit Peer Review Verfahren und durchaus hohem Impact-Faktor. Erneut belegte die Auswertung der studentischen Lehrveranstaltungskritik die große Freude, die der Kurs den Studierenden bereitet hat. Der mit den Studierenden verfasste Abschlussbericht kann hier heruntergeladen werden.

Ein drittes Beispiel für forschendes Lernen mit Kooperationspartnern ist meine Zusammenarbeit mit dem Stiftung Westfalen-Initiative aus Münster (www.westfalen-initiative.de/). Die Stiftung setzt sich für die Stärkung Westfalens als Region ein und hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe an Marketing-Initiativen gestartet. Aber eignet sich Westfalen eigentlich als Regional-Marke? Mit dieser Frage trat der Geschäftsführer der Stiftung im Sommersemester 2016 an mich heran. Gemeinsam mit ihm konzipierte ich ein Seminar, bei dem die Studierenden 65 Mitarbeitende kommunaler und regionaler Marketingagenturen in ganz Westfalen besuchten und nach ihrer Einschätzung der Marke Westfalen baten. Zu Beginn des Semesters besuchte uns der Stiftungsgeschäftsführer im Seminar, erteilte den Studierenden einen offiziellen Arbeitsauftrag und erläuterte, weshalb seine Stiftung an den Ergebnissen interessiert ist. Daraufhin entwickelte ich mit den Studierenden ein Forschungsdesign und schickte den Kurs anschließend ins Feld. Dabei reizten wir das Semesterticket aus, denn die Gesprächspartnerinnen und –partner verteilten sich über ganz Westfalen, vom Hochstift im Osten, über das nördliche Ruhrgebiet, das Münsterland, das Sauerland und Ostwestfalen-Lippe. Ergebnis des Seminars war ein Forschungsbericht, den wir im Rahmen einer Pressekonferenz der Stiftung übergaben. Erfreulicherweise war auch hier die Presseberichterstattung umfangreich (vgl. z.B. hier) und die Studierenden gaben dem Kurs Bestnoten.

Auch wenn das Feedback der Studierenden natürlich sehr ermutigend ist, muss aus Sicht des Lehrenden doch auch darauf hingewiesen werden, dass Kurse unter Einbeziehung von externen Partnerinnen und Partnern auch mit einer Reihe von Herausforderungen einhergehen. Zunächst ist der Mehraufwand im Vergleich zu „herkömmlichen“ Kursen deutlich höher, vor allem in der Vorbereitungsphase. Zwar entfallen später im Semester einige Seminarsitzungen, da die Studierenden dann Feldforschung betreiben, der Aufwand für die Seminarplanung wird dabei aber mitnichten wettgemacht. Erfahrungsgemäß ist er etwa doppelt so hoch wie in einem Kurs ohne Forschungsprojekt. Problematisch ist bisweilen auch, dass die Kooperationspartner naturgemäß eigene Interessen mit der Zusammenarbeit verbinden. Als Dozent mache ich daher von Anfang an klar, dass ich keine Gefälligkeitsforschung betreibe und achte darauf, nicht allzu heikle Fragen zu untersuchen. Eine Evaluationsstudie, die den Auftraggeber blamiert, sollte vermieden werden. Durchaus unangenehme Ergebnisse ‒ wie sie beispielsweise in der Studie für die Stiftung Westfalen-Initiative zutage gefördert wurden ‒ sollten aber möglich sein und auch veröffentlicht werden. Schließlich ist die Benotung des forschenden Lernens nicht immer einfach, insbesondere dann, wenn Studierende Gruppenaufgaben bearbeiten. Ich muss hier selbstkritisch einräumen, dass ich bis heute keine abschließende Lösung dafür gefunden habe. Während ich in meinen Kursen für Bachelorstudierende zu den strengsten Lehrenden in Münster zähle, sind meine Noten in den Kursen des forschenden Lernens eher überdurchschnittlich gut.

Im Ergebnis kann Auftragsforschung für externe Kooperationspartner das politikwissenschaftliche Curriculum sehr bereichern. Für den Lehrenden geht damit jedoch sehr viel Arbeit einher. Richtig geplant, kann man jedoch auch sehr davon profitieren: Netzwerke können geknüpft, spannende Praktika und Abschlussarbeiten vermittelt werden. Nicht zuletzt habe ich aus meinen Kursen des forschenden Lernens auch Daten für eigene Veröffentlichungen gewinnen können: Zwei Aufsätze im Kumulus meiner kürzlich eingereichten Habilitationsschrift basieren maßgeblich auf den Vorarbeiten der Studierenden.

Politikwissenschaftliche Hochschullehre – Läuft bei Dir? Ein Bericht von der zweiten Jahrestagung

Zu ihrer zweiten Jahrestagung fand sich die Themengruppe am 9.-10. März 2017 an der RWTH Aachen zusammen (Programm). Unter dem Thema „Politikwissenschaftliche Hochschullehre – Läuft bei Dir?“ befasste sich die Tagung mit den drei Schwerpunkten Akteure, Kooperationen und Konzepte in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre. Die Tagung fand in Kooperation und mit tatkräftiger Unterstützung der Fachschaft der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften der RWTH statt.

Akteure

Die Tagung begann mit einer Podiumsdiskussion „Lehre im Fokus – Eine Diskussion zwischen Lehrenden und Studierenden“, moderiert von Mischa Hansel (Aachen). Von studentischer Seite nahmen Katrin Klubert, Patrick Schöner und Caner Dogan (alle Aachen) teil, die mit den Lehrenden Maike Weißpflug (Aachen) und Lasse Cronqvist (Trier) diskutierten. Themen waren die gegenseitigen Erwartungen und Rollenwahrnehmungen zwischen Lehrenden und Studierenden, die Herausforderungen einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft und die Balance zwischen Autonomie der Studierenden und Verantwortung der Lehrenden.

In der Diskussion wurde häufiger zwischen „pragmatischen“ und „idealistischen“ Studierenden unterschieden, die in Lehrveranstaltungen gleichermaßen erreicht werden müssten. Mehrere Beiträge verwiesen darauf, dass auch Pragmatismus eine legitime Einstellung sei, die durch die vielfältigen Sachzwänge außerhalb des Seminarraums induziert werden kann, aber eigenmotivierten Aktivitäten jenseits des Curriculums oder dem kreativen Scheitern skeptisch gegenübersteht. Die Studierenden wünschen sich ein gewisses Maß an Anleitung, vor allem zu Beginn des Studiums bzw. einer Lehrveranstaltung, sowie eine transparente Kommunikation von Anforderungen und Erwartungen. Um aber letztlich selbständig Lernen zu können, muss Studierenden die nötige Selbst- und Fachkompetenz vermittelt werden. Dazu gehört auch die Reflektion darüber, was die Politikwissenschaft ausmacht und welche Ziele mit dem Studium erreicht werden können und sollen.

Dieser Aspekt leitete bereits über zum anschließend von Carola Betzold (Göttingen) moderierten World Café zum Thema „Noten – Wie und Wofür?“, denn in der ersten Runde wurde hier nach dem spezifischen Kompetenzprofil der Politikwissenschaft gefragt. Hier wurde Politikwissenschaft als „Allrounder“-Ausbildung charakterisiert, die eine Vielzahl von Kompetenzen vermittelt, z.B. Methodenkenntnisse, Selbst-/Präsentationsfähigkeit, Analysekompetenz, Textkompetenz, eigenständiges Arbeiten, Offenheit für Interdisziplinarität, Selbstorganisation. Inwiefern sich dies von anderen Sozialwissenschaften unterscheidet, blieb offen; als eine mögliche Besonderheit der Politikwissenschaft wurde angeführt, dass AbsolventInnen in der Lage sein sollten, politische Argumente zu analysieren, zu artikulieren und zu kritisieren. Hier schlug Matthias Freise (Münster) vor, PolitikwissenschaftlerInnen als „Deliberationsprofis“ zu umschreiben.

In den beiden folgenden Runden ging es um Evaluationsmethoden und um Lehr-Lernmethoden, um dieses Kompetenzprofil zu erreichen. Hier wurde die Bedeutung von Constructive Alignment in der Planung hervorgehoben, um diese Elemente miteinander in Einklang zu bringen. Ferner hoben mehrere Beiträge die Bedeutung von regelmäßigem Feedback und der Möglichkeit von Metareflexion, also dem Nachdenken über das eigenen Lernen, hervor. Allerdings wurden auch auf institutionelle Rahmensetzungen, z.B. Prüfungsordnungen oder zeitliche/räumliche Einschränkungen, hingewiesen, die die Anpassung von Formaten an unterschiedliche Kontexte notwendig mache.

Kooperation

Im Panel „Gemeinsam statt einsam – Expertise von außen?“, moderiert von Daniel Lambach (Duisburg), wurden vier Beiträge präsentiert, die sich mit Kooperationsformaten in der Lehre befassen. Als erstes stellte Matthias Freise (Münster) verschiedene Seminarformate im Format des Service Learning vor, die er in Kooperation mit externen Partnern durchgeführt hat. Dabei hob er die Herausforderungen und die Vorteile derartiger Zusammenarbeit hervor. So sind die TeilnehmerInnen dieser Seminare wegen des außeruniversitären Praxisbezugs oft hoch motiviert und evaluieren die Lehrveranstaltungen sehr gut. Danach präsentierte Kai-Uwe Schnapp (Hamburg) mit dem „Projektbüro Angewandte Sozialforschung“ eine Struktur, die jedes Jahr große Gruppen von Studierenden in Praxisprojekte vermittelt, in deren Rahmen sie empirische Methodenkenntnisse anwenden sollen. Er hob insbesondere das organisatorische Verfahren und die damit verbundenen Herausforderungen, gerade auch außerhalb der Semesterzeiten, hervor.

Dorte Hühnert und Kristina Kähler (Duisburg-Essen) präsentierten ein Beispiel für eine hochschulinterne Kooperation. Dabei wurden Studierende aus Dorte Hühnerts Seminar zur Friedens- und Konfliktforschung in der „Referate-Werkstatt“ von Kristina Kähler in mündlicher Kommunikation und Präsentation geschult. Dies stellt ein gutes Beispiel dar, wie durch Kooperation die Vermittlung von Fach- und Schlüsselkompetenzen in eine produktive Balance gebracht werden kann. Abschließend stellte Julia Reuschenbach (Bonn) in einem Erfahrungsbericht vor, wie Lehrveranstaltungen – insbesondere Exkursionen – mit außeruniversitären Partnern gestaltet werden können. Dabei betonte sie die Vorzüge der Berufsorientierung und der Praxiskontakte für Studierende, warnte aber, dass die Kooperationen durch die unterschiedlichen Organisationslogiken von Hochschulen und externen Partnern nicht ohne Reibungsverluste ablaufen.

Den ersten Tag schloss das Panel „Publizieren über die Lehre“ ab, das von Julia Reuschenbach moderiert wurde. Eingeleitet wurde dies von Daniel Lambach (Duisburg-Essen) mit einem Vortrag zu Publikationsmöglichkeiten und –strategien, in dem er seine Erfahrungen aus eigenen Publikationsprojekten (vor allem dem Publizieren in Zeitschriften und Journalen) zusammenfasste. Dabei unterschied er verschiedene Fachpublika (in der Politikwissenschaft, der Politischen Bildung und der allgemeinen Didaktik) und unterschiedliche Textformate (die Fallbeschreibung, Lehr-Lern-Forschung). Im Anschluss stellte Matthias Freise ein Buchprojekt vor, für das er noch MitherausgeberInnen und AutorInnen sucht. Es geht dabei um ein Praxishandbuch zur politikwissenschaftlichen Hochschullehre, in dem Lehrformate für Lehrende aus dem Fach anwendungsnah und auf Erfahrungsbasis aufbereitet werden. Julia Reuschenbach kündigte eine Buchreihe zur politikwissenschaftlichen Hochschullehre an. Der Wochenschau-Verlag will, analog zu bereits vorhandenen Angeboten für andere Fächer, eine „Kleine Reihe Hochschuldidaktik Politikwissenschaft“ auflegen, in der Bücher von 60-100 Seiten zu verschiedenen Aspekten der Hochschullehre erscheinen sollen. Als HerausgeberInnen der Reihe soll das SprecherInnen-Team der Themengruppe fungieren. In der Diskussion wurde mehrfach hervorgehoben, dass zwischen dem geplanten Buchprojekt und der „Kleinen Reihe“ keine Konkurrenz bestehe. Vielmehr bestehe die Möglichkeit, Texte unterschiedlicher Länge zum selben Thema in verschiedenen Formaten zu publizieren. Die Themengruppe freut sich hier über Themenvorschläge und interessierte Autoren.

Konzepte

Der zweite Tag begann mit dem von Julia Reuschenbach moderierten Panel „Bewährte Konzepte, neue Ideen“. Als erste sprach Dannica Fleuß (HSU Hamburg) über kollaboratives Gedankenexperimentieren im Hörsaal, d.h. das gemeinsame Nachdenken über normative Fragen. Gedankenexperimente über Szenarien und Dilemmasituationen geben eine Struktur, innerhalb derer Studierende anhand konkreter Entscheidungssituationen systematisch nachdenken und argumentieren lernen. Die Antworten der Studierenden lassen sich dann auf Theorien rückbeziehen und darin einordnen, was dem oft geäußerten Vorwurf der Praxis- und Handlungsferne politischer Theorie entgegenwirkt. Danach stellte Lasse Cronqvist ein Seminarkonzept vor, um studentisches Schreibvermögen zu entwickeln. In seinem Seminar schreiben die Studierende einen kurzen Essay zu einer vorgegebenen Fragestellung schreiben und stellen diesen in der Veranstaltung vor – dadurch erhalten sie Schreibübung und die mündlichen Beiträge sind deutlich besser als die sonst eher faktenbasierten Referate.

Sebastian Schmitz (Aachen) gab eine Übersicht über ein fachbereichsweites Projekt zum Einsatz von Lehrvideos in der Studieneingangsphase. Studierende der Gesellschaftswissenschaften erhalten damit ein interdisziplinäres Propädeutikum zum wissenschaftlichen Arbeiten; die Videos sollen aber auch für den weiteren Studienverlauf hilfreich sein. Zum Abschluss berichtete Volker Best (Bonn) von einem Masterseminar, in dem Studierende eine Plakatkampagne für die Parteien der Bundestagswahl 2017 gestalten sollten, nachdem sie sich auch politisch wie historisch mit dem Thema Wahlkampf und Wahlwerbung auseinandergesetzt haben. Auf diese Weise werden Fachkompetenzen vermittelt und in kreativer Form umgesetzt. Die mitgebrachten Ergebnisse überzeugten durch ein inhaltlich wie gestalterisch überaus professionelles Niveau.

Das Panel „Beyond MUN – Simulationen und Debatten“, moderiert von Daniel Lambach behandelte unterschiedliche Simulations- und Debattenformate jenseits der bereits bekannten Model United Nations. Einleitend fragte Robert Lohmann (Passau) in seinem Vortrag, ob experimentelle Politiksimulationen eine Prognosefunktion erfüllen können oder „nur“ Lehr-Lern-Formate bleiben? Er untersucht dies am Beispiel des „Parlaments der Generationen“, einer Politiksimulation zum demografischen Wandel, die gemeinsam mit der Akademie für politische Bildung Tutzing und dem Bayerischen Landtag realisiert wurde. Eine Befragung ergab, dass die TeilnehmerInnen das Lernen im Vordergrund sahen, ExpertInnen darin aber auch Prognosemöglichkeiten sehen.

Julia Drubel (Gießen) stellte eine Simulation der Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention vor. Im Vordergrund stand hier „situiertes Lernen“, d.h. das Bemühen um Authentizität und die Verankerung der Lernerfahrung im realen Beispiel, um Studierende zum Perspektivwechsel anzuregen. Danach sprach Mischa Hansel über seine Erfahrungen mit studentischen Debatten als Mittel zur Einführung in Kontroversen der Friedens- und Konfliktforschung. Diese Debatten behandeln einerseits analytische Fragen (Sind Demokratien friedfertiger?) und andererseits strategische Fragen (Welche Politik kann daraus folgen?). Dabei legt er Wert auf die Infragestellung vermeintlicher Gewissheiten und auf eine umfangreiche Reflexionsphase nach den eigentlichen Debatten.

Abschluss

In der Abschlussrunde zog Julia Reuschenbach für die SprecherInnen ein Fazit der Tagung. Drei Punkte kristallisierten sich als besonders bedeutsam heraus:

  1. Was sind fachspezifische Elemente politikwissenschaftlicher Hochschullehre und welche Chancen und Möglichkeiten bieten uns diese?
  2. Der Umgang mit einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft. Welche Antworten kann fachspezifische politikwissenschaftliche Hochschullehre hier geben?
  3. Welche Möglichkeiten gibt es zur intensiven und aktiven Einbeziehung von propädeutischen Elementen in die Hochschullehre?

Julia Reuschenbach betonte, dass die Themengruppe mit dem geplanten Format „Kleine Reihe Hochschuldidaktik“ die Forschung und Debatte über Hochschullehre stärken möchte und auch Projekte wie das angedachte Praxishandbuch von Matthias Freise hierzu einen wichtigen Beitrag leisten können. Abschließend erläuterte das SprecherInnen-Team, dass die Themengruppe mit einem eigenen Panel auf der Sektionstagung „Politische Bildung“ am 5.-6. Oktober 2017 in Münster sowie mit zwei Panels bei der Sektionstagung „Internationale Beziehungen“ am 4.-6. Oktober 2017 in Bremen vertreten sein wird. Daniel Lambach wies zudem erneut darauf hin, dass auch zahlreiche nationale wie internationale Vereinigungen inzwischen zunehmend auch eigene Panels zum Bereich „Lehre“ in ihre Tagungen und Veranstaltungen integrieren. Kai-Uwe Schnapp gab an, als Redakteur der PVS in der DVPW auf der nächsten Redaktionskonferenz gezielt die Einbindung des Themas „Lehre“ oder auch die Vorstellung von Lehrkonzepten innerhalb der PVS-Ausgaben vorzuschlagen.

Jahrestagung Politikwissenschaftliche Hochschullehre 2017 – Programm und Anmeldeinformationen

Vom 9-10. März 2017 veranstaltet die DVPW Themengruppe Hochschullehre ihre zweite Jahrestagung, diesmal an der RWTH Aachen. Unter dem Titel „Politikwissenschaftliche Hochschullehre – Läuft bei dir?“ möchten wir in verschiedenen thematischen Panels unseren Austausch über Hochschullehre in der Politikwissenschaft fortsetzen, den wir bei der sehr erfolgreichen ersten Tagung in Bonn begonnen hatten.

Im Programm haben wir Beiträge zu Kooperationen in der Lehre (z.B. zum forschenden Lernen und Service Learning), zum Publizieren über die Lehre, zu Simulationen jenseits der bekannten Model United Nations-Formate und zu kreativen Ideen für bewährte Lehrkonzepte, außerdem eine Diskussion mit Studierenden über die gegenseitigen Erwartungen in der Lehre.

Neugierig geworden? Hier ist das vollständige Programm (pdf) zum Download.

Die Anmeldung ist bis zum 24. Februar 2017 per Mail an mischa.hansel@ipw.rwth-aachen.de möglich. Eine gibt eine Teilnahmegebühr von 20 Euro (entfällt für Studierende).

Wir freuen uns darauf, Sie zahlreich in Aachen begrüßen zu dürfen.

Call for Papers: Jahrestagung 2017 der DVPW-Themengruppe Hochschullehre, 9.-10. März 2017 in Aachen

Unter dem Titel „Politikwissenschaftliche Hochschullehre – Läuft bei dir?“ veranstaltet die DVPW-Themengruppe Hochschullehre am 9-10. März 2017 ihre zweite Jahrestagung, diesmal an der RWTH Aachen. Eine Webseite für die Tagung ist hier zu finden. Diesen Call kann man auch als pdf herunterladen.

Unter dem Titel „Politikwissenschaftliche Hochschullehre – Läuft bei dir?“ möchten wir in verschiedenen thematischen Panels unseren Austausch über Hochschullehre in der Politikwissenschaft fortsetzen. Geplant sind Panels mit Vorträgen, Austausch-Cafés, ein Abendvortrag sowie ein gemeinsames Poster-Breakfast.

Vorschläge für Vorträge oder Posterbeiträge können vom 15. November 2016 bis zum 6. Januar 2017 per Mail bei der Sprecherin Julia Reuschenbach M.A. (julia.reuschenbach@uni-bonn.de) eingereicht werden. Im Anschluss daran werden wir bis zum 31. Januar 2017 das Programm zusammenstellen und veröffentlichen. Bitte fügen Sie Ihrem Vorschlag folgende Informationen bei:

  • kurze biografische Vorstellung
  • Präferenzen für den Vortragszeitraum (morgens/nachmittags; Do./Fr.)
  • benötigte Technik

Bitte beachten Sie, dass Vorträge eine Länge von 15 Minuten nicht überschreiten sollen. Das gemeinsame Poster-Breakfast wird am Freitagmorgen stattfinden.

Für alle Fragen stehen die drei SprecherInnen der Gruppe gerne zur Verfügung: Dr. Daniel Lambach (lambach@uni-due.de), Julia Reuschenbach (julia.reuschenbach@uni-bonn.de) sowie Dr. Mischa Hansel (mischa.hansel@ipw.rwth-aachen.de).

 

Unser Fokus: Akteure – Konzepte – Kooperationen

Akteure

Neuere politikwissenschaftliche Lehr- und Lernformen sind oft verbunden mit der Erwartung eines Rollenwechsels der Beteiligten und insbesondere einer Relativierung der klassischen Dichotomie von Dozierenden und Lehrenden. Zudem ist zu vermuten, dass sich auch infolge einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft das Selbstverständnis der Lernenden verändert und weiter ausdifferenziert. Inwiefern etwa können Studierende im Sinne des forschenden Lernens in die Rolle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schlüpfen? Was erfordert die Rolle einer Moderatorin/eines Moderators in der Lehrsituation? Wie ist diese Rolle mit der Rolle als Prüferin und Prüfer vereinbar? Wie sollten Studierende als Peer Reviewer agieren und untereinander konstruktive Kritik üben? Diese und weitere Anforderungen und Erwartungen treffen immer auch auf institutionelle Rahmenbedingungen (insbesondere Studien- und Prüfungsordnungen). Über Akteure in der Hochschullehre zu diskutieren, kann daher auch bedeuten, über institutionelle Spielräume zu sprechen, in denen der Rollenwechsel unterstützt werden kann. Schließlich können Beiträge auch die Effekte veränderter Akteursverständnisse (Motivation, veränderte Gruppendynamiken, Zielkonflikte etc.) in den Blick nehmen.

Konzepte

Konzepte sind wie Floskeln: Es gibt sie wie Sand am Meer und man muss nicht jedes Rad neu erfinden. Um den Austausch über das Neue oder das wiederentdeckte Alte zu ermöglichen, sollen zum Thema Konzepte vor allem Ideen zur politikwissenschaftlichen Hochschullehre sowie Erfahrungen zu deren praktischer Umsetzung diskutiert werden. Wir suchen dabei zweierlei: Erstens Beispiele für ungewöhnliche Veranstaltungskonzepte, Lehrmethoden und Prüfungsformate – entweder selbst erdachte oder solche, die anderen Fächern entlehnt wurden. Dies umfasst große Entwürfe ebenso wie kleine Veränderungen. Zweitens eine Auseinandersetzung mit tradierten Konzepten: Wofür eignen sich diese und wie holt man das Beste aus ihnen heraus? Hier ist ebenfalls interessant, welche Auswirkungen die Veränderungen der Studienstruktur (Stichwort Bologna) und in der Studierendenschaft auf die Dynamiken bekannter Lehrformen haben.

Kooperationen

In „Drittmittel-Zeiten“ werden Kooperationen in Forschung und Lehre sehr geschätzt. Zugleich bedeuten gemeinsame Veranstaltungen mit externen Partnern häufig einen großen Arbeits- und Organisationsaufwand. Wie hier die Waage halten? Im Themenfeld „Kooperationen“ möchten wir vielfältige Beispiele von Kooperationen in der Lehre vorstellen und hinsichtlich ihrer Entstehung und ihrer Vor- und Nachteile und ihrem Mehrwert für die Lehre diskutieren. Willkommen sind dabei jedwede Kooperation von der zweistündigen interdisziplinären Seminarsitzung (Co-Teaching) bis hin zu Exkursionen oder semesterübergreifenden Projekten (Service Learning, universitätsübergreifende Lehre). Daneben sind auch reflektierende Fragen zu Kooperationen als solches, zum Selbstverständnis darin beteiligter Akteure sowie der Akzeptanz solcher Formate in den universitären Strukturen herzlich willkommen.

Dies und Das – von allem was

Das klingt alles interessant, aber Ihr Thema/Ihre Idee lässt sich hier schwerlich verorten? Wie wäre es mit einem Austausch zu Ihrem Thema im Rahmen einer kleinen „Café-Runde“? Lassen Sie uns wissen, wenn Sie weitere spannende Beiträge zur politikwissenschaftlichen Hochschullehre haben – vielleicht für unsere Tagung, oder aber auch für unser Online-Kolloquium oder andere Veranstaltungen der Themengruppe in der Zukunft.

Was bedeutet Forschendes Lernen: Begriff, Einsatzmöglichkeiten und Wirkung?

Ein Gastbeitrag von Wolfgang Deicke (bologna.lab der Humboldt-Universität zu Berlin).

Die Frage, was ‚Forschendes Lernen’ ist und wie es in der Politikwissenschaft am besten eingesetzt werden kann, lässt sich am besten über eine schrittweise Annäherung klären. In Deutschland kann die Diskussion um das Forschende Lernen auf ein Papier der Bundesassistentenkonferenz (BAK, 1970) zurückgeführt werden. Damals ging es – im Kontext einer massiven Erweiterung des Hochschulsektors – vorrangig darum, allen Studierenden die aktive Teilnahme an und Erfahrung von ‚Forschung’ im Studium zu erhalten bzw. zu ermöglichen. Vierzig Jahre und eine weitere Million Studienplätze später erfreut sich das ‚Forschende Lernen’ im Zusammenhang der Bologna-Reform und der Diskussion um die Verschulung des Hochschulstudiums als Lehr-Lernkonzept erneut eines großen Interesses – und das obwohl (oder vielleicht gerade weil?) es keine verbindliche Einigung über die Definition und Umsetzung des Forschenden Lernen und nur wenige Erkenntnisse zu seiner Wirksamkeit gibt.

Folgt man Ludwig Huber (2014) – ehemaliges BAK-Mitglied und Mitinitiator der deutschen Diskussion um Forschendes Lernen – ist es für das Forschende Lernen essentiell, dass die Studierenden so eigenständig wie möglich einen gesamten Forschungszyklus durchlaufen und an wesentlichen Phasen des Forschungszyklus (Findung der Fragestellung, Entwicklung des Forschungsdesigns, Erhebung und Auswertung der Daten, Aufbereitung und Präsentation der Ergebnisse, Reflexion) aktiv beteiligt sind. Weiter sollen sie sich als Teil einer wissenschaftlichen Gemeinschaft erleben und im Rahmen der Forschung Ergebnisse erzielen, die für Dritte von Interesse sind (2014: 25). Aufbauend auf dieser Definition versucht Huber anschließend, das Forschende Lernen als Konzept sprachlich von anderen, verwandten Termini – wie z.B. forschungsbasierter Lehre, forschungsbezogener Lehre und forschungsorientierter Lehre abzugrenzen (s. Huber, 2014).

Im bologna.lab sind wir auf einem anderen Weg zu ähnlichen Abgrenzungen gekommen. Im Rahmen einer Curriculumsanalyse an der Humboldt-Universität haben wir – aufbauend auf Healey und Jenkins (2005) – versucht zu erfassen, wie sich Forschung und Lehre in der Praxis verbinden lassen (Rueß, Gess und Deicke, 2016).

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Die x-Achse der Matrix (Abb. 1) erfasst hierbei den Grad der Aktivität der Studierenden, die y-Achse den wesentlichen Fokus der jeweiligen Lehrveranstaltung. In der unteren Zeile dieser Matrix wären demnach zum Beispiel Vorlesungen zu verorten, in denen den Studierenden Forschungsergebnisse, Methoden oder Prozesse vorrangig durch die Lehrenden vermittelt bekommen. In der zweiten Zeile würden wir interaktivere Formate wie Seminare oder Übungen verorten (insofern sie tatsächlich Raum für studentische Beteiligung und Auseinandersetzung bieten und nicht – wie viele klassische Referate-Seminare – lediglich die Rolle des Wissensvermittlers temporär an eine*n Student*in delegieren). Studentische Forschung im eigentlichen Sinne beginnt für uns in der dritten Zeile – also dort, wo die Studierenden eigenständig aktiv werden. Hier lassen sich nach unserem Verständnis zwei unterschiedliche Typen Forschenden Lernens unterscheiden (Abb. 2):

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Bei dem ersten Typ wird ‚Forschung’ als didaktisches Mittel z.B. zur eigenständigen Erarbeitung von für die Studierenden neuem Fachwissen oder der vertieften Auseinandersetzung mit einer bestimmten Methode eingesetzt. Eigentliches Ziel dieser Veranstaltungen sind jedoch das erworbene Fachwissen bzw. die methodischen Fähigkeiten und Kenntnisse. Beim zweiten Typ ist – entsprechend der Huber’schen Definition – die Forschung Selbstzweck: Hier geht es primär um die Beantwortung einer Forschungsfrage und die Erfahrung des Forschungsprozesses mit dem Ziel, Forschen zu lernen. Für Lehrende ist dies ein feiner, aber entscheidender Unterschied: Veranstaltungen vom Typ 1 sind relativ gut planbar (und auch bewertbar), weil den Lehrenden der Gegenstand der Forschung (Wissen, Methoden) und damit auch die möglichen Ergebnisse bereits bekannt sein können und nur für die Studierenden subjektiv ‚neu’ sind (s. auch Reiber, 2007). Typ 2 hingegen ist – wie die eigene Forschung auch – nur bedingt plan- und steuerbar: Hier geht es primär um die Beantwortung einer selbst (mit)entwickelten Forschungsfrage, deren Antwort im Vorfeld eben noch nicht bekannt ist. Im Fall des Gelingens entsteht hier ein erster wissenschaftlicher Beitrag zum eigenen Fach, im Fall des Nicht-Gelingens erste Erfahrungen um die Komplexität und Unwägbarkeit von Forschung.

In den Politik- und Sozialwissenschaften fallen – mit jeweils mehr oder weniger großen empirischen Anteilen – formal oftmals bereits fortgeschrittene Hausarbeiten oder die Bachelorarbeit in studentische Forschung vom Typ 1: Hier erschließen sich Studierende eigenständig unter Anleitung/Begleitung ihrer Betreuer*innen für sie neues Wissen und durchlaufen dabei wichtige Phasen des Forschungskreislaufes. Spätestens mit der Abschlussarbeit im Master sollte dann der Übergang zum Forschenden Lernen im Sinne Ludwig Hubers stattfinden: Hier durchlaufen die Studierenden in der Regel eigenständig einen gesamten Forschungskreislauf und können/müssen eine selbst entwickelte Fragestellung beantworten. Forschendes Lernen als didaktisches Format soll und will jedoch mehr sein als nur die Vorbereitung der Studierenden auf ein Leben in der Humboldt’schen ‚Freiheit und Einsamkeit von Forschung’: Es soll ein sozialer Prozess sein, in dem sich die Studierenden aktiv als Teil einer wissenschaftlichen Gemeinschaft erfahren und reflektieren können, ein Prozess in dem sie sich gemeinsam Wissen erarbeiten, Forschung gemeinsam planen und durchführen und gemeinsam Verantwortung für die Sicherung, Aufbereitung und Verwendung der Ergebnisse übernehmen. Die Betonung liegt hier auf dem Gemeinsamen: Werden Haus- und Abschlussarbeiten in der Regel in Einsamkeit und viel zu häufig nur für die Schublade der Prüfer*innen produziert, geht es beim Forschenden Lernen darum, den Prozess der gemeinsamen wissenschaftlichen Wissensproduktion in den Mittelpunkt zu stellen und erfahrbar zu machen. Entsprechend liegt die größte Herausforderung für Lehrende im Forschenden Lernen darin, aus der tradierten Rolle der Wissensvermittlerin und des Prüfers herauszutreten und statt dessen zum Moderator bzw. zur Begleiterin eines gemeinsamen Lern- und Forschungsprozesses der Studierenden zu werden bzw. sie an diesem möglichst gleichberechtigt teilhaben zu lassen. Als etablierte organisatorische Form entsprechen diesem Anspruch am ehesten Projektseminare und gut geführte Kolloquien, als Arbeits- und Organisationsmodel am ehesten Forschungsgruppen.

Damit wird bereits deutlich, dass Forschendes Lernen vom Typ 2 ‚Forschen’ als didaktisches Format sowohl für Studierende wie für Lehrende ziemlich anspruchs- und voraussetzungsvoll und für Hochschulen ressourcenintensiv ist. Diese Einsicht darf unserer Meinung nach jedoch nicht dazu missbraucht werden, Forschendes Lernen vom Typ 2 bis zur Masterarbeit ‚aufzuschieben’ weil es „vorher einfach nicht geht“. Ein gut gestricktes, forschungsorientiertes Curriculum sollte die Studierenden so früh wie möglich mit Forschung in Berührung bringen und ihnen Gelegenheit zur aktiven Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen, Methoden und Prozessen bieten. Dabei hilft es ungemein, wenn nicht jede*r Lehrende das Gefühl hat, alle Aspekte von Forschung in jeder eigenen Lehrveranstaltung selbst abdecken zu müssen. Der Druck auf Lehrende und Studierende kann erheblich gemindert werden, wenn man die Huber’sche Forderung, dass alle Studierenden mindestens einmal in ihrem Studium einen gesamten Forschungsprozess durchlaufen sollten, zeitlich etwas entzerrt und die einzelnen Phasen und Aspekte des Forschungszyklus sinnvoll über verschiedene Module und Lehrveranstaltungen verteilt. Unserer Erfahrung nach kann die Klassifizierungsmatrix (Abb. 1) hier als sinnvolles Instrument zur Planung der eigenen Veranstaltungen und der Absprache mit anderen, am gleichen Modul oder Studiengang beteiligten Kolleg*innen dienen.

Bleibt die Frage, ob sich der Aufwand lohnt. Basierend meiner eigenen Lehrerfahrung und auf den positiven Rückmeldungen der Studierenden und Lehrenden zum Q-Programm ist meine Antwort ein klares ‚Ja’. Als Empiriker bin ich etwas zurückhaltender: Gesicherte Erkenntnisse zu den Wirkungen des Forschenden Lernens gibt es bisher nur wenige. In der Beforschung unserer eigenen Angebote im Q-Programm haben wir 2012-13 in zwei Durchgängen versucht, die Wirkungen der Teilnahme am Q-Programm auf das Forschungsinteresse und die forschungsbezogene Selbstwirksamkeit der Studierenden zu erheben. Über das Programm in seiner Breite konnten wir kaum Veränderungen feststellen – was zum einen an der sehr unterschiedlichen Umsetzung der einzelnen Veranstaltungen gelegen haben könnte (nicht alles, was hier anfangs lief, war Forschendes Lernen von Typ 1 oder 2), zum anderen ein Effekt von Selbstselektion gewesen sein könnte: Veranstaltungen des Q-Programms werden im Wesentlichen im überfachlichen Wahlbereich angeboten (d.h. die Teilnehmer*innen könnten z.B. beim Einstieg in das Q-Programm bereits ein hohes intrinsisches Forschungsinteresse ‚mitgebracht’ haben). Was wir jedoch beobachten konnten war ein deutlicher Zuwachs in Forschungsinteresse und Vertrauen in die eigene Forschungskompetenz in den Veranstaltungen, in denen die Studierenden Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit aktueller Forschungsliteratur, der Entwicklung von Forschungsfragen und –designs erlebten (Deicke, Gess und Rueß, 2014).

Aufbauend auf diesen Ergebnissen untersuchen wir im Rahmen des Verbundprojekts ForschenLernen zur Zeit in einem etwas aufwendigeren Design an 10 deutschen Hochschulen die Wirkung von Forschendem Lernen in den Sozialwissenschaften mit Blick sowohl auf die kognitiven wie auch auf die affektiv-motivationalen Facetten sozialwissenschaftlicher Forschungskompetenz – erste Ergebnisse hierzu werden 2017/18 vorliegen. Mit leicht anderem Fokus untersucht das Verbundprojekt FideS derzeit die Möglichkeiten zum Einsatz von studentischen Forschungsprojekten in der Studieneingangsphase. Aufbauend auf amerikanischen Studien ist hier die Fragestellung, ob Forschendes Lernen zur Erhöhung der Studienmotivation und der Identifikation mit dem eigenen Fach und der Hochschule beitragen und somit ein wirksames Mittel gegen hohe Studienabbruchquoten darstellen kann. Auch hier werden erste Ergebnisse mit Abschluss des Projekts 2017/18 erwartet.

Abschliessend feststellen, dass das Forschende Lernen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das Wundermittel ist, mit dem sich alle ‚Bologna’-Probleme über Nacht lösen lassen. Für Lehrende und Studierende, die sich für die Verbindung von Forschung und Lehre interessieren und bereit sind, auch über den Tellerrand der eigenen Disziplin zu blicken, sind im Umfeld des Qualitätspakts Lehre und etlicher Hochschulinitiativen viele spannende Projekte (AG Forschendes Lernen, https://fl.incom.org/) und Anregungen zum Thema entstanden (Egger et al., 2015; Sonntag et. al., 2016; Mieg und Lehmann, 2016).

Quellen und weiterführende Literatur:

Dies ist ein Beitrag aus unserer Serie zum Forschenden Lernen, die aus dem Workshop zum selben Thema hervorgegangen ist.

Visualisierung von Wolfgang Deickes Vortrag zum forschenden Lernen

Zum Vortrag von Wolfgang Deicke (hier sein Blogpost) hat Wiebke Anton (LMU München) diese wunderbare Mind Map gezeichnet und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Forschendes Lernen

Wer mehr über Wolfgang Deickes Forschung zum forschenden Lernen lesen will, findet eine Reihe von Publikationen und Projekten auf seiner Seite bei Researchgate.

Dies ist ein Beitrag aus unserer Serie zum Forschenden Lernen, die aus dem Workshop zum selben Thema hervorgegangen ist.

Schwierige Datenlage? Ein methodisches Lehrforschungsprojekt zum Thema Global Crime Governance

Ein Gastbeitrag von Jasmin Haunschild (TU Braunschweig).

Gerade in den Internationalen Beziehungen ist die Qualität verfügbarer Daten und ihre Vergleichbarkeit häufig sehr kritisch zu betrachten. Besonders in Fragen um Crime Governance, dem Schwerpunkt des Lehrstuhls für IB in Braunschweig, in dem Dunkelzahlen und politisierte „guesstimations“ vorherrschen und auch viele qualitative und ethnografische Designs nur bedingt umsetzbar sind, wiegen Datenherausforderungen umso gravierender. Dadurch entsteht eine enge Rückbindung an methodische Fragestellungen. Was sind die jeweiligen typischen Herausforderungen bei qualitativer und quantitativer Forschung? Wie können trotzdem wissenschaftlich fundierte Aussagen getroffen werden?

In einem Lehrforschungsprojekt innerhalb eines weiterführenden Methodenmoduls mit 6 ECTS im BA-Studiengang Integrierte Sozialwissenschaften wurden diese Herausforderungen in Gruppenarbeit zu verschiedenen wenig beforschten illegalen Märkten, wie Organhandel und Medikamentenfälschung, erfahrbar gemacht. Trotz der unterschiedlichen Foki bot sich so ein Vergleich der Märkte, ihrer Regulierung, von Problemen der Regulierung und der beteiligten Akteure an. Neben der Diskussion verschiedener qualitativer und quantitativer Methoden konnten ihre Anwendbarkeit, aber auch gruppenübergreifende Schwierigkeiten im Seminar besprochen werden. Die größten Unsicherheiten hatten Studierende bei der Abwägung von Pragmatismus und Wissenschaftlichkeit, was zu einer Ausweitung der Diskussion von Gütekriterien, Qualitätssicherung und der Politisierung von Daten führte. Die Ergebnisse der Datenrecherchen wurden anhand von Postern präsentiert und Vergleichsmöglichkeiten diskutiert. Jede Gruppe verfasste zudem eine Ausarbeitung der Ergebnisse. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Poster am Lehrstuhl auszustellen, sowie die Berichte auf der Homepage des Forschungsschwerpunkts über Emerging Illegal Markets zur Verfügung zu stellen und so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

In der Lehre haben sich zwei größere Konflikte herauskristallisiert. Zum Einen verunsichert die Studierenden das Aufgeben vorher geübter quantitativer Methoden, die auf Grund der Datenlage keine Anwendung finden. Das induktive, fallspezifische Vorgehen sorgt für Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des Vorgehens – und führt zudem zu Sorgen über die Bewertung und Benotung. Einerseits scheint diese Erfahrung wichtig, um die kritische Reflektion des Ursprungs von Daten zu erlernen und zu vermeiden, dass Daten unhinterfragt verarbeitet werden und um ein tieferes Verständnis von Wissenschaftlichkeit zu entwickeln. Andererseits müssen daher Studierende weiter in diesem Prozess unterstützt werden, indem Fragen von Wissenschaftlichkeit, Transparenz und Gütekriterien ausgiebig und früh adressiert werden und Gütekriterien für das Projekt selbstständig formuliert werden. Eine weitere Strategie, um Unsicherheiten nicht zu vermeiden, aber zu begleiten, ist die Bearbeitung eines gemeinsamen Fallbeispiels innerhalb der Präsenzzeit, an dem wissenschaftliches Vorgehen geübt werden kann. So können Studierende mit mehr Selbstbewusstsein und größerer Reflexion diese Erkenntnisse auf ihren eigenen Fall übertragen und kontinuierlich vergleichen, während gleichzeitig das inhaltliche Fundament, das eine Voraussetzung für die erfolgreiche methodische Reflexion darstellt, gelegt wird.

Ein zweiter Konflikt besteht darin, dass der Fokus auf Datenerhebung dem Interesse entgegen steht, gerade in einem Bachelorseminar auch eine Breite von Methoden vorzustellen, um Studierenden ein möglichst gutes Fundament für die eigene Forschung zu bieten. Diese Art des forschenden Lernens bietet sich daher eher für Lernziele an, die auf das eigene Erfahren und das kritische Durchdringen von datenrelevanten Fragen abzielt, als auf Methodenseminare, die mehrere Methoden nahebringen wollen.

In der Gestaltung der Prüfungsform(en) kann je nach Lernziel der Fokus auf Reflexion des eigenen Forschungs- und Lernprozesses gegen die Betonung der Projektergebnisse abgewogen werden. Von Vorteil ist der Anreiz, an einem Zwischenergebnis, wie einem Poster, geäußerte Kritik im Abschlussbericht berücksichtigen zu können und so direkter aus ihr zu lernen.

Insgesamt zeigt das Projekt, dass forschendes Lernen auch in kleinerem Rahmen und ohne das Umstellen von Studienplänen möglich ist. Damit einher geht eine Einschränkung der thematischen Breite, die sich nur bei entsprechender Einbettung in den Studienplan anbietet. Dafür ermöglicht diese Form des Lernens eine deutlich intensivere kritische Auseinandersetzung mit praktischen Forschungsfragen.

Dies ist ein Beitrag aus unserer Serie zum Forschenden Lernen, die aus dem Workshop zum selben Thema hervorgegangen ist.

Was ist forschendes Lernen? Stimmen aus dem Workshop

 

Am Rande des Workshops zu forschendem Lernen haben wir einige ReferentInnen um kurze Statements zum Thema gebeten. Die Aufzeichnungen dieser Kurzinterviews mit Wolfgang Deicke, Rolf Frankenberger und Jasmin Haunschild geben eine sehr schöne und kompakte Einführung in das Konzept des forschenden Lernens.

Was ist forschendes Lernen?

Wolfgang Deicke

Rolf Frankenberger

 

Wie wirkt forschendes Lernen?

Wolfgang Deicke

Rolf Frankenberger

 

Wofür eignet sich forschendes Lernen?

Wolfgang Deicke

Rolf Frankenberger

Jasmin Haunschild

 

Was sind die Herausforderungen für Lehrende und Studierende beim forschenden Lernen?

Wolfgang Deicke

Rolf Frankenberger

Jasmin Haunschild

 

In welchen Lehr-Lern-Szenarien arbeiten Sie mit forschendem Lernen?

Rolf Frankenberger

Jasmin Haunschild

 

Dies ist ein Beitrag aus unserer Serie zum Forschenden Lernen, die aus dem Workshop zum selben Thema hervorgegangen ist.

Forschendes Lernen – Herausforderung für Lehrende und Lernende

Ein Gastbeitrag von Rolf Frankenberger (Universität Tübingen).

Forschendes Lernen erfreut sich in der Hochschullehre zunehmender Beliebtheit. Es zeichnet sich dabei ähnlich wie aktives und situiertes Lernen durch eine Vernetzung von Wissen und Projekt- und Problemorientierung aus. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Wissenschaftlichkeit des Vorgehens. So definiert Euler (2005) Forschendes Lernen als das „aktive Erproben realer Handlungsabläufe unter Bezugnahmen auf persönliche Erfahrung und wissenschaftliche Theorien“. Das Durchlaufen eines vollständigen Forschungsprozesses konfrontiert Studierende unmittelbar mit der wissenschaftlichen Praxis und bietet so unschätzbare Lernerfahrungen. Aus der Erfahrung mit mittlerweile zehn zweisemestrigen Lehrforschungsprojekten, die ich in den letzten Jahren an der Universität Tübingen (an)geleitet habe, zeigt sich jedoch auch, dass Forschendes Lernen in der praktischen Umsetzung eine Reihe von Herausforderungen an alle Beteiligten stellt, denen man sich als Lehrende und Lernende stellen muss. In der Folge möchte ich vier dieser Herausforderungen exemplarisch herausarbeiten und den einen oder anderen Lösungsansatz zu skizzieren.

Von zentraler Bedeutung sind zunächst das eigene Rollenverständnis als Lehrende, die eigenen didaktischen und fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die zur Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen. Denn erstens erfordert Forschendes Lernen vom Lehrenden einen Verzicht auf Kontrolle des Lernprozesses und ein eher am Ideal des Mentors orientiertes Handeln. Zweitens ist es gerade bei offenen und prozessorientierten Lehr-/Lernformen hilfreich, breites didaktisches Handwerkszeug zur Verfügung zu haben. Auch die zeitlichen Ressourcen sollten bedacht werden, denn der Zeitaufwand liegt insbesondere bei der Betreuung deutlich über dem für „normale“ Seminare. Gerade in der Qualifizierungsphase sollten Lehrende genau überlegen, ob sie bereit sind, forschendes Lernen einzusetzen. Wenn, dann empfiehlt sich eine Eingrenzung der Thematik auf die eigenen Schwerpunkte und/oder das Bilden studentischer Gruppen. Beides reduziert den Aufwand.

Entscheidet man sich für eine Lehrveranstaltung im Format des Forschenden Lernens, stellt sich die Frage der Strukturierung. Als Leitfaden kann die Kombination eines idealtypischen Forschungsablaufs (vgl. z.B. Westle 2009) und des Forschungszyklus forschenden Lernens (vgl. Wildt 2009) dienen. Diese kann lerntheoretisch beispielsweise mit dem „learning cycle“ nach Kolb (1984) unterfüttert werden. In meiner eigenen Lehrpraxis hat sich das zweisemestrige Format als sehr positiv erwiesen, da genug Zeit für die Entwicklung des Forschungsplans und seine Reflektion zur Verfügung steht (Semester 1) und auch die empirische und Präsentations-Phase (Semester 2) nicht zu kurz kommt.

Lernende bringen in der Regel unterschiedliche Kenntnisse mit in Lehrveranstaltungen. In wie weit die Studierenden eine homogene Gruppe bilden ist jedoch eine der zentralen Fragen bei forschendem Lernen. Denn wenn ein Forschungsprozess weitgehend selbständig durchlaufen werden soll, müssen die Studierenden ein Mindestmaß an inhaltlichen, theoretischen und methodischen Kenntnissen und Fertigkeiten mitbringen, um dies gewinnbringend zu tun. Soll forschendes Lernen im Bachelor-Studium eingesetzt werden, ist es daher ratsam, dass die Studierenden aus demselben Studiengang kommen und möglichst fortgeschritten sind. In Tübingen ist das Lehrforschungsprojekt daher ein Seminar für das 5.  und 6. Semester im BA Politikwissenschaft. Voraussetzung ist die vorherige erfolgreiche Teilnahme an den Pflichtmodulen des Studiengangs.

Auch hinsichtlich des Rollenverständnisses unterscheiden sich Studierende. Während es einerseits Gruppen gibt, die sich als angehende WissenschaftlerInnen definieren, sehen sich andere in einer wie auch immer anders gearteten Berufspraxis. Einige sehen das Studium als Selbstzweck und stellen den Lernprozess und den Wissenserwerb als solchen in den Vordergrund, während andere an verwertbaren „skills“ oder einem raschen und möglichst ökonomischen Scheinerwerb interessiert sind. Eine Möglichkeit der Integration solch unterschiedlicher Zielgruppen universitärer Lehre ist über die Abfrage von Erwartungshaltungen und die daran anschließende Reflektion über die Funktion wissenschaftlicher Lehre und das mit Wissenschaft und wissenschaftlichem Arbeiten verbundenen Praxisverständnis. Dass forschendes Lernen letztlich wissenschaftliche Praxis ist, liegt dabei auf der Hand, sollte aber dennoch expliziert werden – auch unter Rückgriff auf mögliche Berufsfelder. Dies erhöht nach meiner Erfahrung in der Regel das Verständnis und die Akzeptanz für die Lehr-/Lernform und deren Besonderheiten.

Literatur

  • Euler, D. (2005): Forschendes Lernen. In: Spoun, S.; Wunderlich, W. (Hrsg.): Studienziel Persönlichkeit. Beiträge zum Bildungsauftrag der Universität heute. Frankfurt am Main: Campus, S. 253–272.
  • Kolb, D. (1984): Experimental Learning. Experience as the Source of Learning and Development. Englewood Cliffs: Prentice-Hall
  • Westle, B. (2009) (Hrsg.): Methoden der Politikwissenschaft. Baden-Baden: Nomos.
  • Wildt, J. (2009): Forschendes Lernen: Lernen im Format der Forschung. Journal Hochschuldidaktik, Jg. 20 (2009) Heft 2, S. 4-8.

Dies ist ein Beitrag aus unserer Serie zum Forschenden Lernen, die aus dem Workshop zum selben Thema hervorgegangen ist.

Forschendes Lernen – aber wie?

Gestern fand in Duisburg ein Workshop unserer Themengruppe zum Thema Forschendes Lernen statt. Einen ausführlichen Bericht findet man auf der Seite des Workshops. Demnächst werden hier außerdem in loser Folge Zusammenfassungen der Vorträge als Blogeinträge veröffentlicht.

Ganz im Sinne des forschenden Lernens haben die TeilnehmerInnen am Ende ein Produkt erarbeitet, die ich hier nochmal besonders hervorheben möchte, weil sie vielleicht auch für andere Lehrende interessant ist: Eine Liste von zehn Empfehlungen, die man beim Einsatz forschenden Lernens in der eigenen Hochschullehre beachten sollte.

  1. Es gibt sehr viele Formen des forschenden Lernens. Die Forschungsaktivität muss von den Lern-/Kompetenzzielen her geplant werden (constructive alignment).
  2. Forschendes Lernen soll den Studierenden Wissenschaft als Prozess näherbringen und sie nicht nur mit dem fertigen Produkt (Fachartikel) konfrontieren. Wenn die nötigen Ressourcen fehlen oder man sich erst an das Konzept herantasten will, ist auch eine teilweise Einführung von forschendem Lernen in ein Veranstaltungskonzept möglich und sinnvoll.
  3. Man sollte früh mit der Planung anfangen und genug Zeit im Verlauf einplanen, um die oft aufwändige Betreuung gewährleisten zu können.
  4. Wenn man Zugang zu KollegInnen hat, die Erfahrung mit der Methode haben, sollte man die Chance nutzen, aus ihren Erfahrungen zu lernen.
  5. Forschendes Lernen sollte eher nicht von unerfahrenen Lehrenden eingesetzt werden. Es erfordert solides Fachwissen, eigene Forschungserfahrung, eine gefestigte Lehrpersönlichkeit und einen souveränen Umgang mit den sozialen Prozessen unter den Lernenden.
  6. Die Produkte des forschenden Lernens sollen verwertbar und nicht nur für den Seminarraum gemacht sein. Dies erhöht die Verbindlichkeit für die Studierenden, ein gutes Produkt zu erzeugen.
  7. Ein persönliches Interesse am Thema steigert das eigene Engagement und befähigt Lehrende zu besserem Feedback. Aber auch Projekte, die außerhalb des eigenen Interessensgebiets liegen, verdienen dieselbe Aufmerksamkeit.
  8. Der Aufwand bei forschendem Lernen ist höher als bei einem konventionellen Seminar. Deshalb sollte man von Beginn an Strategien entwickeln, um den eigenen Aufwand in Grenzen zu halten. Dazu gehören die Nutzung von peer feedback, die Festlegung von konkreten Meilensteinen für Zwischenprodukte als Gelegenheit für strukturierte Rückmeldung sowie der Einsatz von TutorInnen.
  9. Bei häufig auftretenden Fragen oder Problemen ist es effizienter, diese mit dem ganzen Kurs zu besprechen anstatt einzeln, entweder im Rahmen der Lehrveranstaltung oder über ein Online-Forum. Für beides müssen entsprechende (Zeit-)Räume freigehalten werden.
  10. Man sollte Möglichkeiten des Team Teaching prüfen. Dies entlastet die einzelnen Lehrpersonen und schafft ein breiteres Spektrum thematischer und methodischer Expertise, was auch den Studierenden zugute kommt.

Fragen, Widerworte und Ergänzungen gerne in den Kommentaren.