Dies ist ein Gastbeitrag von Ulrich Hamenstädt und Mai-Britt Ruff (Universität Münster) und Tobias Heinze (Goethe-Universität Frankfurt am Main)
Kreativität und Kompetenzorientierung sind Ansprüche, die seit einigen Jahren verstärkt an die universitäre Lehre gestellt werden. Beides scheint durch projektorientierte Seminare und die zielgerichtete Einbindung von Studierenden in die Gestaltung des Curriculums realisierbar zu sein, erfordert aber die Bereitschaft, Seminarkonzepte neu zu denken. In dem Artikel „Projektorientierte Lehre und Team-Teaching in der Politikwissenschaft“ (DOI 10.1007/s41358-016-0029-0), erschienen in der ZPol 2/16, diskutieren Mai-Britt Ruff, Tobias Heinze und Ulrich Hamenstädt von den Universitäten Münster und Frankfurt/Main ein Seminarkonzept, welches auf diese Anforderungen eingeht. Unter dem Titel „Machen wir Frieden mit den Drogen. Projektseminar zur Erstellung eines Planspiels über den transamerikanischen Drogenkonflikt“ wurden Studierende darin angeleitet zu lernen, indem sie selber Lehrmaterial entwickeln.
Grundlage des Seminarsvorhabens war ein studentischer Vorschlag, der sich aus thematischem Interesse, aber auch aus der Einforderung neuer Lehrformate speiste. Nach einer fast einjährigen Ausarbeitung des ersten Vorschlags zusammen mit einem Lehrenden wurde das Seminar im regulären Curriculum angeboten und durch alle in die Konzteptualisierung Eingebundenen geleitet. Während seitens des Teaching-Teams, neben Inputs zu dem Konflikt und der Methode Planspiel, Vorschläge und konzeptuelle Rahmengedanken für das Seminarprodukt eingebracht wurden, oblag es den das Seminar besuchenden Studierenden, diese Vorschläge durch konstruktive Kritik weiterzuentwickeln und durch eigene Recherchen kohärente Rollenprofile für das Planspiel zu entwickeln.
Ergebnis des Seminars ist ein funktionierendes Planspiel, welches sowohl mit der Seminargruppe als auch mit einer Schülergruppe von einem Gymnasium gespielt wurde. Die Erfahrungen des Planspielangebots verweisen zwar, gerade hinsichtlich der Zielgruppe der Schüler_innen, auf Möglichkeiten der Nachjustierung und Klarstellung einzelner Aspekte des Planspiels, die durch das Spiel vorgezeichnete Dynamik hat sich jedoch in beiden Fällen entfaltet und, neben inhaltlichen Einsichten, im Falle des Angebots an der Schule z.B. auch zu einer Diskussion über das Medianwählermodell geführt.
Neben das Seminarprodukt tritt die Dimension der reflektierten Neubestimmung von Rollen in der universitären Lehre. Auch wenn viele Schritte des Seminarvorhabens bereits vorgezeichnet waren, wurde den Studierenden die Möglichkeit gegeben, durch Kritik und Mitsprache eigene Vorstellungen einzubringen, bzw. in zwei Fällen sogar das Seminar proaktiv vorzubereiten. Dies war zugleich eine Anforderungssituation, die sich in vielen klassischen Lehrformaten nicht reproduzieren lässt. Die Orientierung an einer kompetenzbasierten Lehre scheint jedoch nach Herausforderungen dieser Art zu verlangen. Was auf den ersten Blick wie ein Kontrollverlust über die Seminargestaltung aussehen mag, könnte am Ende zum Erfolg des Seminars und zugleich zu einer Weiterentwicklung der curricularen Vielfalt beigetragen haben. Das in diesem Prozess dennoch Hürden zu überwinden sind, wird im Artikel expliziert und reflektiert.