Archiv des Autors: lambach

Lehrpreis für Matthias Freise

Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass meine Co-SprecherInnen nicht nur sehr engagiert in der Organisation des AK Hochschullehre, sondern auch hervorragend in der Lehrpraxis sind, dann gibt es diesen jetzt. Nachdem Julia Reuschenbach schon im vergangenen Sommer den Lehrpreis der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn erhalten hatte, hat Matthias Freise das kürzlich um seinen Gewinn des Lehrpreises der Universität Münster ergänzt.

Die Pressemitteilung der Universität begründete die Vergabe wie folgt:

Der mit 30.000 Euro dotierte Lehrpreis 2019 ging an Dr. Matthias Freise vom Institut für Politikwissenschaft. Der Wissenschaftler setzt seit vielen Jahren das Konzept des Forschenden Lernens in seinen Lehrveranstaltungen ein. Master-Studierende erhalten dabei die Gelegenheit, neben den üblichen Seminaren auch eine Forschungsfrage zu entwickeln. So beteiligten sie sich beispielsweise an einer Studie über die Möglichkeiten grenzüberschreitender Gesundheitspolitik in Deutschland und den Niederlanden. Dazu führten sie zahlreiche Interviews mit Gesundheitsexperten und präsentierten ihre Analysen und Ergebnisse während des deutsch-niederländischen Gesundheitsgipfels in Nordhorn.

Unter der Federführung von Matthias Freise hat das Institut für Politikwissenschaft das Forschende Lernen zum Leitkonzept seiner Masterstudiengänge gemacht und in den vergangenen Jahren konsequent implementiert. Durch seine exzellente Didaktik und Lehrqualität, betonte Prorektorin Prof. Dr. Regina Jucks, setze er wichtige Impulse für die Entwicklung des Forschenden Lernens in der deutschen Politikwissenschaft. Der Erfolg seines Engagements spiegelt sich nicht zuletzt in der Wertschätzung und den sehr guten Bewertungen seiner Studierenden wider.

Dazu gibt es auch noch ein sehr schönes Video, in dem Matthias‘ Engagement für das forschende Lernen gewürdigt wird. Dabei kommt auch sein Engagement im AK zur Sprache. Das freut mich natürlich besonders, aber es ist auch sehr passend, denn Matthias tritt auch bei uns für das Thema ein. Zum Beispiel hat er gleich ein ganzes Lehrbuch zum forschenden Lernen für unsere Buchreihe zur politikwissenschaftlichen Hochschuldidaktik geschrieben. Wer dazu mehr wissen möchte, findet hier ein kurzes Interview mit Matthias und hier eine Leseprobe.

Herzlichen Glückwunsch, Matthias!

 

Aufzeichnungen von der DVPW-Thementagung „Wie relevant ist die Politikwissenschaft“

Die Beiträge zur ersten DVPW-Thementagung „Wie relevant ist die Politikwissenschaft Wissenstransfer und gesellschaftliche Wirkung von Forschung und Lehre“, die am 12.-14. Dezember 2019 sind auf dem Videoportal der Goethe-Universität Frankfurt am Main archiviert. Das Programm kann hier heruntergeladen werden, allerdings gab es aufgrund von krankheitsbedingten Absagen ein paar Änderungen in letzter Minute.

 

12.12.2019

Begrüßung, Eröffnung, Panel Ia, Panel IIa
14:00-14:30 Uhr: Begrüßung und Einführung
Daniel Lambach
Armin Schäfer (Vorsitzender der DVPW, U Münster)
Manfred Schubert-Zsilavecz (Vizepräsident für Third Mission, U Frankfurt a.M.)
Rainer Forst (Co-Direktor Normative Orders, U Frankfurt a.M.)
Gunther Hellmann (Geschäftsführender Direktor des Instituts für Politikwissenschaft, U Frankfurt a.M.)
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/f5334b1eaa6e463aa2bbcf0134c4769b1d

14:30-15:10 Uhr: Eröffnungsvortrag
Nicole Deitelhoff (U Frankfurt a.M., Direktorin der HSFK): Mehr Mut zur Relevanz – Chancen und Risiken von Wissenstransfer für die Politikwissenschaft
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/f5334b1eaa6e463aa2bbcf0134c4769b1d (ab 0:31:30)

15:10-16:10 Uhr: Panel Ia – Disziplingeschichtliche und inhaltliche Entwicklung der Politikwissenschaft
Stine Marg / Julian Schenke (U Göttingen): Wir brauchen keinen Budenzauber: Die Politikwissenschaft erlangt Relevanz nur über ihren Inhalt und Gegenstand
Moritz Rudolph (U Leipzig): Politikwissenschaft gegen sich selbst. Herbert Marcuse als Politikwissenschaftler
Moderation: Helmar Schöne
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/f5334b1eaa6e463aa2bbcf0134c4769b1d (ab 1:00:30)

16:30-18:10 Uhr: Panel IIa – Politikwissenschaft und Politische Bildung
Hans-Ludwig Buchholz (PH Karlsruhe): Sollen wir denn Romane schreiben, damit man uns zuhört? Kreatives Schreiben in Wissenschaftskommunikation und Lehre
Moderation: Julia Reuschenbach
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/f5334b1eaa6e463aa2bbcf0134c4769b1d (ab 2:04:50)

 

Panel Ib, Panel IIb

15:10-16:10 Uhr: Panel Ib – Disziplingeschichtliche und inhaltliche Entwicklung der
Politikwissenschaft
Veith Selk (TU Darmstadt): Öffentliche Politikwissenschaft. Zur Aktualität praxisorientierter Modelle aus der Gründungsphase
Nina Basedahl (Euro-FH Hamburg): Quo vadis, Politikwissenschaft? Reflexionen zur Sichtbarkeit und gesellschaftlichen Relevanz des Faches
Moderation: Wolfgang Bergem
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/aca22c3610404671b1f443da0818ec841d

16:30-18:10 Uhr: Panel IIb – Politikwissenschaft und Politische Bildung
Nadine Meidert (ZU Friedrichshafen): Plan- und Rollenspiele in der Politikwissenschaft: Zwischen Abbildung der Realität und normativer Zielvorstellung
Moderation: Helmar Schöne
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/aca22c3610404671b1f443da0818ec841d (ab 0:42:40)

 

Präsentation I, Podiumsdiskussion
18:30-18:45 Uhr: Präsentation I – Politikon – das digitale Magazin über Politik und Gesellschaft.
Robin Markwica (EUI Florenz)
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/be215e92c57a443f93d2f82a39ad95251d

18:45-20:15 Uhr: Podiumsdiskussion – Politikwissenschaft in der Öffentlichkeit
Hubertus Buchstein (U Greifswald), Brigitte Geißel (U Frankfurt a.M.), Karl-Rudolf Korte
(U Duisburg-Essen), Carlo Masala (UniBw München), Michaela Kolster (Phoenix)
Moderation: Kim Björn Becker (FAZ)
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/be215e92c57a443f93d2f82a39ad95251d (ab 0:14:00)

 

13.12.2019

Panel III, Panel IV

09:00-10:30 Uhr: Panel III – Der Blick über den Tellerrand der Politikwissenschaft
Thomas Köller (FH Dortmund): Redlich empirisch, aber ohne wissenschaftliche Autorität: Die Politikwissenschaft in der Konkurrenz der verschiedenen
Wissenschaftlichkeitskonzeptionen
Emily Drewing (KWI Essen) / Jörg Radtke (U Siegen): Die Nachhaltigkeitstransformation in der Politikwissenschaft: Bleibt die zentrale Aufgabe des 21. Jahrhunderts
unter dem Radar?
Moderation: Julia Reuschenbach
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/d5d27751d00b49e0a41294bd2dfc424a1d

11:00-12:30 Uhr: Panel IV – Politikwissenschaft in der Hochschullehre
Kai Koddenbrock (U Witten/Herdecke): Vom Fehlen großer Theorie und der Rolle der politischen Ökonomie: Wie die deutsche Politikwissenschaft wieder relevanter werden könnte
Dannica Fleuß (HSU Hamburg): Sollen wir in Krisenzeiten „zivilen Ungehorsam“ oder zivilen Ungehorsam unterrichten? Wissenschaftliche, pädagogische, politische Rollen
Theorielehrender im Spannungsverhältnis
Moderation: Daniel Lambach
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/d5d27751d00b49e0a41294bd2dfc424a1d (ab 1:29:00)

 

Panel V, Panel VI

13:30-15:00 Uhr: Panel V – Wahrheit und Deutungsmacht (in) der Politikwissenschaft
Frank Nullmeier (U Bremen): Wissenschaft, Wahrheit und Wirkung. Politikwissenschaft als Gegenstand einer politischen Soziologie des Wissens
Joshua Folkerts / Ronny Rohde (U Rostock): Probleme und Perspektiven politikwissenschaftlicher Deutungsmacht am Beispiel der Extremismustheorie
Monika Gonser (PH Heidelberg): Fünf Relevanzen im Umgang mit Wissen in (transdisziplinären) Wissenschaft-Praxis-Kooperationen
Moderation: Wolfgang Bergem
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/fb28c6c3bca24ccc8ba9965e8a56dee51d

15:30-17:00 Uhr: Panel VI – Wissenstransfer aus der Politikwissenschaft
Hendrik Hegemann / Holger Niemann (IFSH Hamburg): Relevante Grenzen? Herausforderungen und Dilemmata von Wissenstransfers im Bereich Sicherheit und Frieden
Moderation: Helmar Schöne
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/fb28c6c3bca24ccc8ba9965e8a56dee51d (ab 1:55:40)

18:00-19:30 Uhr: Keynote
Helge Fuhst (ARD): Politikwissenschaft im Scheinwerferlicht – Kann sie den TV-Auftritt?
Moderation: Julia Reuschenbach
https://www.youtube.com/watch?v=gLQ4QWbMfh0

 

14.12.2019

Panel VII, Panel VIII

09:00-10:30 Uhr: Panel VII – Politikwissenschaft und Politikberatung
Annegret Bendiek / Nadine Godehardt / David Schulze (SWP Berlin): Beyond hard science: Deep View und digitale Geopolitik zwischen EU und China
Sonja Blum (FernU Hagen) / Jens Jungblut (U Oslo): From research to practice? The role of political scientists in advising politics in Germany
Moderation: Helmar Schöne
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/c7ba143651c841c183529d26f9d4a2d71d

11:00-11:30 Uhr: Präsentation II – Mercator Science-Policy Fellowship-Programm
Tome Sandevski / Gunther Hellmann (U Frankfurt a.M.)
Moderation: Wolfgang Bergem
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/c7ba143651c841c183529d26f9d4a2d71d (ab 1:30:20)

11:30-13:00 Uhr: Panel VIII – Politikwissenschaft und politische Praxis: Das Beispiel Internationale Politik
Gunther Hellmann (U Frankfurt a.M.): Die Praxisrelevanz einer theoretischen Politikwissenschaft im Feld der Internationalen Beziehungen
Danielle Gluns (U Hildesheim): Transfer in der Migrationspolitikforschung – Zwischen Neutralität und Normativität
Gregor Reisch (Auswärtiges Amt Berlin) / Corinna Jentzsch (U Leiden): Hätten wir den Syrienkrieg vorhersagen können? Möglichkeiten und Herausforderungen der Zusammenarbeit zwischen empirischer Konflikt- und Friedensforschung und auswärtiger Politik.
Moderation: Daniel Lambach
https://mediasite-portal.rz.uni-frankfurt.de/Mediasite/Showcase/events/Presentation/c7ba143651c841c183529d26f9d4a2d71d (ab 1:46:30)

Livestreams von der DVPW-Thementagung „Wie relevant ist die Politikwissenschaft?“

Nächste Woche findet die DVPW-Thementagung „Wie relevant ist die Politikwissenschaft? Wissenstransfer und gesellschaftliche Wirkung von Forschung und Lehre“ statt, die der AK Hochschullehre gemeinsam mit dem AK Politik und Geschichte, dem AK Politik und Kommunikation, dem AK Politik und Kultur sowie der Sektion Regierungssystem und Regieren veranstaltet. Wir tagen vom 12. bis 14. Dezember 2019 an der Universität Frankfurt, wo die Tagung vom Cluster Normative Ordnungen und dem Institut für Politikwissenschaft gemeinsam organisiert wird.

Livestream

Um das Thema nicht nur „unter uns“ zu behandeln, möchten wir mit der Tagung auch die gewohnten akademischen Umgebungen verlassen, z.B. durch einen Keynote-Vortrag im Haus am Dom, einem öffentlichen Veranstaltungshaus in der Stadt.

Außerdem übertragen wir die meisten Vorträge und Diskussionsrunden der Tagung per Livestream im Internet: https://live.uni-frankfurt.de/ – schauen Sie am 12.12. ab 14.00 Uhr mal rein! Die Aufzeichnungen werden hinterher auch öffentlich zugänglich gemacht.

Tagungsthema

In der öffentlichen Debatte wird regelmäßig über die mangelnde gesellschaftliche und politische Relevanz der Politikwissenschaft geklagt. Dass mit solchen Klagen ein recht einseitiges Bild gezeichnet wird, machen nicht nur die vielen Repliken auf die Debatten in der FAZ und Zeitschrift für Politikwissenschaft zum Stellenwert der Politikwissenschaft deutlich. So warnt die kritische Wissenschaftsforschung, man möge das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis nicht als eines von Wissensangebot und -nachfrage verstehen, sondern müsse es als Wechselbeziehung begreifen.

Diese Wechselbeziehung ist auch um andere Akteure wie Bürger*innen und Rezipient*innen zu erweitern, deren Bedürfnisse nach Erklärungen in einer immer komplexer werdenden politischen Umwelt steigen. Ferner ist eine alleinige Verengung auf die Sichtbarkeit in klassischen Massenmedien und die Beratung von Entscheidungsträger*innen problematisch, da sie eine Reihe anderer, nicht minder politischer Aspekte marginalisiert, über welche die Politikwissenschaft gesellschaftliche Wirkung erzielt (z.B. die Hochschullehre, die Politische Bildung, die öffentliche Kommunikation in sozialen Medien oder die Kommunikation mit politischen Akteur*innen außerhalb staatlicher Institutionen).

Die Tagung dient einer systematischen Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Politikwissenschaft über die Trias aus Forschung, Lehre sowie der Kommunikation derselben in die Gesellschaft hineinwirkt. Ziel ist es, Kompetenzen, Kapazitäten und Ressourcen zu identifizieren, mit der sich die gesellschaftliche Relevanz von Forschung und Lehre fördern lässt.

Programm

Das Programm der Tagung finden Sie hier zum Download.

Politisch sensible normative Fragen diskutieren – aber wie? Guest lectures zu Frauenrechten, feministischer Theorie und der Gender Gap in Tansania

Dieser Beitrag von Dannica Fleuß ist Teil der Blogserie “Hochschullehre in der Politischen Theorie und Ideengeschichte”.

 

Ziele der Lectures im Dezember 2018

Eine zentrale Funktion politiktheoretischen Nachdenkens ist es in meinem Verständnis, einen begrifflichen und normativen Rahmen für die Urteilsbildung zu aktuellen politischen Streitfragen und für die Einordnung aktueller Diskurse bereitzustellen. Politiktheoretische Hochschullehre hat damit auch die Aufgabe, die begrifflichen und analytischen Mittel für normative Urteilsbildung und Studierenden Erfahrungen mit der Anwendung konzeptueller und begrifflicher Rahmen zu vermitteln. Die Anleitung und Moderation von Diskussionen über normative Streitfragen, die politisch sensible Inhalte betreffen, stellt Lehrende der Politischen Theorie häufig vor besondere didaktische Herausforderungen: Wie können wir eine produktive, möglichst egalitäre bzw. „demokratische“ Diskussionskultur gestalten? Wie können wir zugleich Grenzen setzen, wenn Diskussionsbeiträge in Form und/oder Inhalt demokratische Grundwerte oder die Gefühle anderer Studierender verletzen? Und wo können und sollen derartige Grenzen verlaufen?

Im Dezember 2018 habe ich an der University of Dar es Salaam (Tansania) Guest Lectures zu den Themen „Frauenrechte, Feminismus and Gender Equality“ gehalten und gemeinsam mit einem an der Gastgeber-Universität tätigen Lecturer im Rahmen eines Co-Teaching-Projekts Sitzungen zu verschiedenen normativen bzw. politikphilosophischen Fragestellungen geleitet. Damit hatte ich auch die Gelegenheit, von mir bislang im deutschen bzw. europäischen Kontext angewendete Strategien (z.B. Rollenspiele, Simulationen) zur Anleitung von Diskussionen über normative Fragen und strittige politische issues unter stark abweichenden kulturellen Kontextbedingungen zu erproben. Ich werde mich in diesem Erfahrungsbericht auf die Guest Lectures beschränken, die sich mit Fragen aus dem angesprochenen Themenspektrum beschäftigten. Mit diesen Lectures habe ich ein dreifaches Ziel verfolgt: Zum ersten wollte ich aus normativer Perspektive Angebote machen, bestehende geschlechterspezifische Ungleichheiten zu evaluieren. Zum zweiten sollten diese mithilfe verschiedener empirischer Untersuchungen (sozialwissenschaftlichen bzw. gender studies-Ursprungs) erklärt werden. Drittens und abschließend wurden auf dieser Basis individuelle und kollektive Handlungsoptionen für counteraction diskutiert.

Aus didaktischen und inhaltlichen Gründen war es mir dabei ein Anliegen, so weit als möglich eine „(normativ) zurückhaltende Position“ einzunehmen: Vor dem Hintergrund meiner eigenen normativen Überzeugungen wollte ich eine möglichst ergebnisoffene, demokratische Diskussion realisieren und den „Raum des Sagbaren“ so groß als möglich halten. Hinzu kamen pragmatische Erwägungen: Eine Zurückhaltung mit Urteilen meinerseits ermöglichte auch den von mir erwünschten Dialog über Sozialisationsmuster und kontextspezifische Konzeptualisierungen von Gender-Rollen – und damit ein Lernen meinerseits.

 

Inhaltliche, didaktische und politische Anforderungen an die Gestaltung von Vorlesung und Diskussion

Die „anwendungsbezogene“ Diskussion über normative Streitfragen stellt Lehrende grundsätzlich vor Herausforderungen: Studierende sollen – und diese Zielsetzung ist nicht nur prima facie paradox – zu einer eigenständigen Urteilsbildung über normative Streitfragen angeleitet werden (vgl. Fleuß 2018). Die Guest Lectures in Dar es Salaam stellten mich jedoch vor eine Reihe zusätzlicher Anforderungen, auf die ich mich in Rücksprache mit vor Ort arbeitenden Kollegen jedoch (teilweise) vorbereiten und einstellen konnte: Zum einen variierten die sprachlichen Ausdrucksfähigkeiten der Studierenden im Englischen stark nach Herkunft (v.a. geographisch differenziert: Herkunft und Highschool-Erziehung im städtischen oder ländlichen Raum). Sie waren vor dem Hintergrund ihres Studienfaches zwar mit bestimmten theoretischen bzw. philosophischen Diskursen (zum Beispiel zu Konzeptionen politischer Gleichheit) bekannt. Zu Gender Studies bzw. feministischen Theorien konnte jedoch keinerlei Vorwissen vorausgesetzt werden, da selbige keinen Bestandteil der relevanten Curricula bildeten. Eine weitere Herausforderung für die Anleitung kontroverser Debatten resultierte aus den Rollenerwartungen, mit denen ich als Lehrende konfrontiert wurde: Grundsätzlich wurde ein Frontalunterricht mit klaren Arbeitsaufträgen und Assignments erwartet, in dem Inhalte wie auch Verfahren und Ergebnisse von einer (im Zweifelsfall männlichen!) Autoritätsperson vorgegeben wurden. Das Lehr-Lern-Setting selbst war zudem durch Umweltbedingungen (Hitze, Lautstärke, Seminarraum-Ausstattung) gekennzeichnet, die zunächst persönliche Anpassungsleistungen erforderten.

Aus rechtlicher Perspektive war die Diskussion über die in meinen Lectures thematisierten Fragen unproblematisch: die tansanische Verfassung garantiert grundsätzlich gleiche Rechte für Männer und Frauen und sowohl die National Development Vision 2025 als auch spezifische Empowerment-Programme für Frauen in bestimmten Berufen und Tätigkeitsfeldern setzen Fragen der Chancengleichheit für Frauen und Männer auf die Agenda (CEDAW, Tanzania, 2008). Die externen Rahmenbedingungen für (auch kontroverse) politische Diskussionen im akademischen Raum sind grundsätzlich gegeben, da „akademische Freiheit“ in Tansania traditionell als hohes Gut gilt (Freedom House 2018). Jedoch mussten Grenzen der öffentlichen Thematisierbarkeit bestimmter angrenzender Fragen (v.a. im Hinblick auf Homosexualität) berücksichtigt werden. Auch konnte ich im akademischen Kontext de facto nicht mit einer affirmativen Aufnahme des Gegenstands der Lectures oder meiner eigenen inhaltlichen Positionen rechnen. Unmittelbar im Vorlauf meines Aufenthaltes gab es bspw. einen inneruniversitären Konflikt zu der öffentlichen Stellungnahme einer weiblichen Kollegin zu sexuellen Übergriffen (der zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht zu ihren Gunsten aufgelöst werden konnte) (s. The Citizen, 30. November 2018).

 

Normative Zurückhaltung, Studierende als Kontextexperten – und wechselseitiges Vertrauen

Vor diesem Hintergrund habe ich in meinen Lectures bewusst über „meinen“ – also den europäischen – Kontext gesprochen und den folgenden Aufbau gewählt: Zunächst war das Ziel eine Problematisierung der in bestimmten Tätigkeitsfeldern und mit Ressourcen ausgestatteten Position immer noch verbreiteten Ergebnisungleichheit („Gender Gap“). Als Ausgangspunkt habe ich mit den Studierenden über (ihnen aus Philosophie-Kursen grundsätzlich bekannte bzw. vertraute) Konzeptionen politischer Gleichheit gesprochen und auf dieser Basis die Prämisse etabliert, dass Gleichheit im Hinblick auf Chancen wie die erforderlichen Ressourcen zur Wahrnehmung selbiger normativ vorzugswürdig ist. Im nächsten Schritt habe ich die Studierenden mit den Ergebnissen empirischer Untersuchungen zur Gender Gap konfrontiert und die folgenden Fragen aufgeworfen: (1) Wie können wir die empirischen Diskrepanzen in z.B. in Stellenbesetzungen erklären? (2) Handelt es sich in Anbetracht dieser Erklärungen um ein gerechtigkeitsrelevantes Problem? (3) Wenn ja: Was können wir tun, um dieses Problem zu beheben?

Dem Fokus auf den deutschen/europäischen Kontext im „Text“ der Lectures zum Trotz sollte es in den Anschlussdiskussionen natürlich maßgeblich um den Kontext der Studierenden gehen. Die Diskussionskultur (und aus meiner Sicht: auch ihr Ergebnis) profitierte vor dem Hintergrund des geschilderten universitären und politischen Kontextes dabei von drei Strategien:

(a) Ich habe zwar im Laufe der Lectures – so weit als möglich – „normativ zurückhaltend“ agiert und habe bewusst auch Positionierungen und Rückfragen Raum zu geben, die bspw. die gleiche Befähigung von Männern und Frauen für bestimmte Tätigkeiten infrage stellten. Die zahlreichen Rückfragen Studierender zu meiner Bewertung von geschlechterspezifischen Diskriminierungen im europäischen wie tansanischen Kontext habe ich dennoch mit (teils sehr eindeutigen) Stellungnahmen beantwortet. Hierbei habe ich jedoch stets meine normativen Prämissen transparent kommuniziert und vermittelt, dass meine Position in der gerade geführten Diskussion ebenso „zur Debatte steht“ wie jede andere. Diese Strategie stellte für mich einen wissenschaftlichen wie persönlichen Balanceakt dar, v.a. wenn Stellungnahmen moderiert werden mussten, die meinem grundsätzlichen Verständnis meiner eigenen Rechte und Ansprüche „als Frau“ widersprachen.

(b) Die Anwendung normativer Theorien und der aus ihnen hervorgehenden Evaluationsstandards für politische bzw. soziale Verhältnisse war als gemeinsames Projekt konzeptualisiert. Den Studierenden habe ich hierbei die Rolle von „Kontextexperten“ zugeschrieben, die mich aufklären müssen. Hiermit wollte ich – aus didaktischer Perspektive – die Offenheit und Diskussionsbereitschaft der Studierenden fördern. Zugleich sind die von mir rezipierten und für die Vorlesung verwendeten, auch aber die in Tansania an Hochschulen gelesenen philosophischen Texte sehr häufig westlichen Ursprungs. Eine anwendungsbezogene Diskussion von normativen Theorien bedurfte daher zunächst der Beschreibungen von Alltagssituationen seitens der Studierenden.

(c) Großen Raum nahm die Diskussion über den Umgang mit Mechanismen ein, welche geschlechterspezifische Ungleichheiten erzeugen bzw. reproduzieren. Hierbei lag ein starker Fokus auf der Individualebene und „unserem“ Umgang mit alltäglichen Situationen. Dies half in Anbetracht der Kontextbedingungen der Lehrsituation, Strategien für counteraction zu diskutieren, die konkret und pragmatisch umsetzbar sind. Für den Zweck der Vorlesung habe ich dabei (fehlerhafte bzw. problematische) Rechtfertigungsstrategien für geschlechterspezifische Ungleichheiten idealtypisch beschrieben und mit Beispielen aus meiner eigenen Lebenswirklichkeit gefüllt: Den Rekurs auf „die Natur“ bzw. „die Biologie“ („this is natural“-strategy), Tradition („it’s always been like that“-strategy) und soziale Normen („be a good girl“-strategy). Im Dialog wurden anschließend analoge Rechtfertigungsstrategien gesucht, denen Studierende in ihrem Alltag begegnen. Besonders aufschlussreich waren für mich der Austausch darüber, welches Verhalten im Umgang mit Konflikten, welche Lebensentscheidungen in Europa wie in Tanzania aus unserer Erfahrung für Menschen verschiedenen Geschlechts als „sozial adäquates“ Verhalten gewertet werden. Die Abschlussdebatte drehte sich um praktische Perspektiven, d.h. argumentative und/oder habituelle Möglichkeiten, auf derartige Diskurse zu antworten.

 

Anwendungsbezogen politisch und persönlich sensible normative Fragen diskutieren: Faktoren „jenseits didaktischer Techniken und Tools“

In den Lectures habe ich ein abstraktes philosophisches Thema durch konkrete Anwendungsbeispiele und Alltagsbezüge in die entsprechenden Lebenswirklichkeiten eingebettet. Hiermit konnte ein Relevanzbewusstsein auf Seiten der Studierenden geschaffen werden, das sich in einer lebhaften und weitgehend entspannten Diskussionsatmosphäre manifestierte. Mein Anspruch war es, die Studierenden als Experten für ihren sozialen und politischen Kontext ernst zu nehmen – auch um den Eindruck zu vermeiden, eine Deutung und Bewertung für mich fremder sozialer Zusammenhänge vorzunehmen. Schließlich hat die Handlungsorientierung der Lecture wie der Diskussion eine produktive Wendung gegeben. Zentrale Herausforderungen blieben auch bei dieser Vorgehensweise bestehen und sind aus meiner Perspektive durch „didaktische Techniken“ auch nicht vollständig einzuhegen. Dies betrifft insbesondere fünf Aspekte, die für die Interaktion der Studierenden mit mir oder für ihre Interaktion miteinander relevant sind:

  1. Rollenerwartungen und Rollenkonflikte: Gerade bei normativ sensiblen Fragen, die auch eine persönliche Dimension haben bzw. das Privatleben einzelner Diskussionsteilnehmer betreffen, haben Rollenerwartungen und -zuschreibungen ein großes Gewicht. In der Diskussion war in Anbetracht der Rückfragen Studierender deutlich, dass ich immer zugleich als Lehrende, Wissenschaftlerin, westliche „Besucherin“, als Frau, usw. wahrgenommen wurde. Hier ist es erforderlich, von Anfang an klarzustellen, dass man sich (a) der Pluralität der eigenen Rollen bewusst ist, sie aber (b) analytisch trennen kann und im Rahmen der Lehrsituation (c) in einer bestimmten Rolle oder Funktion spricht. Der analytischen Trennung von Rollen zum Trotz erforderte das Thema der Lectures, dass diese Rollen auch flexibel eingenommen bzw. gewechselt werden – gerade dann, wenn das Private politisch bzw. zum Gegenstand politiktheoretischer Reflexion wird.
  2. Gemeinsames Sprachspiel: Eine essentielle Voraussetzung für den interkulturellen Dialog ist es, dass ein gemeinsames „Sprachspiel“ hergestellt wird. Lehrende müssen Zeit, Raum und Bereitschaft für den Austausch über Begriffe, Bedeutungen, diskursive Kontexte mitbringen. Vor allem aber sollten Lehrende die Bereitschaft und habituelle Offenheit mitbringen, mit Studierenden eine gemeinsame Interpretation von Konzepten wie „politische Gleichheit“ oder „Geschlecht“ zu erarbeiten.
  3. Reflexion über die eigenen Erwartungen an ein Lehr-Lern-Setting: Auch unsere Lehr-Lern-Kultur – und die damit einhergehenden Rollenerwartungen – sind nicht selbstverständlich. Eine demokratische Diskussion mit „egalitärem“ Habitus bzw. Anspruch durchzuführen benötigt in Lehr-Lern-Kulturen, in denen Frontalunterricht das einzige bekannte Unterrichtsformat ist, nicht nur Erklärung, sondern auch Übung – und Geduld.
  4. Diskussionen über und mit Gender-Bias: Ein Gender-Bias in der Diskussionskultur kann das inhaltliche Ergebnis eines Austausches verzerren. Im Falle der Diskussion über Sozialisationsmuster und Geschlechterungleichheiten ist dies sehr wahrscheinlich. Da die Sozialisation der Studierenden im tansanischen Kontext sehr eindeutig zu einer nach Geschlechtern differenzierten Quantität (und Emphase) der Stellungnahmen führte, habe ich diesen Eindruck zwar transparent gemacht, musste das zugrundeliegende Missverhältnis jedoch als Rahmenbedingung meiner Arbeit akzeptieren.
  5. Vertrauen als Voraussetzung für Thematisierbarkeit: Gerade bei der Diskussion nicht nur normativ strittiger, sondern auch politisch umkämpfter (und möglicherweise, wie im Falle von Homosexuellen-Rechten, sogar rechtlich ahndbarer) Stellungnahmen benötigt ein produktiver Austausch wechselseitiges Vertrauen. Dieses in Interaktionen „jenseits des Seminarraums“ hergestellte Vertrauen ermöglichte im Laufe der Zeit die Benennung und Thematisierbarkeit von Rechtsverletzungen und Benachteiligungen, die in der hochschulöffentlichen Diskussion und unter formalisierten Rahmenbedingungen nicht zur Sprache gekommen wären.

Die Erfahrungen im tansanischen Kontext und meine Reflexion über die Gelingensbedingungen dieses interkulturellen Austausches lenken den Fokus damit auch auf nicht-technische Aspekte der Gestaltung von Lehr-Lern-Settings: Gerade dann, wenn die debattierten issues in die Privat- bzw. Intimsphäre der TeilnehmerInnen reichen, gewinnt die Wahrnehmung und Rolle der Lehrenden sowie die Beziehungsdimension an Bedeutung: Für den produktiven Austausch war eine möglichst entspannte Atmosphäre und die Bereitschaft zu Begegnungen außerhalb des formellen Lecture-Settings mindestens so wichtig wie didaktische Techniken. Vor allem aber wurde deutlich, dass das erforderliche Vertrauen nur durch ein wechselseitiges Auskunft-Geben über geschlechterspezifische Sozialisationsmuster, Erfahrungen und Wahrnehmungen gelingen konnte: Die produktive Diskussion über normative wie empirische Fragen der Geschlechtergleichheit bedarf wechselseitiger Offenheit – gerade im interkulturellen Austausch und auch in hierarchischen Verhältnissen. Eine persönlich offene und ergebnisoffen gestaltete Diskussion, die den Raum des Sagbaren ausdehnt, kann je nach Kontext und persönlicher Betroffenheit „weh tun“ – in der Konfrontation mit Positionen, Sozialisationsmustern und Erwartungshaltungen können Studierende und Lehrende aus meiner Erfahrung jedoch gleichermaßen profitieren.

 

Referenzen:

CEDAW, Tanzania (2007): UN Committee on the Elimination of Discrimination against Women: Combined fourth, fifth and sixth periodic reports of States parties, Tanzania. Online: https://www.refworld.org/publisher/CEDAW.html

Fleuß, D. (2018): “Politische Theorie anwendungsbezogen lehren. Lehrende zwischen normativer Zurückhaltung und kritischer Stellungnahme.” [Teaching Normative Political Theory. How to Balance Normative Moderation and Adopting Political Positions in Theory Seminars.] In: Politische Vierteljahresschrift/German Political Science Quarterly] 59(4), 719-736. https://doi.org/10.1007/s11615-018-0133-5

Freedom House (2018): Index of Freedom in the World 2018, Country Profile: Tanzania. Online: www.freedomhouse.com

The Citizen, November 30, 2018: University of Dar es Salaam lecturer in sex-for exams claim defended. Online: https://www.thecitizen.co.tz/news/University-of-Dar-es-Salaam-lecturer-in-sex/1840340-4876038-jsj603z/index.html

Programm zur DVPW-Thementagung „Wie relevant ist die Politikwissenschaft?“

Am 12.-14.12.2019 organisieren der AK Hochschullehre, der AK Politik und Geschichte, der AK Politik und Kommunikation, der AK Politik und Kultur sowie die Sektion Regierungssystem und Regieren die erste DVPW-Thementagung zum Thema “Wie relevant ist die Politikwissenschaft?”. Die Tagung findet an der Goethe-Universität Frankfurt statt, wo sie in Kooperation mit dem Forschungsverbund Normative Ordnungen und dem Institut für Politikwissenschaft gemeinsam organisiert wird.

In der öffentlichen Debatte wird regelmäßig über die mangelnde gesellschaftliche und politische Relevanz der Politikwissenschaft geklagt. Dass mit solchen Klagen ein recht einseitiges Bild gezeichnet wird, machen nicht nur die vielen Debattenbeiträge. So warnt auch die kritische Wissenschaftsforschung, man möge das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis nicht als eines von Wissensangebot und -nachfrage verstehen, sondern müsse es als Wechselbeziehung begreifen.

Diese Wechselbeziehung ist auch um andere Akteure wie Bürger*innen und Rezipient*innen zu erweitern, deren Bedürfnisse nach Erklärungen in einer immer komplexer werdenden politischen Umwelt steigen. Ferner ist eine alleinige Verengung auf die Sichtbarkeit in klassischen Massenmedien und die Beratung von Entscheidungsträger*innen problematisch, da sie eine Reihe anderer, nicht minder politischer Aspekte marginalisiert, über welche die Politikwissenschaft gesellschaftliche Wirkung erzielt (z.B. die Hochschullehre, die Politische Bildung, die öffentliche Kommunikation in sozialen Medien oder die Kommunikation mit politischen Akteur*innen außerhalb staatlicher Institutionen).

Die Tagung dient einer systematischen Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Politikwissenschaft über die Trias aus Forschung, Lehre sowie der Kommunikation derselben in die Gesellschaft hineinwirkt. Ziel ist es, Kompetenzen, Kapazitäten und Ressourcen zu identifizieren, mit der sich die gesellschaftliche Relevanz von Forschung und Lehre fördern lässt.

Informationen zum Programm sowie zur Anmeldung finden Sie im unter https://www.hochschullehre-politik.de/aktivitaeten/veranstaltungen/thementagung-2019-frankfurt/ sowie hier. Da die Tagung eine begrenzte Teilnehmerzahl hat, empfehlen wir eine zeitnahe Anmeldung.

Bausteine einer politikwissenschaftlichen Hochschuldidaktik

Didaktiken gibt es viele. Da gibt es die Fachdidaktik, die sich um die Vermittlung schulbezogener didaktischer Kompetenzen an Lehramtsstudierende kümmert. Dann gibt es die Hochschuldidaktik, also die Lehre vom Lehren und Lernen an Hochschulen im allgemeinen. In unserem Feld gibt es auch noch eine Didaktik der politischen Bildung für die außer(hoch)schulischen Lernkontexte. Und dann, nicht zuletzt, gibt es noch eine fachbezogene Hochschuldidaktik.

Solche fachbezogenen Hochschuldidaktiken sind nicht das gleiche wie die allgemeine Hochschuldidaktik. Letztere kümmert sich fachungebunden um hochschulische Lehr- und Lernprozesse. Wir Lehrende „erleben“ die Hochschuldidaktik zumeist in entsprechenden Weiterbildungsprogrammen, beispielsweise beim Erwerb hochschuldidaktischer Zertifikate. Viele meiner KollegInnen beschreiben die so erlebte allgemeine Hochschuldidaktik als praxisfern und schwer anwendbar auf ihren Lehrkontext. Umgekehrt sagen viele professionelle HochschuldidaktikerInnen, dass sie gerne mehr Einblick in die fachliche Lehrpraxis hätten. Für solche Probleme haben bzw. brauchen Fächer eine fachbezogene Hochschuldidaktik, also ein Verständnis davon, wie im Kontext ihrer Disziplin Lehre und Lernen aussehen sollen.

Ich hatte unlängst Gelegenheit, mich mit Lehrenden aus anderen Disziplinen sowie der allgemeinen Hochschuldidaktik über unsere jeweiligen Fachkulturen auszutauschen. (Vielleicht wird daraus ein vergleichendes Projekt, mal sehen.) In der Vorbereitung und im Gespräch habe ich mit der Frage gerungen, was eine politikwissenschaftliche Hochschuldidaktik ausmacht. Eine Antwort habe ich noch nicht, nicht mal ansatzweise, zumal es in der Politikwissenschaft bislang keine Auseinandersetzung mit dieser Frage gibt. Ich möchte in diesem Blogpost erstmal nur die Dimensionen der Frage auffächern und ein paar Gedanken festhalten, damit ich mich beizeiten systematischer damit befassen kann.

Die Probleme fangen schon damit an, was man als Dimensionen oder Deutungen des Begriffs „fachbezogene Hochschuldidaktik“ verstehen kann. Eine erste Deutung zielt auf die Lehrpraxis: Anhand welcher Prinzipien, Philosophien und normativer Festlegungen wird in einem Fach gelehrt? (Siehe dazu den schönen PVS-Artikel von Julian Eckl.) Mit welchen Lehrmethoden werden welche Lehrinhalte gelehrt? Für die Politikwissenschaft fallen mir insbesondere die Zentralität von Begriffen wie Macht und Konflikt ein, die pluralistische Epistemologie sowie die hohe Bedeutung, welche wir diskursiven und dialogischen Kompetenzen und Lehrmethoden zuschreiben.

Eine zweite Deutung interpretiert dies als Praxisgemeinschaft. Von wem sprechen wir eigentlich, wenn wir von einer fachbezogenen Hochschuldidaktik sprechen? Sind das alle Lehrenden des Fachs? Oder enger gefasst nur diejenigen Lehrenden, die ihre Lehre didaktisch reflektieren? Zu diesem Aspekt gehört auch, die Beziehungen einer wie auch immer gearteten Praxisgemeinschaft zu anderen Gemeinschaften wie z.B. der Lehr-Lern-Forschung oder der allgemeinen Hochschuldidaktik zu klären. Hier sehe ich deutlichen Nachholbedarf in der Politikwissenschaft, ganz gleich ob man die Grenzen eng oder weit zieht. Es gibt Fächer wie die Medizin und die Rechtswissenschaften, in denen die fachbezogene Hochschuldidaktik ein ganz selbstverständlicher Teil der Disziplin ist. Davon sind wir weit entfernt. Aber man sollte in diesem Punkt die Latte nicht zu hoch legen – selbst didaktisch reflektierte Lehrende verstehen sich weiterhin eher als PolitikwissenschaftlerInnen anstatt als politikwissenschaftliche HochschuldidaktikerInnen. Letzteres geschieht wohl nur, wenn sie auch institutionell bzw. professionell den Schritt in eine praktische Tätigkeit im hochschuldidaktischen Bereich tun.

Die dritte Deutung versteht den Begriff als Feld. Welche Infrastrukturen und welche Netzwerke hat sich ein Fach gegeben, um sich systematisch über Fragen von Studium und Lehre auszutauschen? Hier fällt mir – für Deutschland – naturgemäß der AK Hochschullehre ein, über den wir bereits viel getan haben, um zur Vernetzung aktiver Lehrender beizutragen. Aber es lohnt sich auch der Seitenblick auf unsere Schwestergruppen in der ECPR, der APSA oder der PSA, die uns in dieser Hinsicht auch noch einige Jahre voraus sind.

Diese Deutungen oder Dimensionen einer fachbezogenen Hochschuldidaktik zeigen bereits, wie komplex die Antwort auf die Frage ist, ob es eine fachbezogene Hochschuldidaktik der Politikwissenschaft gibt und wenn ja, wie diese aussehen könnte. Wir ringen mit dieser Frage auf einer praktischen Ebene immer wieder bei der Herausgabe der Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik, wenn wir uns bei jedem Band, sei es zur Kompetenzorientierung, zu Simulationen oder zum forschenden Lernen, fragen: Was ist das spezifisch politikwissenschaftliche im Zugang zu diesem Thema? Dass wir auf diesem Wege wie nebenbei auch erste bruchstückhafte Überlegungen zu einer fachbezogenen Hochschuldidaktik unternehmen war bisher nur ein netter Nebeneffekt, aber ich halte es für wertvoll, künftig noch systematischer darüber nachzudenken.

Call for Papers: Politikwissenschaftliche Hochschullehre – Wozu? (Fünfte Jahrestagung, Berlin, 17.-18. Februar 2020)

Der Call als pdf

Wozu betreiben wir Hochschullehre? Auf diese Frage gibt es viele mögliche Antworten, z.B. die formalistische (weil sie Teil unserer arbeitsvertraglich festgelegten Aufgabenbeschreibung ist) oder eine individuell-moralische (weil man sie für wichtig hält). Bei der fünften Jahrestagung des AK Hochschullehre wollen wir diese Frage aus systemischen, normativen und institutionellen Blickwinkeln betrachten. Anders gefragt: Was sind Ziele eines politikwissenschaftlichen Studiums und was bedeutet dies für unsere Lehre?

Wir rufen daher zu Beiträgen auf, die sich beispielsweise mit den folgenden Fragen beschäftigen:

  • Welche sind die Bildungsziele eines politikwissenschaftlichen Studiums? Hier gibt es natürlich Raum für unterschiedliche Antworten von Institut zu Institut, aber nur wenig explizite Debatten. Orientieren wir uns immer noch, oder etwa schon wieder am Ideal der „Demokratiewissenschaft“? Oder wenn es das klassisch-humanistische Bildungsideal sein soll, was ist daran spezifisch politikwissenschaftlich?
  • Im bildungspolitischen Feuilleton und in kollegialen Flurgesprächen werden Kompetenzen und Wissen gelegentlich als Gegensätze dargestellt. Wie kommen wir in der Lehre aber auch in innerfachlichen Diskursen weg von der Gegenüberstellung hin zur Komplementarität dieser beiden Ziele?
  • Im Anschluss an die von unserem AK mitgestaltete DVPW-Thementagung 2019 stellt sich die Frage, wie wir durch die Lehre im Besonderen in die Gesellschaft wirken. Wie bereiten wir (künftige und aktuelle) Praktiker*innen in Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft auf ihre Aufgaben vor? Wie befähigen wir die übrigen Studierenden dazu, aktive Staatsbürger*innen in einer zunehmend polarisierten Demokratie und einer globalisierenden Weltgesellschaft zu sein? Welche Anforderungen werden von außen an Studium und Lehre herangetragen und wie sollten wir ihnen begegnen?
  • Welche pädagogischen Vorstellungen stehen hinter unserer Lehre? Die politikwissenschaftliche Hochschullehre geschieht meistens ohne besondere lerntheoretische oder lernpsychologische Fundierung. Hier gibt es großen Spielraum und Bedarf, bildungswissenschaftliche und pädagogische Theorien für unsere Disziplin zu übersetzen und zu operationalisieren.
  • In Akkreditierungsverfahren werden Studiengänge regelmäßig als forschungs- oder praxisorientiert kategorisiert, aber wie drücken sich diese Einordnungen in Studium und Lehre aus? Sofern man mit dieser Dichotomie einverstanden ist, welche Bedeutung hat sie für die Formulierung von passenden Lernziele und die Gestaltung entsprechender Curricula? Nicht zuletzt geht es auch darum, ob wir diese selbst gesteckten Ziele erreichen. Welche Metriken benutzen wir dafür und durch welche Prozeduren fließt dies als Feedback in die Weiterentwicklung des Studienganges ein? Unter diesem Stichpunkt können auch Absolvent*innenstudien, die Erforschung einschlägiger Praxisfelder oder Verfahren des Qualitätsmanagements diskutiert werden.
  • Welche Stellung hat die Lehre an der Hochschule? Die relative Geringschätzung der Lehre im Vergleich zur Forschung, welche mit dem Begriff der „Reputationsasymmetrie“ beschrieben wird, ist allgemein bekannt. Aber welche Rolle – jenseits von Fensterreden – hat sie in der heutigen Mission der Hochschulen? Und wie differenziert sich dies nach Hochschulformen und/oder im Vergleich zur Politischen Bildung?
  • Die oben genannten Fragen spielen sich alle in größerer Flughöhe ab, aber was bedeuten sie für die Lehre im Kleinen, also auf der Ebene von Modulen und einzelnen Lehrveranstaltungen? Dies kann man normativ (Was sollten die Ziele sein?) oder praktisch beantworten (Wie trage ich zur Verfolgung der Ziele bei?). Dies umfasst auch die häufige Herausforderung, wie ich als Lehrende/r mit teils unklar formulierten Vorgaben in Prüfungsordnungen und Modulhandbüchern umgehe. Denkbar sind auch Beiträge aus institutioneller Perspektive, wie es z.B. ein Institut schaffen kann, seine Lehrenden auf gemeinsame Linien oder Ziele zu verpflichten, ohne in die Freiheit der Lehre einzugreifen.

Wie immer beschäftigen wir uns auch 2020 mit Lehrkonzepten und Erfahrungsberichten aus Lehrveranstaltungen unterschiedlicher Formate. Im Praxisforum möchten wir wieder die Gelegenheit geben, Lehr-Lernformate aus der Hochschullehre zu präsentieren, aber auch Ideen für solche Formate zur Diskussion zu stellen. Dabei geht es uns nicht nur um Lehrinnovationen, sondern auch um neue Perspektiven auf bewährte Themen, Formate und Probleme.

 

Einreichung von Beiträgen

Interessierte senden bis einschließlich 15.11.2019 einen Abstract (max. 500 Wörter) an lambach@normativeorders.net. Bitte geben Sie an, in welchem Format (Vortrag, Diskussion, Workshop, Roundtable, Poster o.ä.) Sie Ihren Teil im Rahmen der Tagung gestalten möchten und fügen Sie einige biografische Angaben (max. 200 Wörter) bei.

Nach Auswahl der Beiträge werden wir Sie bis zum 2.12.2019 über das finale Programm und den genauen Tagungsort informieren. Der Arbeitskreis ist leider nicht in der Lage, Reise- oder Übernachtungskosten zu übernehmen.

Bericht vom Workshop „Lehrbücher der Zukunft“ (Frankfurt, 9.9.2019)

Wir hatten bei unserem gestrigen Workshop sehr interessante und (zumindest für mich) erhellende Diskussionen über den Sinn, den Zweck und die Zukunft des Lehrbuchs in der Hochschullehre. Ich habe die Beiträge und Gedanken als Twitter-Thread dokumentiert:

Der ausführliche Workshopbericht befindet sich wie immer auf unserer Webseite – oder gleich hier: Am 9. September fand am Cluster Normative Ordnungen der Goethe-Universität Frankfurt am Main ein Workshop des AK Hochschullehre zum Thema „Lehrbücher der Zukunft“  statt. Ziel des Workshops war, im Dialog von Verlagen, AutorInnen und Lehrenden zu diskutieren, welche Funktion(en) das Lehrbuch angesichts sich wandelnder Rahmenbedingungen für die Lehre künftig haben kann und soll.

Lasse Cronqvist (Universität Trier) leitete in das Workshopthema ein. Er führte aus, dass sich das Lehrbuch den tradierten Reputationszuschreibungen für wissenschaftliche Karrieren nicht entziehen können. Gleichzeitig kann man das Lehrbuch als didaktisches Instrument nicht losgelöst von größeren Veränderungsprozessen im Kontext der Hochschullehre betrachten – konkret gesagt: Wie können Lehrbücher in zunehmend digitalisierte Lehrzusammenhänge eingebettet werden? Welche Rolle spielt das Lehrbuch für Verlage und Lehrende heute und in Zukunft?

In einer ersten Impulsrunde gaben Autoren und VerlagsvertreterInnen kurze Statements ab, die in die Diskussion einführten. Von Autorenseite schilderten Björn Egner und Markus Lederer (beide TU Darmstadt) ihre Perspektiven von wissenschaftlicher Seite. Sie beschäftigten sich u.a. mit der Frage, warum Lehrende überhaupt Lehrbücher schreiben und wie deren Wirkung auf die Karriere eingeschätzt wird. Von Verlagsseite diskutierten Tessa Debus (Wochenschau Verlag), Jan Treibel (Springer VS) und Alexander Hutzel (Nomos Verlagsgesellschaft), welchen Stellenwert Lehrbücher für ihre Verlage weiterhin haben und wie sie das Verlagsangebot angesichts neuer digitaler Möglichkeiten und Einsatzszenarien weiterentwickeln wollen.

Im Anschluss stellten Alexander Hutzel und Jan Treibel die Zukunftsvisionen ihrer Verlage für das Lehrbuchgeschäft vor. Sie stellten didaktische Anforderungen an Lehrbücher vor, grenzten Lehr- von Handbüchern ab und schilderten klare Vorstellungen darüber, wie die Zielgruppe(n) ihrer Lehrbuchreihen aussehen. Dabei hoben sie hervor, dass sich die Lese- und Studiergewohnheiten der Studierenden verändern – die Nutzung von Online-Angeboten steigt deutlich an und Studierende fragen zunehmend Videos und Audio zur Flankierung von Texten an. Gleichzeitig werde es schwieriger, passende AutorInnen zum Verfassen von Lehrbüchern zu animieren.

Der nächste Programmteil bestand aus der Vorstellung von drei aktuellen Lehrbuchprojekten. Als erstes stellte Ralf J. Leiteritz (Universidad del Rosario) einen Einführungsband in die Internationale Politische Ökonomie für seine kolumbianischen Studierenden vor. Danach präsentierte Markus Lederer seine Überlegungen für eine Einführung in die globale Umweltpolitik, wo der Lehrbuchmarkt bislang noch ziemlich leer ist. Zum Abschluss stellte Daniel Mertens (Universität Frankfurt) ein geplantes Buch zu globalen Finanzmärkten vor. Damit soll eine Lücke geschlossen werden, in der es bisher keine sozialwissenschaftlichen Einführungen gibt, diese aber von Studierenden stark nachgefragt werden.

In der Abschlussdiskussion wurde u.a. besprochen, was wir eigentlich über den Bedarf an bzw. den Umgang mit Lehrbüchern wissen. Hier wird noch die Perspektive der Studierenden und der Lehr-Lern-Forschung benötigt, um das sich verändernde Studierverhalten zu verstehen. Ferner wurde thematisiert, dass Lehrbücher eine wichtige Orientierungsfunktion haben, insbesondere für StudienanfängerInnen, die oft noch ein sehr monistisches Verständnis von Wahrheit haben. Nicht zuletzt besteht noch mehr Bedarf daran, den Lehrenden die Verwendung von Lehrbüchern zu vermitteln – es gibt verschiedene Möglichkeiten und Ansätze sie sinnvoll in die Lehre einzubringen.

Im Anschluss an die Tagung haben Tessa Debus und Daniel Lambach ein kurzes Interview zu den zentralen Erkenntnissen des Workshops aufgenommen. Einen Mitschnitt gibt es auf der Webseite des Wochenschau-Verlags.

Rezension der Kleinen Reihe in der Swiss Political Science Review

Rebecca Welge hat eine Sammelrezension der Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik verfasst, die jetzt als Early View bei der Swiss Political Science Review erschienen ist. Wir freuen uns über die konstruktive Kritik, insbesondere über die folgende Einschätzung:

Die Handreichungen sind auch für diejenigen empfehlenswert, die bereits über eine
grosse Lehrerfahrung und breite Lehrkompetenz verfügen und auf der Suche nach neuen
Anregungen für die Gestaltung einzelner Sitzungen oder Seminarabläufe sind. Gerade
beispielhaft formulierte Aufgabenstellungen und vorbereitete Checklisten sind in der Praxis
hilfreich. Die Bände sparen ausserdem Zeit, wenn sie Debatten aufbereiten und zentrale
Erkenntnisse für die hochschuldidaktische Lehre zusammenfassen.

Interesse bekommen? Hier finden Sie weitere Informationen inklusive Leseproben und Bestellmöglichkeiten. Wenn Sie bereits LeserIn sind, empfehlen Sie die Kleine Reihe weiter – an Kolleginnen und Kollegen (ob Nachwuchs oder Erfahrene) und vor allem an Bibliotheken.

Über die Schizophrenie des Lehrens Politischer Theorie

Dieser Beitrag von Frederik Metje und Simon Rettenmaier ist Teil der Blogserie “Hochschullehre in der Politischen Theorie und Ideengeschichte”.

Politische Theorie zu lehren (und zu lernen) ist eine schizophrene Angelegenheit, so lautet die These eines Vortrags, den wir im Rahmen des Workshops Hochschullehre in der Politischen Theorie und Ideengeschichte im Mai 2019 an der Universität Hamburg hielten. Im Vortrag bemühten wir uns, die lehr- und lernbezogenen Selbstreflexionen aus dem Universitätsalltag der Kasseler Philosophie und Politikwissenschaft analytisch aufzuspannen um herauszuarbeiten, ob und inwiefern sich die Lehre Politischer Theorie von der Lehre anderer Disziplinen (tatsächlich) unterscheidet. Was ist also das Charakteristische der Lehre Politischer Theorie?

Nicht selten erscheinen die Gedanken von Aristoteles über Hobbes, Marx bis Arendt im Studium höchst abstrakt, und nicht nur, weil deren komplexe Texte in Einführungen auf wenige Seiten heruntergebrochen sind. Während es die Sozialwissenschaften, in einem methodological turn begriffen, nach der empirischen Relevanz verlangt, suchen BA- wie Lehramtsstudierende oftmals im Theoretischen der Politischen Theorie einen praktischen Nutzen. Politische Theorie scheint damit zunächst recht fern des studentischen Lebensalltags zu sein, das Politische – vor allem der politische Streit – an ihr ist es jedoch nicht. Leidenschaftliche Debatten und alltagspolitische Bezüge scheinen Eckpfeiler für eine beflügelte Auseinandersetzung über politische Fragen zu sein. Dieses schizophrene Verhältnis zwischen Lebensnähe und -ferne ließe sich ebenso optimistisch – als gegenseitige Befruchtung von Politischem und Theorie – wie pessimistisch lesen.

Vor diesem Hintergrund zielte unser Beitrag darauf, drei Spannungsfelder zu eruieren, die ein bundesdeutsches Lehren Politischer Theorie mitprägen. Diese Spannungsfelder können nur dann angemessen adressiert werden, wenn wir die Schizophrenie der Lehre Politischer Theorie aufgreifen. Basierend auf unserer mehrjährigen Lehrerfahrung dienen uns andere sozialwissenschaftliche Teildisziplinen sowie die akademische Philosophie als Kontrastfolien.

  1. Kanon VS Pluralismus: Welchen Bildungsanspruch verfolgt Politische Theorie? In der Bundesrepublik als Teil der Demokratiewissenschaft etabliert, hat sie einerseits den Anspruch die Funktionslogik von Demokratie ideell zu unterfüttern. Themen wie Gewaltenteilung, Föderalismus oder bürokratischer Verwaltungsapparat verweisen damit auf das politische System der BRD und bilden einen politiktheoretischen Kanon, der aufgrund seiner stabilisierenden Funktion potentiell destabilisierende Fragen um Race, Class und Gender oder aktuelle Debatten auslässt. Vermag andererseits ein Überblick, der die Pluralität und Unterschiedlichkeit der Ansätze betont, gegenüber einem legitimatorischen Kanon auf die Breite gesellschaftspolitischer Phänomene sowie theorieinterner Kontroversen vorzubereiten? Statt einem historisch-vertikalen also ein pluralistisch-horizontaler Kanon?
  2. Mündigkeit VS kritisches Bewusstsein: Was in Pädagogiken und Didaktiken eine hinlängliche Debatte ist, scheint in Politischer Theorie zunächst nicht relevant. Was ist das Ziel der Lehre Politischer Theorie? Geht es um die bloße Reproduktion der Lehrmeinung (und gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse), die Hinführung zur forschungspraktischen Modellbildung oder um eine kritische/skeptische Haltung mit Blick auf Wahrheiten und Wirklichkeiten, wie sie bspw. in der akademischen Philosophie zu lehren versucht wird? Mit anderen Worten: Soll der Lernende der Politischen Theorie den Status quo erhalten oder dazu in der Lage sein, diesen (auch) zu hinterfragen? Oder mit Rancière gesprochen: Handelt es sich um eine Politische Theorie der Polizei oder eine der Politik?
  3. Lehrmeinung VS Rezipient*innenorientierung: Was muss man über Politische Theorie wissen? Eine Antwort liefert oft eine Entscheidung von Lehrenden, die alles andere als unwissende Lehrmeister*innen sind. Zumeist lehren sie das, was ihrer Überzeugung, ihrer Forschung, ihrer Lehrmeinung, ihrem Gusto etc. entspricht. Junge Studierende, denen das Feld Politischer Theorien jedoch noch gänzlich unbekannt ist, erfahren hierbei eine politiktheoretische Grundbildung, deren immanent wissenschaftspolitischen Charakter sie kaum kennen können. Aber kann man die Lehre Politischer Theorie auch von den Rezipient*innen aus denken? Sollte die Lehre vielleicht zum Ziel haben, die Politische Theorie aus einem Praxisverständnis heraus zu erschließen? (Und wäre das, wie wir gesehen haben, eine Politische Theorie die das Politische ernst nimmt?)

Die Frage nach dem Charakteristischen der Lehre Politischer Theorie ist eine politische. Entlang der drei Spannungsfelder wird ersichtlich, wie sich stets spezifische Lehrformate durchsetzen, ohne, dass diese den Kern der Lehre zu erfassen im Stande sind. Womöglich liegt aber genau in diesem Zerwürfnis eine vage Antwort: Ist es nicht gerade die Politische Theorie, die die Lehre zum Politikum werden lassen kann? Vielleicht indem sie Theorie auf eine Weise lehrt, die das Politische auf den Plan ruft und es zugleich (be)greifbar werden lässt?

Die Frage nach dem Charakteristischen der Lehre Politischer Theorie ist eine politische. Entlang der drei Spannungsfelder wird ersichtlich, wie sich stets spezifische Lehrformate durchsetzen, ohne, dass diese den Kern der Lehre zu erfassen im Stande sind. Womöglich liegt aber genau in diesem Zerwürfnis eine vage Antwort: Ist es nicht gerade die Politische Theorie, die die Lehre zum Politikum werden lassen kann? Vielleicht indem sie Theorie auf eine Weise lehrt, die das Politische auf den Plan ruft und es zugleich (be)greifbar werden lässt?