Schlagwort-Archive: OER

Bericht von der Vierten Jahrestagung politikwissenschaftliche Hochschullehre (Münster, 25.-26.2.2019)

Die Vierte Jahrestagung des AK Hochschullehre lief unter der Überschrift „Vielfalt und Weitblick in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre“. Am 25. und 26. Februar 2019 trafen sich knapp 40 WissenschaftlerInnen am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

 

E-Learning

Nach einer Begrüßung durch den Organisator Matthias Freise (Münster) ging es im ersten Panel um Praxisbeispiele aus dem Bereich E-Learning. Im ersten Vortrag präsentierten Witold Mucha und Christina Pesch (Düsseldorf) ihre Pläne zum Aufbau einer Plattform für gemeinfreie Bildungsressourcen (Open Educational Resources, OER) zur standortübergreifenden Lehrkooperation. Diese Plattform soll als themenübergreifendes Didaktik-Portal eine Art „Handbuch“ für blended learning und cross-site teaching bieten, eine offene Materialsammlung darstellen und als Plattform zur Diskussion und Netzwerkbildung dienen. Im Anschluss stellte Tobias Denskus (Malmö) das seit 20 Jahren laufende Online-Master-Programm „Communication for Development“ vor. Dabei betonte er den Vorbereitungs- und Administrationsaufwand, der mit reinen Online-Angeboten einhergeht und hob die Notwendigkeit einer technischen Unterstützung für Lehrende hervor. Außerdem prägte er den Begriff einer synchronen Vorlesung als „didaktischem Lagerfeuer“, um das sich die räumlich getrennten Studierenden in regelmäßigen Abständen symbolisch versammeln können.

In der Diskussion wurden verschiedene Probleme und Grenzen des E-Learning herausgearbeitet. Neben dem bereits erwähnten Aufwand gibt es auch institutionelle Bremskräfte, die einer breiteren Nutzung von digitaler Lehre entgegenstehen. Dabei entwickelt sich derzeit ein Standard, der digitale Elemente als Begleitung synchronen, gemeinsamen Lernens – ob physisch oder virtuell – versteht. Ohne diese „Lagerfeuer“ fehlt es gerade für schwächere Studierende an Bindewirkung und die Risiken eines Abbruchs erhöhen sich. Ferner wurden die geringe Nutzung und das geringe Angebot von OER in der Politikwissenschaft hervorgehoben, die auf rechtliche Hürden, fehlende Vorbilder und erneut das Kostenargument zurückgeführt wurden.

 

Methodenlehre

Das zweite Panel begann mit einem Vortrag von Markus Tausendpfund und Christian Cleve (Fernuni Hagen), die ihre offene Lernplattform für Mathematik in den Sozialwissenschaften vorstellten. Diese Plattform bietet Auffrischungskurse für schulmathematische Kompetenzen, die für das Studium der Politikwissenschaft notwendig sind, nämlich grundlegende Rechenoperationen, Bruch-, Dezimal- und Prozentrechnung sowie univariate Datenanalyse. Die Lernplattform (zugänglich über www.offene.fernuni-hagen.de) steht auch Nichtstudierenden der Fernuni Hagen zur Verfügung. Anschließend stellten Holger Döring (Bremen) und Philip Hocks (Münster) ein Papier mit dem Titel „Vom Analysieren zum Generieren: Datenwissenschaft in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre“ vor. Sie argumentieren, dass die sozialwissenschaftliche Methodenlehre einen gefestigten Kern habe, der aber bislang kaum auf zwei große Trends eingeht: erstens die Ubiquität von Daten und zweitens eine Vielzahl neuer Lehrmaterialien und Lehrmittel in den Datenwissenschaften. Zur Überarbeitung der Methodenlehre plädieren sie für eine projektförmige Gestaltung, die Methode und Inhalt zusammenbringt und Synergien zwischen verschiedenen online-Selbstlernangeboten und universitären Curricula nutzt.

In der Diskussion wurde kritisch erforscht, inwiefern man sich dadurch von externen Anbietern und einer wirtschaftlichen Verwertungslogik abhängig machte. Auch die Einstiegshürden in der Methodenausbildung durch die zunehmend verbreitete Nutzung von R und anderen Programmen wurden thematisiert. Gleichzeitig wurde der Nutzen von online-Angeboten zur Schließung von Fähigkeitenlücken betont. Auch unterstützten mehrere Beiträge die Idee eines Co-Teaching zwischen MethodikerInnen und Fachgebieten.

 

Open Space: Die Lehrkulturen der Politikwissenschaft

In einem Open Space unter dem Namen „Wer sind wir und wenn ja wie viele?“ rief Daniel Lambach (Frankfurt) zu einer Erforschung auf, welche Lehrkulturen es innerhalb des Fachs Politikwissenschaft gibt. In einem ersten Schritt wurden deshalb Arbeitsgruppen gebildet, die verschiedene Teilbereiche und Querschnittsthemen unter den TeilnehmerInnen repräsentierten. Diese AGs diskutierten, was die Lehre in ihrem Themengebiet ausmacht. In einer zweiten Phase wurden die Ergebnisse der AGs vorgestellt und in eine Debatte über deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten eingespeist. Dabei zeigten sich bestimmte subdisziplinäre Unterschiede in der Lehre, z.B. der unterschiedliche Stellenwert von Theorie. Teils traten aber auch deutliche Unterschiede innerhalb von Teildisziplinen auf. Zudem haben Institutsstandorte unterschiedliche, historisch bedingte Traditionen, die auch zur Herausbildung von Lehrprofilen beitragen (können). Es wurde angeregt, systematischer darüber nachzudenken, in welchen Bereichen sich die verschiedenen Teilgebiete der Politikwissenschaft zuarbeiten. Dieses Nachdenken geschieht zumeist nur in Bezug auf Methoden, aber derartige Schnittstellen gibt es auch zwischen anderen Gebieten.

 

Podiumsdiskussion: Wie wollen wir lehren?

Der Höhepunkt des ersten Tages war eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Wie wollen wir lehren? Herausforderungen und Zukunft politikwissenschaftlicher Lehre“. Moderiert von Julia Reuschenbach (Bonn) diskutierten Armin Schäfer, Andrea Szukala (beide Münster), Ray Hebestreit und Marcus Lamprecht (beide Duisburg-Essen) darüber, welche Rolle die Hochschullehre in der Politikwissenschaft einnimmt und welche Herausforderungen sie für die Zukunft der Lehre sehen. Andrea Szukala hob hervor, dass Lehre Teil des Vermittlungs- und Abgrenzungsprozesses zwischen und über Disziplinen sei und so zur Charakterisierung des Fachs beitrage. Ray Hebestreit sah die politikwissenschaftliche Hochschullehre in der Verantwortung, Studierende zu aufgeklärten BürgerInnen zu machen. Marcus Lamprecht, Vorstandsmitglied des freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften (fzs), mahnte, dass Studierende nicht nur Rezipienten von Lehre sein wollen, sondern auch in deren Gestaltung einbezogen werden wollen. Armin Schäfer, der neue DVPW-Vorsitzende, betonte den zu geringen Stellenwert der Lehre und verwies auf fehlende Anreizsysteme in der Karriereentwicklung und Hochschulsteuerung.

In der Diskussion zwischen Podium und Publikum schälten sich einige zentrale Themen heraus. Mehrere TeilnehmerInnen argumentierten, dass WissenschaftlerInnen durch Lehre eine größere gesellschaftliche Wirkung ausüben als sie es durch ihre Forschung jemals könnten und dass dies nicht ausreichend beachtet würde. Es bestand auch Einigkeit, dass Hochschullehre vielerorts unter ungünstigen strukturellen Rahmenbedingungen stattfindet. Dazu gehören prekäre Beschäftigungsverhältnisse, zu hohe Lehrdeputate, zu viele Prüfungen und schlechte Betreuungsrelationen. Gute Lehre wird unter diesen Umständen erschwert. Dennoch ist es auch innerhalb dieses Systems möglich, Anreize für gute Lehre zu setzen. Allerdings bestand keine Einigkeit darüber, inwieweit dies in bestehenden Prozeduren abgebildet werden kann. Gleichwohl hat die DVPW hier auch eine Rolle zu spielen – sie bietet ein Forum, in dem solche Diskussion geführt werden können. Armin Schäfer hob dabei hervor, dass der Arbeitskreis Hochschullehre schon zu einer Profilierung des Themas Lehre in der Vereinigung geführt habe.

 

Quo Vadis, Hochschullehre?

Der erste Tag wurde mit einer Keynote von Ulrich Hamenstädt (Münster) unter dem Titel „Quo Vadis? Perspektiven und Herausforderungen politikwissenschaftlicher Hochschullehre“ abgeschlossen. Darin argumentierte Ulrich Hamenstädt, dass die politikwissenschaftliche Lehre innerhalb des Fachs zunehmend sichtbar werde. Im Kontext dieser Entwicklung stehe sie aber vor einigen Herausforderungen, denen sie begegnen müsse, welche Hamenstädt in einer Reihe von Thesen zusammenfasste. Erstens habe die politikwissenschaftliche Didaktik keine Theorie. Zweitens mache es die Logik des wissenschaftlichen Betriebs schwer, exzellente Lehre anzubieten. Drittens böten hochschuldidaktische Zentren an vielen Universitäten gute Dienstleistungen an, würden aber Lehre und Didaktik aus ihren fachlichen Kontexten herausholen. Viertens gebe es im Bereich des digitalen Lehrens zwar viel Dynamik aber zu viele Insellösungen.

 

Interdisziplinäre und Praxisorientierte Lehrprojekte

Der zweite Tag war dem Konferenzthema „Vielfalt und Weitblick“ gewidmet. Im ersten Panel ging es dabei um Lehre in interdisziplinären und praxisorientierten Kontexten. Henrique Otten (FHÖV Münster) berichtete von seinen Erfahrungen aus einem berufsbegleitenden Masterstudium für angehende Führungskräfte aus der öffentlichen Verwaltung. Am Beispiel von regionalen Bildungsnetzwerken machte er deutlich, wie komplex „Praxisorientierung“ ist, wenn die Praxis selbst komplex gestaltet ist. Anschließend berichtete Bernhard Stahl (Passau) über ein interdisziplinäres Lehrinnovationsprojekt unter Beteiligung von Politikwissenschaft und Journalistik. In einem zweisemestrigen Prozess erarbeiten darin Studierende eigene Forschungsarbeiten, die einen wissenschaftlichen Publikationsprozess inklusive einer simulierten Konferenz durchlaufen. Er hob die Herausforderungen hervor, die sich durch unterschiedliche disziplinäre Kulturen ergaben, beispielsweise was den Stellenwert von Theorie anging.

In der Diskussion wurde deutlich, dass es in der Politikwissenschaft eine mehr oder weniger implizite Geringschätzung praxisorientierter Lehre gibt. Praxisbezogene Lehre gilt als Lehre zweiter Klasse, auch wenn das nur selten offen artikuliert wird; forschungsbezogene Lehre gilt dagegen als die Königsdisziplin. Dahinter verbergen sich auch Annahmen darüber, was ein angemessenes Ziel eines Hochschulstudiums ist. Vergleichbare Debatten über Berufs- und/oder Forschungsorientierung werden oft entlang ähnlicher Linien geführt.

 

Workshop Hochschuldidaktik und politikwissenschaftliche Hochschullehre

Im Anschluss moderierte Cornelia Kenneweg (Leipzig) einen Workshop zu Kontaktzonen und Kooperationsformen zwischen Hochschuldidaktik und politikwissenschaftlicher Hochschullehre. Dieser sollte den Graben erforschen, der zwischen Hochschuldidaktik und Fachlehre besteht: die Didaktik weiß nicht, wie die Lehrpraxis in den Fächern aussieht, braucht das aber zur Weiterentwicklung ihrer Konzepte. Die Fachlehrenden finden hochschuldidaktische Konzepte zu abstrakt, haben aber keine Theorien und Methoden hinter ihrer Lehre und Lehr-Lern-Forschung. Positiv gewendet kann man diesen Graben auch als Raum ansehen, in dem sich eine fachbezogene Hochschuldidaktik entwickelt, die von beiden Seiten lernt. Der AK sieht sich in der Aufgabe, die Entwicklung einer solchen fachbezogenen Hochschuldidaktik voranzubringen, wozu wir u.a. die Buchreihe ins Leben gerufen haben. Der Workshop sollte dazu dienen, Möglichkeiten für einen beidseitig produktiven Dialog mit der Hochschuldidaktik zu identifizieren.

Am Ende des Workshops hatten die TeilnehmerInnen eine Reihe von Ergebnissen erarbeitet: Erstens sollte die Hochschuldidaktik ihre Angebote klarer auf fachliche Zielgruppen zuschneiden und die Evidenzbasis didaktischer Methoden transparent machen. Zweitens seien hochschuldidaktische Fortbildungen insbesondere für Nachwuchslehrende hilfreich, fortgeschrittenere Statusgruppen kämen dagegen kaum in Kontakt zur Hochschuldidaktik. Drittens seien entsprechende Kurse mit ihren ganztägigen Formaten oft eher inflexibel – kürzere Formate zu spezifischen Methoden und Mitteln fehlen. Viertens mangelt es Lehrenden an Ideen und Kontakten, um an hochschuldidaktische Anregungen heranzukommen, die jenseits der Zertifikatsprogramme liegen. Fünftens müssen wir im Fach Lehrtraditionen und -standards weitergeben. Es fehlt an einer Kultur des Mentorings in der Lehre, während dies z.B. an Schulen vollkommen alltäglich ist. Sechstens koste gute Hochschuldidaktik Geld und Universitäten müssten bereit sein, für Qualität zu bezahlen.

 

Interkulturelle Lehre

Im letzten Panel wurde Interkulturalität in der Lehre thematisiert. Der erste Vortrag von Henrike Bloemen, Julia Henn und Paul Meiners (alle Münster) befasste sich mit der Wahrnehmung von Interkulturalität durch Lehrende in einem deutsch-französischen Kooperationsstudiengang der Universität Münster und Sciences Po Lille. Das Team berichtete von einem Forschungsprojekt, in dessen Rahmen Fokusgruppendiskussionen mit Fachlehrenden durchgeführt worden waren. Aus der Auswertung der Empirie wurden Handlungsempfehlungen für die Lehrpraxis abgeleitet, die insbesondere die Reflexion der Lehrenden über ihre eigene Rolle und die der Studierenden ins Zentrum rückten. Im zweiten Vortrag stellte Dannica Fleuß (Helmut-Schmidt Universität Hamburg) einen Erfahrungsbericht aus einem Co-Teaching-Projekt in der politischen Theorie an der Universität Dar Es Salaam (Tansania) vor. Dort unterschied sich der Lehr- und Diskussionskontext deutlich von typischen Lehrsituationen in Deutschland, was eine direkte Übersetzung eines Lehrkonzepts verhinderte. Dies erforderte eine Klarstellung ihrer Rolle als Lehrende sowie der „Spielregeln“ des Lehrsettings, die für die Moderation normativer Diskussion besonders wichtig sind.

Die Diskussion befasste sich vor allem mit der Übertragung der Eindrücke aus Münster/Lille sowie Dar Es Salaam auf andere Kontexte. Dabei kam auch zur Sprache, wie Wissensproduktion und Lehre im Nord-Süd-Gefälle im Lichte postkolonialer Ansätze stattfinden kann. Nicht zuletzt wurde auch darüber gesprochen, welche Chancen die Lehre in binationalen Studiengängen auch für die Lehrenden bietet.

 

Abschlussdiskussion und Mitgliederversammlung

Die abschließende Mitgliederversammlung wurde moderiert von Lasse Cronqvist (Trier). Er berichtete, dass Mitgliederversammlungen künftig im Rahmen der Jahrestagungen stattfinden werden, da während der DVPW-Kongresse die Beteiligung zu gering sei. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit, den Amtszeitenturnus des SprecherInnenteams anzupassen. Im Anschluss wurde die Wahlordnung des Arbeitskreises einstimmig verabschiedet. Abschließend wurden die Tagungseindrücke reflektiert, Themen für künftige Veranstaltungen identifiziert und neue Initiativen des Arbeitskreises angestoßen.

 

Vierte Jahrestagung politikwissenschaftliche Hochschullehre – eine persönliche Nachlese

Gestern ging die vierte Jahrestagung politikwissenschaftliche Hochschullehre in Münster zuende. Ein richtiger Tagungsbericht folgt noch, aber ich habe aus den Diskussionen acht Punkte mitgenommen, die ich besonders interessant fand. Ich habe diese als Twitter-Thread gepostet, möchte sie hier aber nochmal sammeln:

  1.  Es fehlt an einer Praxis des Mentoring in der Lehre. Vorgesetzte sollten ihre MitarbeiterInnen nicht nur in der Forschung sondern auch in Lehre und Beratung coachen. Das kann durch Hospitation und anderes Feedback durch Peers und #hochschuldidaktik ergänzt werden.
  2. Es ist eine weiterhin ungelöste Frage, was PolitikwissenschaftlerInnen nach ihrem Abschluss können sollen. Die Antworten darauf werden sich nach Standorten unterscheiden, aber es findet wenig Verständigung darüber statt.
  3. Bildet sich Teaching & Learning als eigenes Subdisziplin der #Powi heraus? In anderen europäischen Ländern ist das schon weiter fortgeschritten, aber der AK #powilehre hat dazu beigetragen, dass das auch in Deutschland geschieht.
  4. Der Gegensatz E-Learning vs. Präsenzlehre ist passé. Der neue Standard ist digitale Mittel zur Unterstützung, Ergänzung, Flankierung von synchronen Lehrformaten, ob online oder offline. Studierende brauchen solche „Lagerfeuer“, um die sie sich versammeln können.
  5. Praxisorientierte Lehre wird im Fach als zweitrangig gegenüber forschungsorientierter Lehre angesehen. Viele KollegInnen möchten am liebsten ihre künftigen DoktorandInnen heranziehen. Angesichts der Realitäten der universitären Arbeitswelt geht das aber nicht mehr.
  6. Die #Powi nutzt #OER bisher nahezu gar nicht. Dem stehen fachkulturelle Gründe, ein Fehlen fachbezogener Infrastruktur und vielleicht auch die eher „breite“, wenig kumulative Form von Wissensbeständen im Weg.
  7. Die DVPW kann einen Beitrag dazu leisten, die strukturelle „Unter-Würdigung“ der Lehre abzubauen. Wir werden mit dem Vorstand arbeiten, um Diskussionen darüber anzustoßen, wie man Profil und Ansehen der Lehre in der #Powi verbessern kann.
  8. Lehre ist eines der besten Mittel, um als Fach #Powi in die Gesellschaft hinein zu wirken.

Wer den Twitter-Thread im Original sehen möchte, sei hierhin verwiesen:

Was meint Ihr da

Programm der vierten Jahrestagung des AK Hochschullehre (Münster, 25.-26.2.2019)

Rechtzeitig zum Semesterendspurt können wir endlich das Programm der vierten Jahrestagung des AK Hochschullehre veröffentlichen. Wir haben wieder ein sehr vielseitiges Programm mit Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden zu den Themen „Vielfalt und Weitblick in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre“ zusammengestellt. Außerdem gibt es wie immer viele interessante Beiträge aus der Lehrpraxis.

Höhepunkt der Tagung ist eine Podiumsdiskussion mit dem DVPW-Vorsitzenden Prof. Armin Schäfer, Prof. Andrea Szukala (Professorin für Fachdidaktik der Sozialwissenschaften), Dr. Ray Hebestreit (Studiengangskoordinator) und Marcus Lamprecht (Politikstudierender und Vorstandsmitglied im fzs) zum Thema „Wie wollen wir lehren? Herausforderungen und Zukunft politikwissenschaftlicher Lehre“.

Anmeldungen sind bis zum 10. Februar per formloser Email an l_menz01@uni-muenster.de möglich. Alle Informationen finden Sie in unserem Programm (pdf) oder unter https://www.hochschullehre-politik.de/aktivitaeten/veranstaltungen/jahrestagung-2019-muenster/.

Wir freuen uns darauf Sie zahlreich in Münster (wieder) zu sehen und wünschen einen erfolgreichen Abschluss der Vorlesungszeit!

Bericht von der dritten Jahrestagung der Themengruppe Hochschullehre (26.-27. Februar 2018, Hamburg)

Die dritte Jahrestagung der Themengruppe unter dem Titel „Perspektiven und Konzepte aus Theorie und Praxis“ fand am 26.-27. Februar 2018 an der Universität Hamburg statt. Es wurden normative und theoretische Fragen der politikwissenschaftlichen Hochschullehre behandelt, ebenso wie konkrete Lehrszenarien. Hinzu kamen Workshops zu verschiedenen Aspekten der Lehrpraxis.

 

Theorie

Die Tagung begann mit dem Panel „Fragen an Lehren und Lernen“, welches von Mischa Hansel (Aachen) moderiert wurde. Zunächst stellte Petra Stykow (München) ihr Manuskript zum Prüfen und Bewerten in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre vor, das in der Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik erscheinen wird. Nach dem Modell der „Inverted Conference“ hatte sie das Manuskript den Tagungsteilnehmer*innen vorab zugänglich gemacht und bat nun um Feedback für die Überarbeitung des Textes. Die Diskussion behandelte verschiedene Probleme des Prüfens und Bewertens und ging dabei auch teils über den konkreten Text hinaus. Beispielsweise wurde bei mündlichen Prüfungen das Problem benannt, dass man einerseits die Fähigkeit zur strukturierten Antwort und die generelle Ausdrucksfähigkeit mitbewerte, dabei aber diversitysensibel vorgehen muss, um nicht einen bildungsbürgerlichen Habitus zu bevorzugen.

Danach folgte ein Vortrag von Daniel Lambach (Duisburg-Essen) zur Employability in der Friedens- und Konfliktforschung. Er stellte dabei Ergebnisse einer vergleichenden Absolvent*innenstudie vor, an der 2017 sieben Masterstudiengänge in Deutschland und Österreich teilgenommen hatten. Die Ergebnisse zeigen, dass Absolvent*innen dieser Studiengänge i.d.R. eine ausbildungsadäquate Tätigkeit aufnehmen und nur selten von Arbeitslosigkeit betroffen sind, aber oft nur auf befristeten Verträgen arbeiten. In der Diskussion wurden verschiedene methodische Aspekte besprochen, z.B. die Gründe für Non-Response, sowie der Abgleich mit Absolvent*innenstudien anderer Institutionen angeregt. Ferner wurde die Frage aufgeworfen, ob die Ausbildung relativ fachunspezifischer Kompetenzen wie z.B. Organisationskompetenz oder Fähigkeiten im Projektmanagement dem Bildungsauftrag einer Hochschule angemessen seien.

 

Praxis Teil I

Im Panel zu „Distance Learning“, moderiert von Daniel Lambach (Duisburg-Essen), wurden zwei Beiträge zu kooperativen E-Learning-Formaten vorgestellt, die aus demselben Projekt hervorgegangen sind. Zunächst präsentierten Patricia Konrad (Hamburg) und Alexander Kobusch (Tübingen) ein standortübergreifendes Ringseminar, das nach dem Modell des „Cross-Site Teaching“ von acht politikwissenschaftlichen Instituten gemeinsam angeboten wurde. Dabei stellten sie vor, wie man Studierende in diesem Format aktivieren und zur standortübergreifenden Kollaboration bewegen kann, und zeigten die kontinuierliche Weiterentwicklung des Formats. Im Anschluss stellten Witold Mucha und Christina Pesch (beide Düsseldorf), die ebenfalls am Ringseminar mitgewirkt hatten, ihre Adaption des Konzepts für eine internationale Kooperation der Universität Düsseldorf mit Partnern in Südafrika und den Niederlanden zur Diskussion. Ihr Ziel ist es, die Inhalte der Veranstaltung sowie die von den Studierenden produzierten Materialien als Open Educational Resources (OER) zu veröffentlichen.

Die Diskussion drehte sich zunächst um ganz praktische Fragen, d.h. um die technischen Voraussetzungen sowie die für das internationale Projekt notwendigen Englischkenntnisse der Studierenden. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Frage, wie man Studierende zur Zusammenarbeit motivieren könne, zumal es an den beteiligten Standorten teils unterschiedliche Leistungserwartungen gab. Außerdem wurde die Besonderheit des Formats herausgestellt, das sich hochaktuellen politischen Fragen widmet, sich eher an fortgeschrittene Studierende richtet und keinen Kernbereich des Curriculums abdeckt. Insofern gab es Fragen, welche Aspekte davon auch für grundständige Lehre adaptiert werden können.

 

Methoden

Im nächsten Panel folgten zwei Beiträge, die sich mit der Vermittlung von Forschungs- und Methodenkompetenz befassten. Zunächst fragte Carola Klöck (Göttingen): „Forschen unterrichten ohne Forschung: (wie) geht das?“. Anhand des Beispiels einer Veranstaltung, in der Studierende die Entwicklung von Forschungsdesigns lernen sollten, berichtete sie von den Herausforderungen, die aus der relativ großen Studierendengruppe und den vielfältigen Zielen des Konzepts entstanden, und suchte nach Ratschlägen zur Überarbeitung des Lehrkonzepts. In der Diskussion wurde der stärkere Einsatz von Peer Feedback angeregt und empfohlen, Studierende einen fertigen Projektantrag kritisieren zu lassen, um ihnen dadurch das Format näherzubringen. Allgemein wurde problematisiert, wie viel Anleitung Studierende beim forschenden Lernen brauchen/wollen.

Danach befassten sich Jasmin Haunschild und Anja Jakobi (beide Braunschweig) mit den Implikationen von Big Data für die Politikwissenschaft im Allgemeinen und die Methodenlehre im Speziellen. Sie hoben hervor, dass sich durch die neue Qualität und Quantität von Datenverfügbarkeit neue Forschungsfelder und –praktiken herausbilden, die unter Namen wie „Data Science“ oder „Computational Social Science“ firmieren. Ersteres wird zumeist als technisches Feld verstanden, in das keine sozialwissenschaftlichen Ausbildungsinhalte einfließen, während letzteres als genuin sozialwissenschaftliches Feld verstanden wird. Einige Institute mit Expertise in quantitativen Methoden haben angefangen, ihre Methodenausbildung um einschlägige Themen zu ergänzen; an der Hochschule für Politik der TU München wurde ein entsprechender Studiengang eingerichtet. Die Diskussion drehte sich einerseits um Fragen, welches Verhältnis Politikwissenschaft zu Daten hat, andererseits um strategische Fragen, wie sich die Disziplin angesichts der Herausbildung neuer Forschungsfelder positionieren sollte. Für die Lehre wurde insbesondere die Kooperation mit technischen ExpertInnen als Möglichkeit hervorgehoben.

 

Workshops Teil I

Im Anschluss ging die Tagung in zwei parallele Kurzworkshops über. Judith Gurr und Caroline Kärger (beide Lüneburg) boten einen Methodenbasar an, in dem sie in 60 Minuten drei Methoden vorstellten, um auch in großen Veranstaltungen die TeilnehmerInnen zu aktivieren: das aktive Plenum, die stille Debatte sowie die Nutzung von Abstimmungssystemen im Rahmen von Peer Instruction.

Lasse Cronqvist (Trier) leitete eine Diskussion darüber, ob das inzwischen weit verbreitete Instrument der standardisierten Lehrevaluation für eine Reflexion zur Verbesserung der Lehrqualität geeignet ist. Dabei wurde die Validität der Evaluationsergebnisse sowie deren Funktion als Steuerungsinstrument im Hochschulsystem kritisch diskutiert, aber auch Möglichkeiten identifiziert, wie – ggf. in Kombination mit anderen qualitativen Feedbackmechanismen – dennoch ein Nutzen aus Evaluationen gezogen werden kann.

 

Normativität

Zum Abschluss des ersten Tages fand das Panel zu Normativität in der Hochschullehre statt. Zum Einstieg wies Dannica Fleuß (HSU Hamburg) darauf hin, dass man hier die Lehre über Normativität von der Normativität in der Lehre unterscheiden müsse, auch wenn dies in der Praxis natürlich zusammenfallen kann. Sie stellte eine Seminarkonzeption vor, wie in der Lehre der politischen Theorie die Reflexion über menschenrechtliche Normen mit praktischen Implikationen anhand von konkreten Beispielen verbunden werden kann. Damit möchte sie die normative Urteilsfähigkeit ihre Studierenden stärken, indem sie sie u.a. zum theoretischen Perspektivwechsel verpflichtet. In ihrem Vortrag stellte sie auch die Spezifika der Studierenden an der HSU heraus, die als Soldaten*innen oft ein stark persönliches Interesse etwa an den Dilemmata ‚humanitärer Interventionen‘ hätten.

Anschließend hielt Julian Eckl (Hamburg) fest, dass Lehre nicht werturteilsfrei sein kann. Bereits die klassischen Lerntheorien Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus beinhalteten bestimmte Menschenbilder sowie normative Setzungen darüber, welche Rollen Lehrende und Lernende einzunehmen hätten. Durch die Entscheidung für eine Lerntheorie nehmen Lehrende also eine normative Position ein – vor jeglicher inhaltlicher Diskussion, in der dies ebenfalls unvermeidlich sei. Weiterhin sah er einen Anlass zur erneuten Beschäftigung mit den normativen Grundlagen von Lehre angesichts verbreiteter Krisendiskurse der Demokratie. Wenn gesellschaftliche Konsenslinien neu verhandelt oder überschritten werden, sei dies auch Anlass zu einer neuen Selbstvergewisserung über ansozialisierte Normen, worüber wie in welchen Kontexten diskutiert werden kann. Die Konfrontation mit Studierenden, die extreme Positionen in Lehrveranstaltungen vertreten, führe zwar zu schwierigen Situationen und Rollenkonflikten, sorge aber auch dafür, dass gesellschaftliche Polarisierungen und Radikalisierungen nicht ignoriert werden könnten.

In der Diskussion wurden theoretische wie praktische Fragen aufgeworfen. Auf theoretischer Ebene wurde darauf hingewiesen, dass die Lerntheorien sehr unterschiedliche Empfehlungen geben, wie mit deviantem Studierendenverhalten umzugehen sei. In praktischer Hinsicht wurde empfohlen, dass Lehrende ihre theoretischen/ontologischen Positionen transparent machen sollten. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass Studierendengruppen zumeist gut mit unterschiedlichen Meinungen umgehen könnten, man aber auch deren Fähigkeit zum Umgang mit Pluralismus nicht fraglos voraussetzen darf. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage aufgeworfen, wie heterogen –hinsichtlich Bildungshintergrund und politischen Einstellungen – Studierendengruppen tatsächlich sind.

 

Workshops Teil II

Der zweite Konferenztag begann mit einem zweiten Paar Workshops. Im ersten bot Matthias Freise fünf Wege an, wie man mit dem Problem umgehen kann, dass Studierende die Seminartexte nicht gelesen haben, und diskutierte mit den TeilnehmerInnen eigene Erfahrungen und Strategien. Zu den Methoden der Stärkung von Lese-Compliance zählten u.a. Power-Point-Karaoke und Textpuzzles. Der zweite Workshop von Caroline Kärger und Judith Gurr fragte, wie, wann, mit wem und wie oft eigentlich ein Dialog über die Lehre stattfindet. In der Diskussion ergaben sich hier zwei Problemlagen: zum einen dass geklärt werden muss wozu ein Dialog dient und wie man ihn für Stakeholder interessant macht, zum anderen dass inhaltlicher Dialog heute oft von Prozessen des Qualitätsmanagements überlagert wird, die für Lehrende wenig attraktiv sind.

 

Praxis Teil II

Im letzten Panel, erneut moderiert von Mischa Hansel, ging es um Demokratieforschung und Demokratiekompetenz. Der erste Beitrag kam von Volker Best (Bonn), der sein Seminarkonzept eines Planspiels in der Regierungslehre vorstellte. Er hatte in Seminaren vor der Bundestagswahl 2017 sowie während der laufenden Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition Studierende zu ParteivertreterInnen gemacht und sie die Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen simulieren lassen, was sie mit großem Engagement taten. Das Feedback der Studierenden war insgesamt sehr positiv und hob den interaktiven Charakter des Seminars sowie dessen Anwendungsbezug hervor.

Im zweiten Vortrag stellte Christoph Klika, Toralf Stark und Susanne Pickel (Duisburg-Essen) ein noch laufendes Projekt zur Entwicklung eines Planspiels vor, das sich mit dem Effekt autoritärer politischer Kultur auf die Stabilität einer Demokratie befassen wird. In der ersten Phase entwickeln sie das Planspiel und die Spielmaterialien gemeinsam mit Lehramtsstudierenden. Nach dessen Fertigstellung möchten sie es in der Aus- und Weiterbildung von LehrerInnen einsetzen, da diese eine besondere Rolle als MultiplikatorInnen für demokratische Kompetenzen und Einstellungen ihrer SchülerInnen haben.

In der Diskussion ging es vor allem um Fragen des Planspieldesigns. Insbesondere wurde darüber diskutiert, inwieweit die Spielleitung den Ausgang eines Spiels (oder einer Zwischenphase) vorbestimmen kann, um damit bestimmte inhaltliche Punkte zu unterstreichen. Demgegenüber wurde argumentiert, dass dies von TeilnehmerInnen negativ bewertet würde und man auch subtil, z.B. durch Eingriffe von „Externen“ den Verlauf eines Spiels beeinflussen könne. Ferner wurde hervorgehoben, dass es für die Erstellung von Spielmaterialien, konkret zur Formulierung von Rollenprofilen, noch nicht viel handlungsleitenden Rat gebe.

 

Abschluss

In der Abschlussrunde baten Daniel Lambach und Mischa Hansel die TeilnehmerInnen um ihr Fazit zur Tagung sowie um die Identifikation latenter oder künftiger Themen, mit denen sich die Themengruppe beschäftigen sollte. Zu diesen gehörten:

  • Welche Erwartungen können/sollen wir an Studierende haben? Stimmt die verbreitete Klage, dass es immer mehr Studierenden an fundamentalen Kompetenzen fehle, oder muss man eher von einer Änderung von deren Kompetenzprofil sprechen? Was wissen wir überhaupt über unsere Studierenden?
  • Wie können wir die Selbstverantwortung der Studierenden stärken? Kann eine umfangreiche Didaktisierung des Lernprozesses Studierende unselbständig machen? Was bedeutet das für Mentoring, das ja vor allem Studierende aus bildungsfernen Schichten unterstützen soll?
  • Welche Rolle schreiben wir der Politikwissenschaft im öffentlichen Raum zu? Haben wir eine Verantwortung zur Beteiligung an gesellschaftlichen und medialen Diskursen und wenn ja, wie können wir unsere Vermittlungskompetenz dazu einsetzen?
  • Wie motivieren sich Lehrende? Wie kann man andere Lehrende zu guter Lehre motivieren?
  • Gibt es Bedarf und Interesse, Lehrmaterialien und Veranstaltungskonzepte zu teilen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen und über welche Plattformen?
  • Welche speziellen didaktischen Herausforderungen gibt es in den Teilbereichen der Politikwissenschaft?

Während die obigen Fragen generell formuliert sind, müssen wir uns in der Beschäftigung darüber verständigen, inwieweit ihre Beantwortung disziplinspezifisch ausfällt oder ob hier auch ein produktiver Austausch mit anderen Disziplinen und/oder der Hochschuldidaktik gesucht werden sollte.

Die Sprecher wiesen abschließend nochmals auf die ab Herbst erscheinende Kleine Reihe Hochschuldidaktik Politik hin und gaben einen Ausblick auf die Aktivitäten der Themengruppe bei der Tagung der DVPW, die September 2018 in Frankfurt am Main stattfinden wird. Im Anschluss an die Tagung fand ein Vernetzungstreffen der Theorielehrenden statt, um damit einen Workshop zur Lehre in der politischen Theorie, Philosophie und Ideengeschichte vorzubereiten.