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Was ist uns „gute“ Lehre wert? Podiumsdiskussion auf der IB-Nachwuchstagung 2016

Dies ist ein Gastbeitrag von Andreas Kruck und Gabi Schlag, den Nachwuchssprecher*innen der DVPW-Sektion Internationale Beziehungen.

Gute Lehre ist wieder (?) ein Thema in der deutschen Politikwissenschaft: Dies zeigt sich in der Gründung und in den Aktivitäten der DVPW-Themengruppe „Hochschullehre“. Aber auch Sektionen und Arbeitskreise der DVPW und andere Fachvereinigungen wie die Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK) beschäftigen sich mit dem Thema.[1] Zugleich erleben wir eine wahre Proliferation von Lehr-Fortbildungsangeboten und Zertifikaten an vielen deutschen Universitäten. Der Anspruch, „gute“ Lehre zu machen, und die Ambitionen, die eigenen Lehrfähigkeiten und -qualifikationen zu verbessern, sind oft hoch – auch und gerade bei „Nachwuchs“-Wissenschaftler*innen. Doch welchen Stellenwert können und sollen insbesondere Nachwuchswissenschaftler*innen der Lehre angesichts oft problematischer Beschäftigungsverhältnisse, unsicherer Karriereperspektiven und hohen Publikations- und Drittmitteldrucks einräumen? Wie wichtig ist (gute) Lehre für die Karriereentwicklung von Nachwuchswissenschaftler*innen?

Um diese und ähnliche Fragen zu adressieren, organisierte die IB-Nachwuchsgruppe im Rahmen der IB-Nachwuchstagung (15.-17. April 2016) in Tutzing eine Podiumsdiskussion zum Thema „Was ist uns ‚gute‘ Lehre wert?“. Tanja Börzel (Professorin an der FU Berlin), Axel Heck (Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Freiburg), Hanna Pfeifer (Studienstiftungsstipendiatin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) und Bernhard Zangl (Professor an der LMU München) diskutierten mit über 50 Teilnehmenden, überwiegend Doktorandinnen und Doktoranden, über den Sinn und den Stellenwert von Lehre in einer frühen Karrierephase, über die Herausforderungen, die Lehre insbesondere für Nachwuchswissenschaftler*innen mit sich bringt, und über Wege zu „guter“ Lehre.

Einig waren sich die Panelist*innen in der Einschätzung, dass Karrieren in der deutschen Politikwissenschaft (nach wie vor) in erster Linie durch gute Forschung, Publikationen und Drittmitteleinwerbung und allenfalls sekundär durch gute Lehre gemacht werden. Tanja Börzel kritisierte in diesem Zusammenhang scheinheilige Lippenbekenntnisse zum Ideal der Einheit von Forschung und Lehre und warnte vor falscher Nostalgie: Politikwissenschaftliche Lehre sei in Deutschland in den Zeiten vor der Exzellenzinitiative und der Herrschaft leistungsorientierter Mittelvergabe mitnichten besser gewesen als heute; auch die relative Geringschätzung von Lehre sei kein neues Phänomen der „kommodifizierten Hochschule“. Nichtsdestotrotz kann Lehre einen Unterschied für die Karriereentwicklung machen, argumentierte Axel Heck: Lehrerfahrungen und -kompetenzen könnten durchaus ein Pluspunkt in Bewerbungsverfahren sein. Nachwuchswissenschaftler*innen sollten daher früh Lehrerfahrungen sammeln und idealerweise auch eine gewisse Breite von Themen in der Lehre abdecken, während die Quantität der angebotenen Lehrveranstaltungen schnell irrelevant werde, sprich: viel lehren bringe nicht automatisch viel. Hier plädierte Tanja Börzel für eine Differenzierung zwischen Postdoktorand*innen und Promovierenden: Insbesondere letztere sollten sich – soweit möglich – auf punktuelle Lehrerfahrungen beschränken.

Ein von den Panelist*innen und auch von mehreren Diskussionsteilnehmenden im Plenum betonter Grund für (Anstrengungen in der) Lehre jenseits strategischer Erwägungen ist sicherlich die Anerkennung von Studierenden. Dies sei eine schöne und wichtige Erfahrung, gerade weil die „Feedbackschleife“ in der Lehre in der Regel deutlich kürzer ist und die (positiven) Rückmeldungen unmittelbarer ankommen als in der Forschung und bei Publikationen. Eine gute Lehrveranstaltung „can make my day“, berichtete Bernhard Zangl über Zufriedenheit durch Lehre. Lehre könne eine willkommene Abwechslung vom Forschungsalltag sein. Letzteres kann in Form einer Flucht vor der Forschung in die (extensive) Lehrvorbereitung allerdings auch zum Problem werden, so die Meinung mehrerer Panelist*innen.

Angesichts der „in der Regel hohen intrinsischen Motivation gerade bei jungen Lehrenden“ (Hanna Pfeifer) und zugleich der Einsicht, dass „ich mir von strahlenden Studierendenaugen am Ende nichts kaufen kann“ (Axel Heck), wenn dafür Publikationen und Drittmittel fehlen, plädierten alle Panelist*innen für „effizientes Lehren“. Bernhard Zangl argumentierte, dass insbesondere Lehrende am Anfang ihrer Karriere die inhaltliche Kompetenz und Vorbereitung häufig deutlich überbewerten, mittlerweile auch vermehrt didaktische Überlegungen anstellen, aber zu wenig darüber nachdenken würden: wie bekomme ich das Lehren effizient, mit überschaubarem Vorbereitungsaufwand, hin? Gute Lehre sei auch mit weniger, vor allem inhaltlicher, Vorbereitungsarbeit, als in der Praxis oft geleistet wird, sehr gut und legitim machbar. Neben der Gelegenheit, nah an der eigenen Forschung lehren zu dürfen, können beim effizienten Lehren auch didaktische Kompetenzen und Methoden helfen, weil sie der/dem Lehrenden Sicherheit geben und damit der Überkompensation von Unsicherheit des/der Lehrenden durch übermäßige inhaltliche Vorbereitung vorbeugen können, so Hanna Pfeifer.

In der Diskussion wurde daher einerseits betont, dass das stärkere Augenmerk insbesondere von Nachwuchswissenschaftler*innen auf didaktische Methoden, Lehrzertifikate und Lehrevaluationen Potenzial für bessere und zugleich effizientere Lehre biete. Andererseits wurde auch davor gewarnt, Lehre zu „übermethodologisieren“, sich zu sehr auf fragwürdige Indikatoren und Bewertungen von Lehrleistungen zu verlassen und dabei die Wichtigkeit von „relativ einfachem“ kollegialem Austausch über Lehre (inkl. Hospitanzen oder Lehrtandems) zu unterschätzen. Welche Veränderungen erforderlich sind, damit (gute) Lehre besser gefördert wird und mehr Anerkennung erfährt, lässt sich naturgemäß in einer 90-minütigen Diskussionsveranstaltung nicht abschließend klären. So bleibt gerade aus nachwuchspolitischer Sicht die Frage drängend, wie auch jenseits der sinnvollen Steigerung individueller Effizienz bei der Lehrvorbereitung und -durchführung verhindert werden kann, dass Nachwuchswissenschaftler*innen mit dem Kriterium „gute Lehre machen“ eine weitere Anforderung auf ihrer „wissenschaftliche Karriere-To Do“-List vorfinden, deren Nicht-Erfüllung (möglicherweise) Nachteile, deren Erfüllung aber kaum positive Vorteile bringt.

 

[1] Exemplarisch sei hier auf eine Veranstaltung der IB-Sektion zum Thema „IR Meets Didactics“ im Sommer 2015 verwiesen, deren (Teil-)Ergebnisse in Kürze in einem Beitrag der „AutorInnengruppe Didaktik in den IB“ in der Zeitschrift für Internationale Beziehungen (Heft 1/2016) nachzulesen sind.

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