Dies ist ein Beitrag von Daniel Lambach (Universität Frankfurt am Main) und Caroline Kärger (HAW Hamburg).
Wenn Lehrveranstaltungen in ein Onlineformat umgewandelt werden müssen, ist die erste Idee vielleicht die sonst in Präsenz stattfindende Vorlesung oder das Seminar einfach 1:1 als synchrone Onlineveranstaltung anzubieten. Dieser Gedanke liegt nahe und ist nachvollziehbar, stellt aber nicht unbedingt die optimale Lösung dar. Im Vergleich zu klassischen Präsenzformaten ist es in synchronen Onlineformaten schwieriger eine Gesprächsdynamik zu erzeugen, es kann technische Probleme und Zugangshürden geben, man hat weniger Gefühl für die Stimmung im Raum, Studierende lassen sich am Computer leichter ablenken und haben ggf. das Gefühl in ihrem Lernen allein zu sein. Wir plädieren deshalb dafür sich auf die veränderten Möglichkeiten einzustellen, die Chancen des asynchronen Lernens zu ergreifen sowie asynchrone und synchrone Anteile als Teil eines integrierten Lernprozesses zu begreifen.
Die Inspiration für diese Überlegungen stammt aus unserer Beschäftigung mit dem Flipped Classroom (FC). Um in Lehrveranstaltungen Freiraum für aktives Lernen zu schaffen, wird die übliche Lernreihenfolge umgekehrt: In „klassischen“ Präsenzlehrformaten vermittelt die Lehrperson den Studierenden Grundlagenwissen, das die Studierenden danach eigenständig nachbereiten und anwenden sollen. Im FC erarbeiten sich die Studierenden zunächst die Grundkenntnisse selbst, die dann unter Anleitung der Lehrperson angewandt und vertieft werden.
Der FC ist nicht für die reine Online-Lehre konzipiert worden. Dennoch kann man daraus einige Ratschläge dafür ableiten:
- Klären Sie die Kompetenz-/Lernziele der Lehrveranstaltung: Was sollen die Studierenden am Ende der Lehrveranstaltung können und wissen?
- Überlegen Sie sich, mit welchen Lehr-Lern-Aktivitäten Sie diese Ziele am besten verfolgen können und wo Studierende am ehesten Begleitung und Unterstützung durch die Lehrperson und/oder Mitstudierende brauchen: Was benötigen die Studierenden, damit sie sich Wissen und Kompetenzen aneignen können?
- Aktives Lernen kommt vor passivem Lernen.
- Aktivitäten brauchen Feedback.
Für die Planung von digitaler Lehre ist es zunächst wichtig die beiden Phasen des synchronen („gleichzeitigen“) und asynchronen („zeitversetzten“) Lernens unterscheiden. Mit synchronem Lernen bezeichnet man Phasen, in denen Lehrpersonen und Lernende direkt miteinander interagieren, z.B. über Video-/Webkonferenzen oder Chatrooms. Asynchrones Lernen bedeutet, dass Lernende Material nutzen, das die Lehrpersonen vorab bereit gestellt haben, oder sich in zeitversetztem Austausch mit Lehrenden und anderen Lernenden befinden (z.B. über Foren). Synchrone und asynchrone Anteile sollten Aspekte eines integrierten Lernprozesses sein, d.h. wie ineinander greifende Zahnräder funktionieren, die das kontinuierliche und gesamtheitliche Lernen der Studierenden unterstützen. Dabei sollten möglichst alle Phasen dieses Prozesses in derselben Lernplattform (z.B. Moodle oder Ilias) abgebildet und nicht über verschiedene Dienste verteilt werden, um die Arbeit für Lehrpersonen und Studierende möglichst reibungsfrei zu gestalten.
Mit dieser Unterscheidung im Hinterkopf können die für die gesamte Lehrveranstaltung definierten Kompetenzziele dann so auf synchrone und asynchrone Phasen verteilt werden, dass die spezifischen Stärken dieser Phasen optimal genutzt werden. Dafür bietet sich die Planung einer Lehrveranstaltung mittels Constructive Alignment an. Dieses Prinzip geht davon aus, dass Lernprozesse wirksam gestaltet werden können, indem man die Kompetenzziele, die Lehr- und Lernaktivitäten sowie die Prüfungsformen aufeinander abstimmt. Besteht ein Kompetenzziel einer Veranstaltung z.B. in der Fähigkeit zum wissenschaftlichen Schreiben, sollten die Aktivitäten das Schreiben, Analysieren und Kritisieren von Texten beinhalten und die Prüfung ein entsprechendes schriftliches Format haben.
Die Verteilung auf synchrone und asynchrone Phasen sollte sich dabei auch an der Frage orientieren, welche Ziele die Studierenden alleine erreichen können und wobei sie am ehesten den Austausch mit der Lehrperson und ihren Mitstudierenden brauchen. Oft dient die asynchrone Phase als Vorbereitung für die synchrone Phase (siehe Abbildung), sie kann aber auch Kontroversen anregen und Irritationen erzeugen, die in der synchronen Phase diskutiert werden sollen.
Wichtig ist dabei, jede Lerneinheit und jede Lernphase als Teil eines integrierten Lernprozesses zu verstehen. So eröffnen wir den Studierenden eine „nahtlose“ Lernerfahrung, lassen sie nicht allein im digitalen Lernen und können als Lehrpersonen wieder mehr in den Dialog einsteigen und ein Gefühl dafür bekommen, wo unsere Studierenden stehen (z.B. indem wie die Rückmeldungen der Studierenden zu den Aktivitäten der asynchronen Phase in der synchronen Phase im Plenum aufgreifen) und was sie brauchen. Manchen Herausforderungen des Online-Lernens kann durch diese Gedanken integrierter Lernprozesse begegnet werden. Insofern verstehen wir diesen Gedanken als Impuls, um Online-Formate nicht nur für Ihre Studierenden, sondern auch für Sie als Lehrperson angenehmer und wertvoller zu machen.
Dieser Artikel ist Teil der Blogserie „Bausteine digitaler Hochschullehre in der Politikwissenschaft“.
Eine Antwort auf „Lernprozesse durch integriertes Lernen fördern – asynchrone und synchrone Lehre verzahnen“
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