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Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Politikwissenschaft

Seit einigen Jahren findet in der und um die Politikwissenschaft in Deutschland und im Ausland eine Debatte statt, wie „relevant“ das Fach eigentlich (noch) sei. In Deutschland ist dies u.a. in publikumswirksamen Beiträgen in großen Medien (ZEIT, FAZ) sowie in Fachzeitschriften (Zeitschrift für Politikwissenschaft) diskutiert worden. (Alle Beiträge sind auf der Webseite der DVPW archiviert.) In den USA wurde eine ähnliche Diskussion vor kurzem mit Beiträgen in der Chronicle of Higher Education (pro und contra).

Die Kritik macht in diesen Beiträgen vor allem an der fehlenden Sichtbarkeit (i.S. von Beiträgen oder Statements in publikumswirksamen Medien) und Politikrelevanz (i.S. eines Aktualitätsbezugs der Forschung und einer Kommunikation an politische Entscheidungsträger*innen) fest. Oft wird auch eine Verwissenschaftlichung der Wissenschaft (Stichwort „Methodenfetisch“) beklagt, wegen derer es keine wahren Intellektuellen mehr gebe – ganz anders als in den goldenen Zeiten, wo jede bildungsbürgerliche Familie am Mittagstisch über den neuen Habermas diskutierte. (Ich übertreibe hier vielleicht etwas.)

Die Gegenposition sagt, dass dies ein zu enger Blick auf die gesellschaftliche Wirkung von Wissenschaft sei. Sie hat dabei die kritische Wissenschaftsforschung auf ihrer Seite. Diese zeigt, dass man das das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis nicht als eins von Wissensangebot und -nachfrage verstehen sollte, sondern es als Wechselbeziehung begreifen muss. Das heißt, dass es nicht nur um den „Transfer“ von wissenschaftlicher Erkenntis in eine wie auch immer definierte Praxis geht, sondern dass auch die Praxis einen Einfluss auf die Wissenschaft hat, im Guten wie im Schlechten.

Ferner ist eine Verengung auf die Sichtbarkeit in Massenmedien und die Beratung von Entscheidungsträger*innen problematisch, da dies viele andere Aspekte marginalisiert, über die die Politikwissenschaft (ebenso wie andere Fächer) gesellschaftliche Wirkung erzielt:

  • Die Hochschullehre, in der künftige politische Akteure und demokratische BürgerInnen gebildet werden
  • Öffentliche Kommunikation von Forschung über andere Kanäle (soziale Medien, Podcasts, Videos, in öffentlichen Veranstaltungen)
  • Die Kommunikation mit politischen Akteuren außerhalb staatlicher Institutionen (z.B. aus Denkfabriken, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen)
  • Transnationale Kommunikation mit politischen Akteuren (z.B. Medien, Praktiker*innen, Studierende) aus anderen Ländern

Für uns als AK Hochschullehre ist der erste dieser Punkte von besonderer Bedeutung. Die meisten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer werden nie große Politikberatung betreiben. Auch ihre Forschungsleistungen werden fast ausschließlich von anderen ForscherInnen gelesen. Die tiefsten und nachhaltigsten Spuren in der Gesellschaft hinterlassen wir daher nicht mit 600-seitigen Monographien zu einem Spezialthema, sondern durch unsere Lehre, über die wir Semester für Semester dutzende, wenn nicht hunderte von Studierenden erreichen. Manche von ihnen begleiten wir jahrelang, manche auch sehr nahe, z.B. durch die Betreuung ihrer Abschlussarbeiten.

Die gesellschaftliche Wirkung entfaltet sich dadurch, dass diese Studierenden während und nach ihrem Studium die von uns erworbenen Kompetenzen in ihr Leben und ihren Beruf mitnehmen. Manche dieser Studierenden mag es in durchaus verantwortungsvolle Positionen in der Politik und anderswo verschlagen, wo ihnen unsere Anleitungen zum kritischen Denken, zur wissenschaftlichen Problemanalyse sowie zu Theorien und Methoden nützlich sein können. Aber auch für diejenigen, die einen anderen Weg gehen, ist die durch uns vermittelte Bildung wichtig, denn sie befähigt sie zur Teilhabe als demokratische BürgerInnen und – insofern man dies als valides Bildungsziel ansieht – qualifiziert sie für anspruchsvolle berufliche Tätigkeiten.

Insofern sollten wir bei den Debatten um Sinn und Zweck der Politikwissenschaft die Lehre stärker in den Vordergrund rücken. Sie ist der Weg, über den wir Spuren im Leben anderer hinterlassen. Und sie erdet in gewisser Weise die hyperbolischen Diskussionen um Aufstieg und Fall eines Fachs.

Vierte Jahrestagung politikwissenschaftliche Hochschullehre – eine persönliche Nachlese

Gestern ging die vierte Jahrestagung politikwissenschaftliche Hochschullehre in Münster zuende. Ein richtiger Tagungsbericht folgt noch, aber ich habe aus den Diskussionen acht Punkte mitgenommen, die ich besonders interessant fand. Ich habe diese als Twitter-Thread gepostet, möchte sie hier aber nochmal sammeln:

  1.  Es fehlt an einer Praxis des Mentoring in der Lehre. Vorgesetzte sollten ihre MitarbeiterInnen nicht nur in der Forschung sondern auch in Lehre und Beratung coachen. Das kann durch Hospitation und anderes Feedback durch Peers und #hochschuldidaktik ergänzt werden.
  2. Es ist eine weiterhin ungelöste Frage, was PolitikwissenschaftlerInnen nach ihrem Abschluss können sollen. Die Antworten darauf werden sich nach Standorten unterscheiden, aber es findet wenig Verständigung darüber statt.
  3. Bildet sich Teaching & Learning als eigenes Subdisziplin der #Powi heraus? In anderen europäischen Ländern ist das schon weiter fortgeschritten, aber der AK #powilehre hat dazu beigetragen, dass das auch in Deutschland geschieht.
  4. Der Gegensatz E-Learning vs. Präsenzlehre ist passé. Der neue Standard ist digitale Mittel zur Unterstützung, Ergänzung, Flankierung von synchronen Lehrformaten, ob online oder offline. Studierende brauchen solche „Lagerfeuer“, um die sie sich versammeln können.
  5. Praxisorientierte Lehre wird im Fach als zweitrangig gegenüber forschungsorientierter Lehre angesehen. Viele KollegInnen möchten am liebsten ihre künftigen DoktorandInnen heranziehen. Angesichts der Realitäten der universitären Arbeitswelt geht das aber nicht mehr.
  6. Die #Powi nutzt #OER bisher nahezu gar nicht. Dem stehen fachkulturelle Gründe, ein Fehlen fachbezogener Infrastruktur und vielleicht auch die eher „breite“, wenig kumulative Form von Wissensbeständen im Weg.
  7. Die DVPW kann einen Beitrag dazu leisten, die strukturelle „Unter-Würdigung“ der Lehre abzubauen. Wir werden mit dem Vorstand arbeiten, um Diskussionen darüber anzustoßen, wie man Profil und Ansehen der Lehre in der #Powi verbessern kann.
  8. Lehre ist eines der besten Mittel, um als Fach #Powi in die Gesellschaft hinein zu wirken.

Wer den Twitter-Thread im Original sehen möchte, sei hierhin verwiesen:

Was meint Ihr da

Call for Papers: Hochschullehre in der Politischen Theorie und Ideengeschichte

Am 10.-11. Mai 2019 findet mit Unterstützung des AK Hochschullehre ein Workshop für
den Austausch zwischen Theorielehrenden und Hochschuldidaktiker*innen mit dem Titel „Hochschullehre in der Politischen Theorie und Ideengeschichte: Selbstverständnis, Praxis, Perspektiven“ statt. Geplant sind Impulsreferate der Workshop-Teilnehmer*innen sowie ein Roundtable zu spezifischen Herausforderungen und Perspektiven der Lehre Politischer Theorie/Ideengeschichte.

Vorschläge für Beiträge können bis zum 28. Februar 2019 bei Dr. Dannica Fleuß eingereicht
werden (Email-Adresse siehe pdf-Version des Call). Im Anschluss daran wird bis zum 15. März das Programm zusammengestellt und veröffentlicht. Bitte beachten Sie, dass Ihre Beiträge eine Vortragszeit von 15 Minuten nicht überschreiten sollten.

 

Hochschullehre in der Politischen Theorie und Ideengeschichte: Selbstverständnis, Praxis, Perspektiven

Ausgangspunkt für den geplanten Workshop ist der – aus der eigenen Lehrerfahrung gewonnene und von zahlreichen Kolleg*innen gespiegelte – Eindruck, dass die Lehre Politischer Theorie mit besonderen Herausforderungen verbunden ist bzw. in einer besonderen Vielzahl von Hinsichten ‚scheitern‘ kann. Ist dieser Eindruck aber begründet, und, wenn ja, wodurch? Liegt es am spezifischen Gegenstand der Politischen Theorie, am besonderen Selbstverständnis Politischer Theoretiker*innen, oder mangelt es schlicht an didaktischen Kompetenzen?

Mit dem Workshop wollen wir einen Austausch über diese und ähnliche Fragen anstoßen, mit dem insbesondere auch ausgelotet werden soll, welche weiteren Perspektiven sich hieraus ergeben und inwiefern Bedarf und Potenzial für die Etablierung eines längerfristigen Austauschs- und Diskussionszusammenhangs bestehen. Zu diesem Zweck scheinen uns die Auseinandersetzung mit den folgenden Themenblöcken besonders vielversprechend:

Selbstverständnis
Die Frage danach, was Gegenstandsbereich und Aufgabe der Politischen Theorie ist, wird unter Politischen Theoretiker*Innen kontrovers diskutiert. Deutungsoffen bzw. umkämpft ist damit auch das Selbstverständnis Theorielehrender: Welche Aufgabe hat die Lehre Politischer Theorie, welche Funktion hat sie in gesamtgesellschaftlicher Perspektive und im Rahmen der Lehre der arbeitsteilig organisierten Disziplin Politikwissenschaft? Wie konzeptualisieren wir unsere Rolle als Lehrende in der Politischen Theorie und worin sehen wir aktuelle Herausforderungen dieser Selbstverständnisse (z.B. durch die Veränderung von Studierendenzusammensetzungen und Studiengangreformen oder vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen)? Zu fragen ist möglicherweise außerdem, in welcher Hinsicht sich in der Lehre Politischer Theorie der zu vermittelnde Gegenstand von demjenigen in den übrigen Teilbereichen der Politikwissenschaft unterscheidet und inwiefern sich daraus  spezifische Herausforderungen ergeben – bzw. welche Herausforderungen mit den übrigen Teilbereichen (oder auch benachbarten Fächern) geteilt werden.

Praxisberichte
Didaktische Konzepte und Konzeptualisierungen von Aufgabenstellung und Gegenstandsbereich(en) der Politischen Theorie müssen in Lehrpraxis übersetzt werden. Wir freuen uns daher über Erfahrungsberichte aus Ihrer Lehrpraxis: Welche Seminarformate und Seminarkonzepte haben Sie im Rahmen Ihrer Lehre umgesetzt? Mit welchen Formaten haben Sie versucht, themen- oder kontextgebundene Herausforderungen der Theorielehre zu adressieren? Mit welchen Seminarkonzepten, unter Einbindung welcher Techniken, Strategien oder Medien ist es Ihnen gelungen, inhaltlich schwer vermittelbare oder politisch problematische Themen erfolgreich zu kommunizieren?

Vergleichende Perspektive
Die Konzeptualisierungen, Aufgabenbeschreibungen und Zielsetzungen der Lehre Politischer Theorie sind national und international in diverse disziplinäre sowie kulturelle bzw. politische Kontexte, Hochschulsysteme und Studiengänge eingebettet. Wir möchten daher fragen: Wie wird Theorielehre in diesen verschiedenen Kontexten praktiziert? Welche für die Lehre Politischer Theorie spezifischen – didaktischen und inhaltlichen – Herausforderungen werden im Vergleich verschiedener Kontexte transparent? Welche Strategien auf diese Herausforderungen zu antworten werden in verschiedenen Ländern, Hochschulsystemen und Studiengängen angewendet? Wie gehen Lehrende im In- und Ausland mit kulturell bzw. politisch sensiblen Themen und Fragestellungen in der Lehrpraxis um? Wir freuen uns in diesem Themenblock über explizit vergleichende Perspektiven, auch aber über Berichte von Lehrenden, die nicht im ‚Mainstream‘ der deutschen Politikwissenschaft unterrichten (international, an Fachhochschulen, etc.) tätig sind.

Call for Papers als pdf-Version

Normativität in der Hochschullehre – ein Forum in der Politischen Vierteljahresschrift

Die Politische Vierteljahresschrift (PVS) ist nicht irgendeine Fachzeitschrift. Sie ist das Hausblatt der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft und sicher die angesehenste deutschsprachige Fachzeitschrift unseres Fachs im Lande. Sie ist sehr traditionsreich und hat im Jahr 2018 bereits ihren 59. Band herausgegeben. In all dieser Zeit war sie – von einzelnen Ausgaben abgesehen – recht zurückhaltend, wenn es um die Hochschullehre ging.

Doch das hat sich mit dem unlängst erschienenen Heft 4 geändert. Erstmals ist darin ein Forum zum einem lehrbezogenen Thema erschienen, das die AK-SprecherInnen organisiert und herausgegeben haben. Herausgeber Kai-Uwe Schnapp erläutert in seinem Editorial, dass die Zeitschrift „sich aktiv für das Thema ‚Hochschullehre‘ öffnen“ will, und nennt dafür vier Gründe: die Lehre als eine der Kernaufgaben des Fachs, der gesellschaftliche Auftrag der Wissenschaft, das Fehlen einer systematischen Vorbereitung auf Lehrtätigkeiten sowie die Lehre als ein das Fach integrierendes Feld. „Somit verdient die Lehre auch einen Platz in unserem publizistischen Schaffen und in der PVS.“

Dem können wir nur zustimmen! Der AK Hochschullehre begrüßt diese Öffnung der PVS außerordentlich und ruft zur Einsendung lehrbezogener Texte auf, um die sich bietende Chance auch angemessen zu nutzen.

Das Thema des Forums lautet „Normativität in der Hochschullehre“, ein angesichts gesellschaftlicher und politischer Polarisierung hochaktuelles Thema. Die einzelnen Beiträge befassen sich mit unterschiedlichen Teilfragen aus unterschiedlichen Teilgebieten des Fachs und bieten reichlich Stoff für weitere Diskussionen:

  • Hansel, Mischa; Lambach, Daniel; Reuschenbach, Julia (2018): Im Schatten der Krise: Über Normativität in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre. In: Politische Vierteljahresschrift 59:4, 713-717. (link)
  • Eckl, Julian (2018): Theorien als latente Quellen von Normativität und Verantwortung in der Hochschullehre: Die Bedeutung von didaktischen und fachspezifischen Theoriedebatten am Beispiel des politikwissenschaftlichen Teilgebiets „Internationale Beziehungen“. In: Politische Vierteljahresschrift 59:4, 737-757. (link)
  • Fleuß, Dannica (2018): Politische Theorie anwendungsbezogen lehren. Lehrende zwischen normativer Zurückhaltung und kritischer Stellungnahme. In: Politische Vierteljahresschrift 59:4, 719-736. (link)
  • Brühl, Tanja; Gereke, Marika; Ottendörfer, Eva (2018): Mehr Normativität wagen: Ein Plädoyer für eine reflexive Grundhaltung in der politikwissenschaftlichen Lehre. In: Politische Vierteljahresschrift 59:4, 759-778. (link)

Was bedeutet Studierendenzentrierung?

Ich bin morgen beim Tag der Lehre der Leuphana Universität zu Gast und werde bei einem Workshop einen Input zu Studierendenzentrierter Lehre im Inverted Classroom geben. Zu diesem Anlass habe ich mich in die Literatur gestürzt, um das Konzept der Studierendenzentrierung besser zu verstehen. Der Begriff ist zwar intuitiv zugänglich und ich habe ihn auch schon öfter benutzt, hatte mich aber bislang noch nicht näher damit beschäftigt.

Was ist also Studierendenzentrierung? Leider gibt es dafür – ebensowenig wie für den englischsprachigen Begriff des „student-centered learning“ – keine einheitliche Definition (aber das sollte einen Sozialwissenschaftler nicht überraschen). Zur Annäherung an den Begriff fand ich zwei Brücken hilfreich. Erstens über einen Gegensatz: unter Lehrendenzentrierung kann man die Annahme verstehen, dass die didaktische Lehrdarbietung durch die Lehrperson die Ursache des Lernprozesses sei, während Studierendenzentrierung die Studierenden und deren Aktivitäten als ursächlich für den Lernprozess ansieht. Zweitens ist Studierendenzentrierung keine Handlungsanweisung und keine didaktische Idee, sondern eine Haltung, nämlich Lehre vom Lernen her zu denken.

Wir reden heute soviel darüber, weil der Begriff in verschiedenen Deklarationen im Bologna-Prozess prominent als Standard für gute Lehre auftaucht. Im selben Kontext begegnet man öfter der Phrase vom „shift from teaching to learning“. Gleichzeitig haben sich in den letzten Jahrzehnten die Paradigmen in der Didaktik gewandelt, wo der Konstruktivismus ältere Ansätze wie Behaviorismus und Kognitivismus verdrängt hat. Lernen wird daher heute als aktiver Prozess der Wissensgenerierung verstanden, welcher an bestehende Wissensbestände anknüpft.

Studierendenzentrierung als Standard oder Anspruch ist mit mehreren Zielen verknüpft, beispielsweise die Entwicklung der metakognitiven Fähigkeiten der Studierenden, also „das Lernen lernen“. Weiterhin soll durch Ownership mehr Motivation entstehen, indem Studierende ihren Lernprozess mitgestalten können. Nicht zuletzt sollen durch Freiräume zum Handeln und Ausprobieren anspruchsvollere Kompetenzen entwickelt werden als es bei lehrendenzentrierten Formaten möglich ist.

Studierendenzentrierte Lehre soll sich in der Praxis u.a. durch die folgenden Merkmale auszeichnen:

  • Studierende erhalten Verantwortung für den eigenen Lernprozess und die dafür notwendige Autonomie
  • Die Rolle der Lehrenden verändert sich dahingehend, dass sie den Lernprozess unterstützen und weniger anleitend tätig sind. Es bestehen Interdependenz und gegenseitiger Respekt zwischen Lehrenden und Lernenden.
  • Aktive statt passive Lernformen
  • Fokus auf vertieftes Lernen und dem Verstehen von Inhalten
  • Outputdenken: es geht darum was die Studierenden hinterher können, nicht was man ihnen erzählt (Input)

Um dies umzusetzen, benötigt es einen tiefgreifenden Kulturwandel der Lehre u.a. durch Kontextsensivität bei der Lehrplanung, fortlaufende Reflexion, diversitysensible Lehre und die systematische Einbeziehung von Studierenden in die Entwicklung von Kursen und Curricula.

Das sind hehre Ziele. Und normativ habe ich an Studierendenzentrierung nicht auszusetzen – aus meiner Sicht legitimiert sich jegliche Lehre durch die Wirkungen, die sie bei Studierenden hinterlässt. Allerdings pflege ich einen pragmatischen Umgang mit diesen Ansprüchen, weil sie immer im Rahmen praktischer Zwänge umgesetzt werden müssen. Und diese Zwänge sind substanziell – ein Lehrdeputat, das sich bei manchen Lehrenden im zweistelligen SWS-Bereich bewegt, teils völlig überlaufene Seminare und Vorlesungen. Unter solchen Umständen kann man diesen Zielen nicht vollständig entsprechen.

Dennoch sollte man das Ziel der Studierendenzentrierung nicht vorschnell mit Hinweis auf Sachzwänge verwerfen. Einige der Ideen lassen sich ohne großen Zusatzaufwand im bisherigen Rahmen umsetzen. Es macht für ein Seminar einen gewichtigen Unterschied, ob ich darin die Studierenden nur Referate halten lasse, oder ob ich es aktivierend, flexibel und kompetenzorientiert anlege. Mein bildungspolitisches Fazit ist daher, dass wir die größten Probleme unserer Lehre entlang dieser Ideen beheben sollten, ohne die Studierendenzentrierung zum Standard für alle Lehre zu überhöhen, zumindest nicht bis sich die Grundausstattung der Hochschulen deutlich verbessert.

Call for Papers: Vierte Jahrestagung des AK Hochschullehre (Münster, 25.-26.2.2019)

Die Jahrestagung des Arbeitskreises Hochschullehre in der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) findet am 25. und 26. Februar 2019 an der Westfälischem Wilhelms-Universität-Münster statt und wir freuen uns über Einsendungen zu den folgenden Themen (pdf-Version):

 

Vielfalt und Weitblick in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre

Bei den bisherigen Veranstaltungen des Arbeitskreises Hochschullehre wurde immer wieder angesprochen, dass sich die Lehre in der Politikwissenschaft durch zum Teil sehr heterogene Lehr- und Lernbedingungen auszeichnet. Wir möchten diese Diversität aufgreifen und in den Mittelpunkt unserer Jahrestagung 2019 stellen. Dabei wollen wir nicht nur die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen seitens der Studierenden diskutieren, sondern auch die vielfältigen Rahmenbedingungen der Lehraktivität von Dozierenden ansprechen. Auch sollen unterschiedliche Anforderungen an die Lehre in unterschiedlichen, sich mit politikwissenschaftlichen Inhalten beschäftigenden Studiengängen in den Fokus gerückt werden.

Somit wollen wir zum einen Fragen aufgreifen, welche sich aus der Diversität der Studierenden sowie den von diesen absolvierten Studiengängen ergeben. Folgende Themen können dabei im Mittelpunkt stehen:

  • Auch in der öffentlichen Debatte werden regelmäßig Probleme angesprochen, welche an den Hochschulen durch den größer werdenden Anteil an Schulabgängern mit einer Hochschulzugangsberechtigung entstehen. Welche Auswirkungen hat dieser Anstieg des Abiturientenanteils für die Lehre an den Universitäten? Welche Anforderungen stellt dies an die Studieneingangsphase? Und welche Angebote lassen sich für Studierende auf dem zweiten Bildungsweg, geflüchtete Studierende oder Studierende mit Handicap entwickeln? Werden politische Implikationen dieser Entwicklung gerade in unserer Disziplin erforscht?
  • Auf Institutsfluren wird häufig über Unterschiede zwischen Lehramts- und Hauptfachstudierenden diskutiert. Sehr interessiert sind wir daher an Tagungsbeiträgen, die das Verhältnis von Hochschuldidaktik und Politikdidaktik ansprechen. Wie kann die Hochschuldidaktik von der Politikdidaktik lernen? Welche besonderen Anforderungen stellt das Lehramtsstudium an die fachwissenschaftliche Lehre in der Politikwissenschaft?
  • Zudem hat durch die Einführung der BA/MA-Studiengänge und dem Wunsch der Internationalisierung der Hochschullandschaft eine Ausdifferenzierung der Studiengänge stattgefunden, die zum einen zu einer Spezialisierung politikwissenschaftlicher Abschlüsse geführt hat. Zum anderen resultiert hieraus auch eine breitere Einführung rein englischsprachiger Studiengänge. Aus hochschuldidaktischer Sicht ist dabei die Frage interessant, in wie weit sich die Lehre in englischsprachigen Studiengängen von anderen Studiengängen unterscheidet. Hierzu werden genauso Beiträge gesucht wie auch zu der Frage, in wie weit durch diese Ausdifferenzierung der Studiengänge auch spezifische Herausforderungen an die Lehre entstehen.

Zum anderen wollen wir uns Fragen zuwenden, welche sich aus den unterschiedlichen Voraussetzungen der Lehrenden ergeben. Wie können z.B. Doktoranden bei der Vorbereitung erster Lehrveranstaltungen unterstützt werden? Gibt es über kürzere hochschuldidaktische Einführungskurse zum Thema „Neu in Lehre“ hinaus Modelle, welche Dozierende mit nur wenig Lehrerfahrung in dieser Tätigkeit unterstützen? Welche Ideen und Konzepte existieren aus Sicht der Dozierenden für den Umgang mit Diversität in der politikwissenschaftlichen Lehre? Kann diese gerade in unserem Fach auch einen inhaltlichen Mehrwert erzeugen?

Unter dem Stichwort „Weitblick“ möchten wir ergänzend in den Blick nehmen, was wir von politikwissenschaftlicher Lehre in anderen Ländern und Hochschulsystemen, in anderen Fächern oder in nicht-universitären Kontexten (Fachhochschulen, Schulen, außerschulische politische Bildung) lernen können? Was können wir auch von der allgemeinen Hochschuldidaktik sowie der empirischen Bildungsforschung in punkto Theorien und Methoden mitnehmen und wie könnte hier ein Austausch stattfinden? Hierbei interessieren uns sowohl theoretische Überlegungen als auch „Werkstattberichte“ aus vorhandenen Programmen/Kooperationen/Formaten.

Schließlich thematisieren die Jahrestagungen des Arbeitskreises immer auch Präsentationen von Lehrkonzepten und von Erfahrungsberichten aus Lehrveranstaltungen höchst unterschiedlichen Formats. Im Forum „Praxis“ möchten wir wieder die Gelegenheit geben, Lehr-Lernformate aus der Hochschullehre zu präsentieren, aber auch Ideen für solche Formate zur Diskussion zu stellen. Dabei geht es uns nicht nur um Lehrinnovationen, sondern auch um neue Perspektiven auf bewährte Themen und Formate.

 

Einreichung von Beiträgen:

Interessierte senden bis einschließlich 9.12.2018 ein Abstract (max. 600 Wörter inkl. Leerzeichen) an lambach@normativeorders.net. Bitte geben Sie an, in welchem Format (Vortrag, Diskussion, Workshop, Roundtable, Poster o.ä.) Sie Ihren Teil im Rahmen der Tagung gestalten möchten und fügen Sie einige biografische Angaben (max. 250 Wörter inkl. Leerzeichen) bei.

Nach Auswahl der Beiträge werden wir Sie bis zum 21.12.2018 über das finale Programm informieren. Der Arbeitskreis ermöglicht die Buchung günstiger Übernachtungsmöglichkeiten im Rahmen von Hotelkontingenten. Diese Kosten sowie Reisekosten oder Honorare können leider nicht durch den Arbeitskreis übernommen werden.

Die Teilnahmegebühr für promovierte Kolleginnen und Kollegen beträgt 20 €, für Doktorandinnen und Doktoranden 10 €. Studierende müssen keinen Beitrag entrichten.

Lehre – (k)ein Aufgabenfeld für eine Fachvereinigung?

Dies ist ein gemeinsamer Beitrag von Daniel Lambach und Julia Reuschenbach.

Bei der Mitgliederversammlung der DVPW im Rahmen des Kongresses 2018 stellten sich 11 KandidatInnen sowie ein Dreierteam für die Vorstandswahl vor. Alle sollten kurz darlegen, für welche Themen Sie sich im Vorstand besonders engagieren möchten. Lediglich zwei sprachen Themen an, die man auch nur im weitesten Sinne als lehrbezogen bezeichnen kann.

Ist das ein Problem? Nein, könnte man argumentieren, denn es gebe ja gerade keine Themen in der Lehre, die ähnlich drängend seien wie Fragen nach Nachwuchsförderung, Gleichstellung oder Departmentstrukturen. Dazu würde auch passen, dass das letzte Mal, als die Lehre ein größeres Thema in der DVPW war, dies anlässlich der Einführung des BA/MA-Systems war, das große Umstellungen an allen Standorten erforderte. Nach dieser Diagnose sind also die Sorgen und Nöte der Lehre nicht drängend genug.

Das ist uns aber zu einfach, denn man könnte sich mit Fragen wie der zunehmenden Heterogenität der Studierendenschaft, der Digitalisierung von Lehre und Lebenswelt, dem Erhalt des Humboldtschen Bildungsideals in Zeiten von Kompetenzorientierung oder einer universitären „Ausbildung“ zwischen Bildung und ökonomischem Verwertungsdruck auseinandersetzen.

Aber viel wichtiger noch: Problemfixiertheit ist auch schlicht die falsche Denkweise. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Lehre sollte nicht nur dann auf die Agenda kommen, wenn es Probleme mit ihr gibt oder, anders gesagt, wenn die Probleme, die es mit der Lehre gibt, so viel Aufmerksamkeit bekommen, dass man sich jetzt halt doch mal mit ihnen befassen muss.

Denn mit so einer Haltung vergibt man die Chance und den Anspruch zu gestalten. Statt nur auf Probleme zu reagieren, sollten wir uns fragen, wie man die Lehre besser machen kann, wie wir Lehrangebote schaffen, die unsere Studierenden auf eine Zukunft als demokratische Bürgerinnen und Bürger in einer immer mehr vernetzten und globalisierten Welt vorbereitet. Dieser Auftrag kommt nicht von uns, sondern quasi von höchster Stelle. Bundespräsident Steinmeier forderte in seiner Gastrede auf dem Kongress „eine kreative und mutige Politikwissenschaft, die aktuelle Diskurse über die Demokratie informiert, inspiriert, die mit Leidenschaft und Urteilskraft zur Aufklärung der Gesellschaft über sich selbst beitragen kann“.

Über welche Schienen kann dieses Hineinwirken in die Gesellschaft geschehen? Für die meisten von uns wird dies über die Lehre sein. Nur wenige Kolleginnen und Kollegen sind prominent in gesellschaftlichen Debatten sichtbar. Wer sich Netzwerke in die Praxis aufbaut, tut dies zulasten der eigenen Karriere, wie selbst der Bundespräsident hervorhob. Den mit Abstand größten Impact auf die Praxis haben wir über die Spuren, die wir in unseren Studierenden hinterlassen, über die Denkprozesse die wir bei ihnen anstoßen und die Ideen die wir vermitteln.

Sollte es da nicht unsere nobelste Aufgabe sein, unsere Lehre so gut wie möglich zu machen? Und sollte sich es die DVPW nicht zum Ziel machen, dass ein politikwissenschaftliches Studium an einer deutschen Hochschule von höchster Qualität ist und dass alle Absolventinnen und Absolventen analytisch wie normativ fähig sind, ihren Teil zur Aufrechterhaltung und Verteidigung von Demokratie und Freiheit beizutragen?

Politikwissenschaftliche Hochschullehre und politische Bildung zwischen Objektivität und demokratischem Anspruch

Im Rahmen des DVPW-Kongresses fand das vom AK Hochschullehre und der Sektion Politikwissenschaft und Politische Bildung gemeinsam organisierte Panel „Demokratie als Norm? Perspektiven für die politikwissenschaftliche Hochschullehre und die politische Bildung“ statt, das von Andrea Szukala (Universität Münster) geleitet wurde. Das sehr gut besuchte Panel befasste sich mit den Herausforderungen von Normativität für die Vermittlung politischer Kompetenzen in verschiedenen Kontexten.

Das Panel begann mit zwei Beiträgen, die sich mit den normativen Grundlagen von politikwissenschaftlicher Lehre und politischer Bildung befassten. Zunächst argumentierte Jörg Tremmel (Universität Tübingen), eine normativ abstinente Politikwissenschaft könne die Demokratie nicht gegen ihre Feinde verteidigen. Normative Forschung sei ein anerkannter Zweig der Politikwissenschaft, ist aber in der deutschen Politikwissenschaft und ihrer Lehre kaum bis gar nicht repräsentiert. Er verdeutlichte Möglichkeiten, normative Hypothesen über Politik entlang der Unterteilung von Politik in Polity, Policy und Politics zu formulieren, die in Lehrveranstaltungen diskutiert werden könnten. Von einer Stärkung normativer Forschung verspricht er sich einen stärkeren Austausch zwischen „Empirikern“ und „Normativisten“ in Forschung und Lehre.

Im Anschluss fragte Tonio Oeftering (Universität Lüneburg) angesichts von Beispielen illiberaler Mobilisierung, ob jede Art der Partizipation gut für die Demokratie sei. Auf der Suche nach einem Maßstab für demokratisch wünschenswerte Partizipation verwies er auf Hannah Arents Werk, aus dem er Pluralität und Freiheit als zentrale Elemente des Politischen hervorhob. Er formulierte abschließend eine Reihe von Konsequenzen: die politische Bildung müsse mehr ihre normativen Grundlagen diskutieren, die Politikwissenschaft sich wieder stärker als „Demokratiewissenschaft“ verstehen und die politikwissenschaftliche Hochschullehre ihr Verhältnis zur politischen Bildung klären, um Möglichkeiten für Vernetzung und wechselseitiges Lernen zu eröffnen.

Die erste Runde der Diskussion drehte sich um Fragen, warum und mit welcher Rechtfertigung Hochschullehre und politische Bildung normativ sein kann oder sein muss. Dazu gehörte eine Diskussion darüber, mit welcher Begründung z.B. Arendt als normative Referenz begründet werden kann – gerade im Vergleich zu anderen (nicht nur liberalen) TheoretikerInnen, ebenso wie das Dilemma, wie man mittels demokratischer Verfahren als solchen wahrgenommenen „Feinden“ der Demokratie begegnen möge. Auch wurde über die Diagnose debattiert, ob die deutsche Politikwissenschaft gegenüber normativer Forschung desinteressiert sei.

Die zweite Hälfte des Panels bestand aus drei Beiträgen, die sich konkreter mit Normativität in der Hochschullehre befassten. Zunächst diskutierte Julia Reuschenbach (Universität Bonn) die Grenzen der Demokratie in der Hochschullehre. Sie argumentierte, dass wir uns als FachvertreterInnen nicht vor normativen Fragen drücken können. Dies gelte auch und besonders in der Lehre, wo die eigene Normativität mit „normativ aufgeladenen“ Studierenden zusammentrifft. Eine notwendige Folge dessen sei, dass die normativen Dimensionen eines Gegenstands nicht nur ausgehalten, sondern direkt angesprochen werden sollten. Die Grenzen der Demokratie müssten lebensnah und soweit wie möglich in der Lehre thematisiert und auf Augenhöhe diskutiert werden.

Dannica Fleuß (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) fragte in umgekehrter Richtung, wie man als Lehrender normative Zurückhaltung üben könne. Diese Zurückhaltung sei eine Notwendigkeit, weil normative Urteile nicht logisch oder theoretisch deduzierbar sind und somit letztlich auf persönlichen Abwägungen beruhen. Lehre sei aber eine hierarchisch strukturierte Kommunikationsbeziehung, innerhalb derer Studierende eigene Werturteilsfähigkeit entwickeln sollten. Als praktische Antwort schlug sie ein didaktisches Format vor, in dem Lernende Rollen als InterpretatorInnen ambivalenter Situationen und EntscheiderInnen über konfligierende Normen übernehmen.

Abschließend argumentierte Julian Eckl (Universität Hamburg), dass Demokratie in der politikwissenschaftlichen Lehre ständig als Norm vermittelt wird, z.B. über Ansprüche an studentische Partizipation und Teilhabe in Lehr-Lern-Prozessen. Daran schließt sich die Frage an, ob Demokratie auch vermittelt werden sollte. Dies sei auch mit konstruktivistischen Lerntheorien zu vereinen, die nicht nur neutrale Kapazitätsvermittlung sei, sondern auch über Methoden wie Rollentausch und Perspektivenwechsel die Werthaltungen von Lernenden herausfordern.

Events des AK Hochschullehre beim DVPW-Kongress 2018

Bei der DVPW-Tagung 2018 finden die folgenden Veranstaltungen des AK Hochschullehre statt:

 

Panel „Demokratie als Norm? Perspektiven für die politikwissenschaftliche Hochschullehre und die politische Bildung“ (26.9., 14.00-15.30 Uhr)

Panelleitung: Andrea Szukala, Universität Münster / Mischa Hansel, RWTH Aachen

  • Dannica Fleuß, Universität der Bundeswehr Hamburg: Politische Theorie praxisnah lehren: im Spannungsfeld von politischer Neutralität und normativer Positionierung
  • Julian Eckl, Universität Hamburg: Theorien als latente Quellen von Normativität und Verantwortung in der Hochschullehre: Die Bedeutung von didaktischen und fachspezifischen Theoriedebatten am Beispiel des politikwissen­schaftlichen Teilgebiets „Internationale Beziehungen“
  • Jörg Tremmel, Universität Tübingen: Eine normativ abstinente Politikwissenschaft kann die Demokratie nicht gegen ihre Feinde verteidigen
  • Tonio Oeftering, Leuphana Universität Lüneburg: Hannah Arendts politische Theorie als normative Orientierung für die politische Bildung!?
  • Julia Reuschenbach, Universität Bonn: Diskussionen über die Grenzen der Demokratie in der Hochschullehre

(in Kooperation mit der Sektion „Politikwissenschaft und Politische Bildung“)

 

Launch der Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik (26.9.2018, 15.30 Uhr)

Ebenfalls in Frankfurt werden wir den offiziellen Launch unserer Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik feiern, und zwar am Mittwoch, den 26. September um 15:30 Uhr am Stand des Wochenschau-Verlags im Hörsaalzentrum.

 

Mitgliederversammlung (27.9.2018, 12:30-13:45 Uhr)

Bei der Mitgliederversammlung am Donnerstag, den 27. September 2018 steht neben dem inhaltlichen Austausch über die zukünftigen Schwerpunkte des Arbeitskreises auch die Verabschiedung der Geschäftsordnung sowie die SprecherInnenwahl an. Der SprecherInnenkreis soll zukünftig aus 4 Personen bestehen. Diesbezüglich rufen wir ganz herzlich zu Bewerbungen auf.

Bericht von der dritten Jahrestagung der Themengruppe Hochschullehre (26.-27. Februar 2018, Hamburg)

Die dritte Jahrestagung der Themengruppe unter dem Titel „Perspektiven und Konzepte aus Theorie und Praxis“ fand am 26.-27. Februar 2018 an der Universität Hamburg statt. Es wurden normative und theoretische Fragen der politikwissenschaftlichen Hochschullehre behandelt, ebenso wie konkrete Lehrszenarien. Hinzu kamen Workshops zu verschiedenen Aspekten der Lehrpraxis.

 

Theorie

Die Tagung begann mit dem Panel „Fragen an Lehren und Lernen“, welches von Mischa Hansel (Aachen) moderiert wurde. Zunächst stellte Petra Stykow (München) ihr Manuskript zum Prüfen und Bewerten in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre vor, das in der Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik erscheinen wird. Nach dem Modell der „Inverted Conference“ hatte sie das Manuskript den Tagungsteilnehmer*innen vorab zugänglich gemacht und bat nun um Feedback für die Überarbeitung des Textes. Die Diskussion behandelte verschiedene Probleme des Prüfens und Bewertens und ging dabei auch teils über den konkreten Text hinaus. Beispielsweise wurde bei mündlichen Prüfungen das Problem benannt, dass man einerseits die Fähigkeit zur strukturierten Antwort und die generelle Ausdrucksfähigkeit mitbewerte, dabei aber diversitysensibel vorgehen muss, um nicht einen bildungsbürgerlichen Habitus zu bevorzugen.

Danach folgte ein Vortrag von Daniel Lambach (Duisburg-Essen) zur Employability in der Friedens- und Konfliktforschung. Er stellte dabei Ergebnisse einer vergleichenden Absolvent*innenstudie vor, an der 2017 sieben Masterstudiengänge in Deutschland und Österreich teilgenommen hatten. Die Ergebnisse zeigen, dass Absolvent*innen dieser Studiengänge i.d.R. eine ausbildungsadäquate Tätigkeit aufnehmen und nur selten von Arbeitslosigkeit betroffen sind, aber oft nur auf befristeten Verträgen arbeiten. In der Diskussion wurden verschiedene methodische Aspekte besprochen, z.B. die Gründe für Non-Response, sowie der Abgleich mit Absolvent*innenstudien anderer Institutionen angeregt. Ferner wurde die Frage aufgeworfen, ob die Ausbildung relativ fachunspezifischer Kompetenzen wie z.B. Organisationskompetenz oder Fähigkeiten im Projektmanagement dem Bildungsauftrag einer Hochschule angemessen seien.

 

Praxis Teil I

Im Panel zu „Distance Learning“, moderiert von Daniel Lambach (Duisburg-Essen), wurden zwei Beiträge zu kooperativen E-Learning-Formaten vorgestellt, die aus demselben Projekt hervorgegangen sind. Zunächst präsentierten Patricia Konrad (Hamburg) und Alexander Kobusch (Tübingen) ein standortübergreifendes Ringseminar, das nach dem Modell des „Cross-Site Teaching“ von acht politikwissenschaftlichen Instituten gemeinsam angeboten wurde. Dabei stellten sie vor, wie man Studierende in diesem Format aktivieren und zur standortübergreifenden Kollaboration bewegen kann, und zeigten die kontinuierliche Weiterentwicklung des Formats. Im Anschluss stellten Witold Mucha und Christina Pesch (beide Düsseldorf), die ebenfalls am Ringseminar mitgewirkt hatten, ihre Adaption des Konzepts für eine internationale Kooperation der Universität Düsseldorf mit Partnern in Südafrika und den Niederlanden zur Diskussion. Ihr Ziel ist es, die Inhalte der Veranstaltung sowie die von den Studierenden produzierten Materialien als Open Educational Resources (OER) zu veröffentlichen.

Die Diskussion drehte sich zunächst um ganz praktische Fragen, d.h. um die technischen Voraussetzungen sowie die für das internationale Projekt notwendigen Englischkenntnisse der Studierenden. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Frage, wie man Studierende zur Zusammenarbeit motivieren könne, zumal es an den beteiligten Standorten teils unterschiedliche Leistungserwartungen gab. Außerdem wurde die Besonderheit des Formats herausgestellt, das sich hochaktuellen politischen Fragen widmet, sich eher an fortgeschrittene Studierende richtet und keinen Kernbereich des Curriculums abdeckt. Insofern gab es Fragen, welche Aspekte davon auch für grundständige Lehre adaptiert werden können.

 

Methoden

Im nächsten Panel folgten zwei Beiträge, die sich mit der Vermittlung von Forschungs- und Methodenkompetenz befassten. Zunächst fragte Carola Klöck (Göttingen): „Forschen unterrichten ohne Forschung: (wie) geht das?“. Anhand des Beispiels einer Veranstaltung, in der Studierende die Entwicklung von Forschungsdesigns lernen sollten, berichtete sie von den Herausforderungen, die aus der relativ großen Studierendengruppe und den vielfältigen Zielen des Konzepts entstanden, und suchte nach Ratschlägen zur Überarbeitung des Lehrkonzepts. In der Diskussion wurde der stärkere Einsatz von Peer Feedback angeregt und empfohlen, Studierende einen fertigen Projektantrag kritisieren zu lassen, um ihnen dadurch das Format näherzubringen. Allgemein wurde problematisiert, wie viel Anleitung Studierende beim forschenden Lernen brauchen/wollen.

Danach befassten sich Jasmin Haunschild und Anja Jakobi (beide Braunschweig) mit den Implikationen von Big Data für die Politikwissenschaft im Allgemeinen und die Methodenlehre im Speziellen. Sie hoben hervor, dass sich durch die neue Qualität und Quantität von Datenverfügbarkeit neue Forschungsfelder und –praktiken herausbilden, die unter Namen wie „Data Science“ oder „Computational Social Science“ firmieren. Ersteres wird zumeist als technisches Feld verstanden, in das keine sozialwissenschaftlichen Ausbildungsinhalte einfließen, während letzteres als genuin sozialwissenschaftliches Feld verstanden wird. Einige Institute mit Expertise in quantitativen Methoden haben angefangen, ihre Methodenausbildung um einschlägige Themen zu ergänzen; an der Hochschule für Politik der TU München wurde ein entsprechender Studiengang eingerichtet. Die Diskussion drehte sich einerseits um Fragen, welches Verhältnis Politikwissenschaft zu Daten hat, andererseits um strategische Fragen, wie sich die Disziplin angesichts der Herausbildung neuer Forschungsfelder positionieren sollte. Für die Lehre wurde insbesondere die Kooperation mit technischen ExpertInnen als Möglichkeit hervorgehoben.

 

Workshops Teil I

Im Anschluss ging die Tagung in zwei parallele Kurzworkshops über. Judith Gurr und Caroline Kärger (beide Lüneburg) boten einen Methodenbasar an, in dem sie in 60 Minuten drei Methoden vorstellten, um auch in großen Veranstaltungen die TeilnehmerInnen zu aktivieren: das aktive Plenum, die stille Debatte sowie die Nutzung von Abstimmungssystemen im Rahmen von Peer Instruction.

Lasse Cronqvist (Trier) leitete eine Diskussion darüber, ob das inzwischen weit verbreitete Instrument der standardisierten Lehrevaluation für eine Reflexion zur Verbesserung der Lehrqualität geeignet ist. Dabei wurde die Validität der Evaluationsergebnisse sowie deren Funktion als Steuerungsinstrument im Hochschulsystem kritisch diskutiert, aber auch Möglichkeiten identifiziert, wie – ggf. in Kombination mit anderen qualitativen Feedbackmechanismen – dennoch ein Nutzen aus Evaluationen gezogen werden kann.

 

Normativität

Zum Abschluss des ersten Tages fand das Panel zu Normativität in der Hochschullehre statt. Zum Einstieg wies Dannica Fleuß (HSU Hamburg) darauf hin, dass man hier die Lehre über Normativität von der Normativität in der Lehre unterscheiden müsse, auch wenn dies in der Praxis natürlich zusammenfallen kann. Sie stellte eine Seminarkonzeption vor, wie in der Lehre der politischen Theorie die Reflexion über menschenrechtliche Normen mit praktischen Implikationen anhand von konkreten Beispielen verbunden werden kann. Damit möchte sie die normative Urteilsfähigkeit ihre Studierenden stärken, indem sie sie u.a. zum theoretischen Perspektivwechsel verpflichtet. In ihrem Vortrag stellte sie auch die Spezifika der Studierenden an der HSU heraus, die als Soldaten*innen oft ein stark persönliches Interesse etwa an den Dilemmata ‚humanitärer Interventionen‘ hätten.

Anschließend hielt Julian Eckl (Hamburg) fest, dass Lehre nicht werturteilsfrei sein kann. Bereits die klassischen Lerntheorien Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus beinhalteten bestimmte Menschenbilder sowie normative Setzungen darüber, welche Rollen Lehrende und Lernende einzunehmen hätten. Durch die Entscheidung für eine Lerntheorie nehmen Lehrende also eine normative Position ein – vor jeglicher inhaltlicher Diskussion, in der dies ebenfalls unvermeidlich sei. Weiterhin sah er einen Anlass zur erneuten Beschäftigung mit den normativen Grundlagen von Lehre angesichts verbreiteter Krisendiskurse der Demokratie. Wenn gesellschaftliche Konsenslinien neu verhandelt oder überschritten werden, sei dies auch Anlass zu einer neuen Selbstvergewisserung über ansozialisierte Normen, worüber wie in welchen Kontexten diskutiert werden kann. Die Konfrontation mit Studierenden, die extreme Positionen in Lehrveranstaltungen vertreten, führe zwar zu schwierigen Situationen und Rollenkonflikten, sorge aber auch dafür, dass gesellschaftliche Polarisierungen und Radikalisierungen nicht ignoriert werden könnten.

In der Diskussion wurden theoretische wie praktische Fragen aufgeworfen. Auf theoretischer Ebene wurde darauf hingewiesen, dass die Lerntheorien sehr unterschiedliche Empfehlungen geben, wie mit deviantem Studierendenverhalten umzugehen sei. In praktischer Hinsicht wurde empfohlen, dass Lehrende ihre theoretischen/ontologischen Positionen transparent machen sollten. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass Studierendengruppen zumeist gut mit unterschiedlichen Meinungen umgehen könnten, man aber auch deren Fähigkeit zum Umgang mit Pluralismus nicht fraglos voraussetzen darf. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage aufgeworfen, wie heterogen –hinsichtlich Bildungshintergrund und politischen Einstellungen – Studierendengruppen tatsächlich sind.

 

Workshops Teil II

Der zweite Konferenztag begann mit einem zweiten Paar Workshops. Im ersten bot Matthias Freise fünf Wege an, wie man mit dem Problem umgehen kann, dass Studierende die Seminartexte nicht gelesen haben, und diskutierte mit den TeilnehmerInnen eigene Erfahrungen und Strategien. Zu den Methoden der Stärkung von Lese-Compliance zählten u.a. Power-Point-Karaoke und Textpuzzles. Der zweite Workshop von Caroline Kärger und Judith Gurr fragte, wie, wann, mit wem und wie oft eigentlich ein Dialog über die Lehre stattfindet. In der Diskussion ergaben sich hier zwei Problemlagen: zum einen dass geklärt werden muss wozu ein Dialog dient und wie man ihn für Stakeholder interessant macht, zum anderen dass inhaltlicher Dialog heute oft von Prozessen des Qualitätsmanagements überlagert wird, die für Lehrende wenig attraktiv sind.

 

Praxis Teil II

Im letzten Panel, erneut moderiert von Mischa Hansel, ging es um Demokratieforschung und Demokratiekompetenz. Der erste Beitrag kam von Volker Best (Bonn), der sein Seminarkonzept eines Planspiels in der Regierungslehre vorstellte. Er hatte in Seminaren vor der Bundestagswahl 2017 sowie während der laufenden Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition Studierende zu ParteivertreterInnen gemacht und sie die Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen simulieren lassen, was sie mit großem Engagement taten. Das Feedback der Studierenden war insgesamt sehr positiv und hob den interaktiven Charakter des Seminars sowie dessen Anwendungsbezug hervor.

Im zweiten Vortrag stellte Christoph Klika, Toralf Stark und Susanne Pickel (Duisburg-Essen) ein noch laufendes Projekt zur Entwicklung eines Planspiels vor, das sich mit dem Effekt autoritärer politischer Kultur auf die Stabilität einer Demokratie befassen wird. In der ersten Phase entwickeln sie das Planspiel und die Spielmaterialien gemeinsam mit Lehramtsstudierenden. Nach dessen Fertigstellung möchten sie es in der Aus- und Weiterbildung von LehrerInnen einsetzen, da diese eine besondere Rolle als MultiplikatorInnen für demokratische Kompetenzen und Einstellungen ihrer SchülerInnen haben.

In der Diskussion ging es vor allem um Fragen des Planspieldesigns. Insbesondere wurde darüber diskutiert, inwieweit die Spielleitung den Ausgang eines Spiels (oder einer Zwischenphase) vorbestimmen kann, um damit bestimmte inhaltliche Punkte zu unterstreichen. Demgegenüber wurde argumentiert, dass dies von TeilnehmerInnen negativ bewertet würde und man auch subtil, z.B. durch Eingriffe von „Externen“ den Verlauf eines Spiels beeinflussen könne. Ferner wurde hervorgehoben, dass es für die Erstellung von Spielmaterialien, konkret zur Formulierung von Rollenprofilen, noch nicht viel handlungsleitenden Rat gebe.

 

Abschluss

In der Abschlussrunde baten Daniel Lambach und Mischa Hansel die TeilnehmerInnen um ihr Fazit zur Tagung sowie um die Identifikation latenter oder künftiger Themen, mit denen sich die Themengruppe beschäftigen sollte. Zu diesen gehörten:

  • Welche Erwartungen können/sollen wir an Studierende haben? Stimmt die verbreitete Klage, dass es immer mehr Studierenden an fundamentalen Kompetenzen fehle, oder muss man eher von einer Änderung von deren Kompetenzprofil sprechen? Was wissen wir überhaupt über unsere Studierenden?
  • Wie können wir die Selbstverantwortung der Studierenden stärken? Kann eine umfangreiche Didaktisierung des Lernprozesses Studierende unselbständig machen? Was bedeutet das für Mentoring, das ja vor allem Studierende aus bildungsfernen Schichten unterstützen soll?
  • Welche Rolle schreiben wir der Politikwissenschaft im öffentlichen Raum zu? Haben wir eine Verantwortung zur Beteiligung an gesellschaftlichen und medialen Diskursen und wenn ja, wie können wir unsere Vermittlungskompetenz dazu einsetzen?
  • Wie motivieren sich Lehrende? Wie kann man andere Lehrende zu guter Lehre motivieren?
  • Gibt es Bedarf und Interesse, Lehrmaterialien und Veranstaltungskonzepte zu teilen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen und über welche Plattformen?
  • Welche speziellen didaktischen Herausforderungen gibt es in den Teilbereichen der Politikwissenschaft?

Während die obigen Fragen generell formuliert sind, müssen wir uns in der Beschäftigung darüber verständigen, inwieweit ihre Beantwortung disziplinspezifisch ausfällt oder ob hier auch ein produktiver Austausch mit anderen Disziplinen und/oder der Hochschuldidaktik gesucht werden sollte.

Die Sprecher wiesen abschließend nochmals auf die ab Herbst erscheinende Kleine Reihe Hochschuldidaktik Politik hin und gaben einen Ausblick auf die Aktivitäten der Themengruppe bei der Tagung der DVPW, die September 2018 in Frankfurt am Main stattfinden wird. Im Anschluss an die Tagung fand ein Vernetzungstreffen der Theorielehrenden statt, um damit einen Workshop zur Lehre in der politischen Theorie, Philosophie und Ideengeschichte vorzubereiten.