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Seminare in der politikwissenschaftlichen Lehre gestalten – Ein Interview mit Carola Klöck

Der neueste Band unserer Kleinen Reihe Hochschuldidaktik Politik befasst sich mit einer absoluten Grundfeste der politikwissenschaftlichen Lehre – dem Seminar. Jede und jeder hat es dutzendfach im Studium besucht und die ersten eigenen Lehrerfahrungen macht man meistens auch mit diesem Format. Oft entwickelt man dabei eine gewisse Vorgehensweise, die auf eigenen Erfahrungen und gesundem Menschenverstand beruht, bekommt aber nur selten vermittelt, wie man strukturiert an die Planung eines Seminars herangehen kann. Dabei soll dieses Buch helfen. Carola Klöck (Sciences Po) hat es geschrieben und wir haben ihr drei Fragen gestellt.

 

1) Worum geht es in diesem Buch?

Das Buch versteht Seminare in der politikwissenschaftlichen Lehre als interaktive Lehrräume. Studierende sollen sich ein Themengebiet selbst erarbeiten. Entsprechend ist die Aufgabe der Lehrenden in erster Linie, ihre Studierenden zum aktiven Lernen zu bringen, und das heißt: Die Studierenden müssen vorbereitet kommen und die ausgewählten Texte gelesen haben. In der Sitzung müssen sie vielleicht etwas präsentieren, sich an Diskussionen beteiligen oder sich bei Gruppenarbeiten einbringen. Das Buch diskutiert die Herausforderung an solche interaktiven Seminare, und stellt konkrete Beispiele vor, mit denen es hoffentlich leichter fällt, Studierenden zu aktivieren und zur Mitarbeit zu motivieren.

Ganz konkret gehe ich auf die Vorbereitung und Planung von Seminaren als auch deren Umsetzung ein, und das sowohl auf Dozierenden- wie auf Studierendenseite. Mit anderen Worten: ich beschäftige mich mit der Themen- und Lektüreauswahl, dem Format (Kleingruppen, Plenardiskussionen, Präsentationen etc.) und der Bewertung, sowie mit Fragen wie beispielsweise der Lese-Compliance. Und da das Seminarformat sehr flexibel ist, bespreche ich noch einige gängige Seminarformen, vom klassischen Referate-Seminar bis hin zum Online-Seminar.

2) Warum ist das Thema für die politikwissenschaftliche Hochschullehre wichtig?

Politikwissenschaftliche Hochschullehre besteht vor allem aus Seminaren! Somit haben Seminare auch eine herausragende Stellung in unserer Lehrtätigkeit; wahrscheinlich unterrichtet jede.r Politikwissenschaftler.in mindestens ein Seminar. Zudem beginnen die meisten von uns ihre Lehre mit dem Unterrichten von Seminaren – und am Anfang seiner Lehrkarriere hat man ja die meisten Fragen und Zweifel. Außerdem kennt sicher jede.r die Situation: keiner hat den Text gelesen, es kommt keine richtige Diskussion auf, am Ende gerät das Seminar immer mehr zum Monolog des Lehrenden. Aber die Politikwissenschaft lernt man nun mal am besten über das Tun: Seminare dienen vor allem dazu, das Werkzeug der Politikwissenschaften zu vermitteln, also Lesen, Denken, Präsentieren, Schreiben wie ein.e Politikwissenschaftler.in. Und dazu muss man eben selbst lesen, denken, präsentieren und schreiben, und nicht nur zuhören. Das ist der wesentliche Ausgangspunkt des Buches, der sich im Übrigen auch auf die pädagogische Fachliteratur stützt. Und Studien zeigen immer wieder die Vorzüge aktiven Lernens.

 

3) Wer sollte dieses Buch lesen?

Jede und jeder, die oder der Politikwissenschaft lehrt! Das Buch richtet sich zwar primär an Lehranfänger.innen, aber auch Kolleg.innen, die schon jahrelang Seminare unterrichten, finden hoffentlich den einen oder anderen Denkanstoß oder Idee für die eigene Lehre. Als ich für das Buch recherchiert habe und mich mit der entsprechenden hochschulpädagogischen Literatur beschäftigt habe, hat das auch meine eigene Lehre inspiriert. Zum Beispiel gebe ich mittlerweile keine Pflichtlektüre vor, sondern stelle eine Liste von 3-5 Texten pro Woche bereit. Die Studierenden dürfen dann frei wählen, welchen dieser Texte sie lesen. Der Austausch und Vergleich der verschiedenen Artikel dient dann schon als Basis für eine erste Diskussion in Kleingruppen.

 

Das Buch ist erhältlich über https://www.wochenschau-verlag.de/Seminare-in-der-politikwissenschaftlichen-Lehre-gestalten/41568 und bei allen Buchhandlungen.

 

Feedback produktiv nutzen

Dies ist ein Gastbeitrag von Achim Kemmerling (Universität Erfurt)

 

Feedback an Studierende ist eines der wichtigsten didaktischen Werkzeuge im Unterrichtsbetrieb. Interessanterweise lernt man als Sozialwissenschaftler*in, dass das Konzept des Feedbacks ursprünglich aus der Kybernetik stammt und dann ein essentieller Bestandteil des Lernens in der Systemtheorie und in der Gruppenpädagogik geworden ist. In der Lehrpraxis spielt jedoch der Gruppen- bzw. Systemgedanke häufig eine eher untergeordnete Rolle. Dadurch verschenkt man meines Erachtens aber Potential, Feedback produktiv zu nutzen.

Generell kann Feedback dazu dienen, a) Lerneffekte zu erzielen, oder b) Benotungen zu begründen. Diese Unterscheidung kennt die Pädagogik und Evaluationstheorie als formative oder als summative Form der Evaluierung. Formativ ist Feedback v.a. dann, wenn es im laufenden Verfahren, beispielsweise einer Lehrveranstaltung, eingebaut wird, um dadurch konkrete Lernfortschritte zu erzielen. Summatives Feedback erfolgt meist nach einer erbrachten Leistung im Vergleich zur Zielgröße, beispielsweise des Erwartungshorizontes einer/s Lehrenden. Beide Funktionen werden in der Praxis häufig gemischt, das kann aber auch zu Widersprüchen führen. Beispielsweise spielen bei der (summativen) Benotung von Prüfungsleistungen auch strategische Aspekte eine Rolle: Wie legitimiere ich meine Bewertung, wie minimiere ich negative Reaktionen? Im Vergleich dazu können formative Feedbacks eher frei und offen sein.

Ein weiterer Nachteil von Feedback zur Benotung ist, dass es sehr spät kommt und oft folgenlos ist. Gerade wenn Feedback am Ende des Kurses erfolgt, nehmen es Studierende vielleicht nur noch halbherzig zur Kenntnis. Kurse im nächsten Semester sind anders strukturiert, Feedback verpufft. Noch schlimmer ist es, wenn Feedback zur Benotung emotionale Reaktionen hervorruft, zum Beispiel, wenn Studierende enttäuscht sind. Das kann Lerneffekte blockieren.

Für mich ist jedoch ein letzter Nachteil von Feedback zur Benotung ausschlaggebend: Es wird zumeist individuell gegeben. Peer-to-Peer-Verfahren sind da zum Teil anders, aber auch solche Verfahren stellen nicht notwendigerweise die Gruppe im Gegensatz zum Individuum in den Vordergrund. So gesehen hat Feedback selten systemische Wirkung. Das muss nicht immer schlecht sein: Individuelles Feedback ist natürlich ein Zeichen für individuelle Wertschätzung und daher an einer modernen Massenuniversität auch ein Zeichen der persönlichen Anerkennung. Aber gerade das macht es auch so aufwendig. Die Gruppe profitiert davon in der Regel nicht.

In meiner Lehrpraxis versuche ich daher immer durch Feedback die Lerneffekte für die ganze Gruppe zu erhöhen. Erstens sollte Feedback in den Lehrveranstaltungen möglichst früh erfolgen, zum Beispiel unmittelbar im Anschluss an Präsentationen, oder nach dem Einreichen von schriftlichen Arbeiten. Aber es geht auch noch früher, wenn die/der Adressat*in des Feedbacks die Gruppe und nicht (nur) das Individuum ist. Daher kann es zweitens, wesentlich effizienter sein, Feedback in der Gruppe zu geben. Das führt dazu, dass Feedback nicht nur für die/den jeweilige(n) Leistungserbringer*in lehrreich ist, sondern für alle Kursteilnehmer*innen.

Um ein praktisches Beispiel zu geben: Wenn alle Seminarteilnehmer*innen unmittelbar nach Präsentationen oder Diskussionsleitungen Feedback geben, profitieren alle davon und die Qualität zukünftiger Präsentationen und Diskussionsleitungen wird in der Regel besser. Außerdem entfällt dann häufig auch schon die intensive Einzelberatung vor den Präsentationen sowie das intensive (summative) Einzelfeedback nach den Präsentationen. Als Kursleiter fand ich es immer frustrierend, dieselbe Information jedes Mal wieder geben zu müssen. Durch Feedback in der Gruppe reduziert sich dieser Aufwand erheblich.

Wenn man ein solches Feedback gibt, müssen die Seminarleiter*innen natürlich vorher darüber informieren, in welcher Form Feedback gegeben werden sollte. Der Nachteil des öffentlichen Peer-to-Peer-Verfahrens ist, dass dadurch die Privatsphäre verletzt wird. Daher sollte ein solches Feedback immer konstruktiv sein und v.a. formativen Charakter haben. Zudem sind Etiketten und Regeln sehr wichtig, etwa das ‚Sandwich-Prinzip‘: Lob – Kritik – konstruktive (wohlmeinende) Vorschläge. Dabei beginnt Feedback am besten immer mit einem Lob, bevor Kritik oder Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Idealerweise wird das Verfahren schon vorher im Syllabus erklärt und eine Etikett-Liste verteilt. Dieses Verfahren funktioniert meiner Erfahrung nach sehr gut. In keiner meiner Lehrveranstaltungen ist es bisher (meines Wissens nach) zu Konfrontationen oder negativen Auseinandersetzungen aufgrund solcher Gruppen-Feedbacks gekommen.

Auch ein solches Feedback-Verfahren kann Nachteile haben. Beispielsweise gibt es u.U. stärkere Pfadabhängigkeiten. Wenn ein Präsentationsstil oder -element in einer der ersten Sitzungen besonders positiv hervorgehoben wird, kann das dazu führen, dass alle nachfolgenden Präsentationen dieses Verfahren kopieren. Das ist bis zu einem gewissen Maße beabsichtigt, aber es kann auch über das Ziel hinausschießen und die Studierenden davon abhalten, sich eigene Gedanken zu machen. Solche Probleme sind jedoch relativ leicht zu beheben, zum Beispiel, indem man auf Abwechslungsreichtum in Präsentationstechniken hinweist. Auch können Studierende sehr zurückhaltend sein, was Kritik an ihren Kolleg*innen anbetrifft. Aber da kann der oder die Dozierende aktiv gegensteuern und Etikette-Regeln tragen ihr Übriges dazu bei, dass sich Studierende trauen, auch kritisches Peer-to-Peer Feedback zu geben.

Die Idee, Feedback möglichst früh und möglichst in der Gruppe zu geben bzw. zu bekommen, eignet sich auch für schriftliche Arbeiten, wie z.B. Hausarbeiten. Hierbei ist es vorteilhaft, ein Revise & Resubmit einzuführen: Die Arbeiten (oder Skizzen) werden eingereicht und im Kurs diskutiert. Dieses Feedback können die Studierenden dann in der finalen Version der Hausarbeit aufgreifen. Auch hier kann sich der Mehraufwand des (formativen) Feedbacks für Lerneffekte lohnen, indem der Aufwand für summatives (Benotungs-)Feedback reduziert wird und v.a. ein höheres Lernergebnis erzielt wird.

Ein solches Verfahren ist insgesamt natürlich sehr aufwändig, da man als Kursleiter*in alle Arbeiten zweimal lesen und kommentieren muss. Auch die Studierenden sollten idealerweise mehrere oder alle Essays der ersten Runde lesen. Dennoch kann sich bei kleineren und mittelgroßen Kursen dieser Aufwand lohnen. Im Zweifel würde ich lieber andere Teilnoten/Prüfungsleistungen weglassen, um eine Seminararbeit als Revise & Resubmit anlegen zu können.

Daran knüpft sich die Frage, ob sich solche formativen Feedbacks auch für größere Kurse oder sogar Vorlesungen eignen. Prinzipiell geht das, wie MOOCs (Massive Open Online Courses) zeigen. Feedback wird dort Peer-to-Peer z.B. in Forendiskussionen durchgeführt. Supervisiertes Feedback durch die/den Kursleiter*in ist dann natürlich schwierig, wenn die Teilnehmerzahl zu hoch ist. Aber bei entsprechender Anleitung, wie das Verfahren läuft, nach welchen Kriterien evaluiert werden soll und welche Etikett-Regeln gelten, können Feedbacks auch Peer-to-Peer dezentralisiert erfolgen.

Ein weiterer Vorteil von frühzeitigem, detailliertem und gruppenorientiertem Feedback ist, dass diese als Grundlage oder sogar als Ersatz für das Feedback zur finalen Benotung dienen können. Mit der Zeit habe ich gelernt wie man Feedback so schreibt, dass die Studierenden etwas Konstruktives daraus mitnehmen und nicht gleich in eine Abwehrhaltung verfallen, die zu endlosen Nachfragen oder sogar Beschwerden über (Teil-)Noten führen. Beispielsweise sollte Kritik immer mit Textstellen und Beispielen belegt werden. Pauschale Kritik ist für Studierende schwieriger nachzuvollziehen. Am Ende füge ich auch immer konstruktive Vorschläge ein, wie die Arbeit noch verbessert werden könnte. Das ist zwar de facto nicht mehr relevant, weil die Studierenden die Kommentare für diese Arbeit nicht mehr gebrauchen können. Aber sie bekommen eine Idee davon, welche Fehler sie in Zukunft vermeiden können. Zudem endet das Feedback auf eine positive Weise.

Zugegebenermaßen ist das Geben summativen Feedbacks eher eine Kunst als eine Technik. Aber auch für Feedback zur Benotung ist es hilfreich, wenn die Einschätzung auch von anderen Studierenden geteilt wird und die Sandwich-Regeln eingehalten werden. Dies führt zu einer enormen Zeitersparnis und zu einer Entlastung in der Korrespondenz.

Insgesamt ist Feedback zu Lernzwecken daher keineswegs nur ein Mehraufwand für Dozierende. Richtig eingesetzt, kann es für alle Beteiligten produktiv eingesetzt werden.

Lernen im Dialog: Aktivierende Methoden in der politikwissenschaftlichen Lehre – Ein Interview mit Caroline Kärger und Judith Gurr

Nach der Veröffentlichung zwei neuer Bände in der Kleinen Reihe Hochschullehre Politik haben wir wieder Interviews mit den AutorInnen geführt. In diesem Beitrag stellen Caroline Kärger (HAW Hamburg) und Judith Gurr (Leuphana Universität Lüneburg) ihren Band „Lernen im Dialog: Aktivierende Methoden in der politikwissenschaftlichen Lehre“ vor.

 

1) Worum geht es in Eurem Buch?

In unserem Buch geht es darum zu zeigen, wie Lehrende in ihren Lehrveranstaltungen Situationen herstellen und Anlässe schaffen können, in denen alle Studierenden aufgefordert sind, sich aktiv zu beteiligen und in den wissenschaftlichen Dialog zu treten. Das Buch ist aus der Erfahrung einer Situation heraus entstanden, die vermutlich viele Lehrende bereits erlebt haben: von den Studierenden einer Lehrveranstaltung beteiligt sich nur ein Bruchteil aktiv an den Diskussionen und Lernaktivitäten in einer Sitzung. Dabei ist gerade die mündliche Auseinandersetzung besonders relevant, da es zu den Zielen eines politikwissenschaftlichen Studiums gehört Studierende in der Aneignung dialogischer Kompetenzen zu unterstützen.

Deshalb skizzieren wir im Band wie dialogische Kompetenzen durch Konzepte aktiven Lernens und den Einsatz aktivierender Methoden gefördert werden können. Lehrenden bieten wir mit dem Band anwendungsorientierte Impulse für ihre eigene Lehre. Wir erläutern zunächst die Begriffe Dialog und dialogische Kompetenzen sowie die Relevanz dieser Kompetenzen und welche Ansätze es gibt um die Aneignung zu unterstützen. Im zweiten, längeren Teil des Buches werden dann in praxisorientierten Steckbriefen verschiedene aktivierende Methoden vorgestellt, die in den Präsenzphasen von Lehrveranstaltungen Diskussionsanlässe schaffen, Kommunikationsräume gestalten und Dialogkompetenzen fördern. Für alle Methoden gehen wir auf Ziele und Einsatzmöglichkeiten, Voraussetzungen und Material, Vorbereitung und Durchführung sowie Zeitbedarf, Teilnehmer*innenzahl und die Rolle der Lehrperson ein. Jede Methode wird durch Anwendungsbeispiele aus den verschiedenen Teildisziplinen der Politikwissenschaft illustriert. Wir geben sowohl in den Steckbriefen als auch am Ende des Buches konkrete Erfahrungswerte und Tipps weiter wie die Umsetzung der Methoden gelingen kann.

 

2) Warum ist das Thema für die politikwissenschaftliche Hochschullehre wichtig?

Es ist aus verschiedenen Gründen wichtig, dass wir als Lehrende Studierende darin unterstützen, Dialoge und Diskussionen führen zu können, Argumente zu entwickeln und sich mündlich kritisch mit Fragen und Themen der Politikwissenschaft auseinanderzusetzen. Erstens sind dies Fach- und Kernkompetenzen eines politikwissenschaftlichen Studiums. Politikwissenschaft ist pluralistisch und ein politikwissenschaftlicher Wissenskanon und -kern ist schwer festzumachen. Umso wichtiger ist der Erwerb dialogischer Kompetenzen, um verschiedene Positionen einnehmen, artikulieren, diskutieren sowie zwischen ihnen vermitteln zu können. Zweitens ist die Politikwissenschaft eine Disziplin, die eine wissenschaftliche (Aus-)Bildung bietet, aber kaum für konkrete Berufs- und Arbeitsfelder qualifiziert. Dialogische Kompetenzen sind deshalb unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigungsfähigkeit besonders arbeitsmarktrelevant und berufsbefähigend, da sie für viele Berufsfelder eine Grundvoraussetzung sind. Drittens sind dialogische Kompetenzen auch Kompetenzen für das Leben und die Teilhabe in einem demokratischen System. Der politikwissenschaftlichen Hochschullehre kommt deshalb gerade angesichts des Erstarkens populistischer Strömungen eine besondere Rolle in der Vermittlung dieser Demokratiekompetenz zu.

 

3) Wer sollte dieses Buch lesen?

Das Buch ist für alle Lehrenden der Politikwissenschaft interessant. Die vorgestellten Methoden sind so ausgewählt, dass sie für alle Teildisziplinen der Politikwissenschaft geeignet sind und sowohl von erfahrenen Lehrenden als auch von Einsteiger*innen eingesetzt werden können. Lehrende nehmen in diesen Methoden die Rolle von Lernbegleiter*innen ein. Bei der Auswahl der Methoden legten wir einen Fokus auf die Präsenzphasen von Veranstaltungen mit vielen Teilnehmer*innen, d.h. größere Seminare oder Vorlesungen, da die Förderung aktiven Lernens und die Unterstützung bei der Aneignung dialogischer Kompetenzen in solchen Formaten besonders herausfordernd ist. Die vorgestellten Methoden sind aber auch in Lehrveranstaltungen mit wenigen Teilnehmer*innen einsetzbar. Ferner sind es Methoden, die sowohl analog als auch digital gestützt durchgeführt werden können. Das Buch greift damit die Möglichkeiten der Digitalisierung für alternative Vermittlungs-, Partizipations- und Kooperationsmöglichkeiten auf. Einige der Methoden benötigen Vorbereitungszeit und können eine ganze Sitzung füllen, andere Methoden sind auch spontan einsetzbar. Ein Blick in das Buch lohnt damit sowohl bei der Veranstaltungsplanung zum Semesterbeginn als auch kurzfristig zur Inspiration für die Gestaltung einer Lehrveranstaltungssitzung. Wir wünschen allen Lehrenden viel Erfolg und Spaß beim Ausprobieren und Anpassen der Methoden in ihren Lehrveranstaltungen!

Das Buch ist bestellbar über https://wochenschau-verlag.de/Lernen-im-Dialog/40950-PDF und alle Buchhändler.

Call for Papers: Politikwissenschaftliche Hochschullehre – Wozu? (Fünfte Jahrestagung, Berlin, 17.-18. Februar 2020)

Der Call als pdf

Wozu betreiben wir Hochschullehre? Auf diese Frage gibt es viele mögliche Antworten, z.B. die formalistische (weil sie Teil unserer arbeitsvertraglich festgelegten Aufgabenbeschreibung ist) oder eine individuell-moralische (weil man sie für wichtig hält). Bei der fünften Jahrestagung des AK Hochschullehre wollen wir diese Frage aus systemischen, normativen und institutionellen Blickwinkeln betrachten. Anders gefragt: Was sind Ziele eines politikwissenschaftlichen Studiums und was bedeutet dies für unsere Lehre?

Wir rufen daher zu Beiträgen auf, die sich beispielsweise mit den folgenden Fragen beschäftigen:

  • Welche sind die Bildungsziele eines politikwissenschaftlichen Studiums? Hier gibt es natürlich Raum für unterschiedliche Antworten von Institut zu Institut, aber nur wenig explizite Debatten. Orientieren wir uns immer noch, oder etwa schon wieder am Ideal der „Demokratiewissenschaft“? Oder wenn es das klassisch-humanistische Bildungsideal sein soll, was ist daran spezifisch politikwissenschaftlich?
  • Im bildungspolitischen Feuilleton und in kollegialen Flurgesprächen werden Kompetenzen und Wissen gelegentlich als Gegensätze dargestellt. Wie kommen wir in der Lehre aber auch in innerfachlichen Diskursen weg von der Gegenüberstellung hin zur Komplementarität dieser beiden Ziele?
  • Im Anschluss an die von unserem AK mitgestaltete DVPW-Thementagung 2019 stellt sich die Frage, wie wir durch die Lehre im Besonderen in die Gesellschaft wirken. Wie bereiten wir (künftige und aktuelle) Praktiker*innen in Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft auf ihre Aufgaben vor? Wie befähigen wir die übrigen Studierenden dazu, aktive Staatsbürger*innen in einer zunehmend polarisierten Demokratie und einer globalisierenden Weltgesellschaft zu sein? Welche Anforderungen werden von außen an Studium und Lehre herangetragen und wie sollten wir ihnen begegnen?
  • Welche pädagogischen Vorstellungen stehen hinter unserer Lehre? Die politikwissenschaftliche Hochschullehre geschieht meistens ohne besondere lerntheoretische oder lernpsychologische Fundierung. Hier gibt es großen Spielraum und Bedarf, bildungswissenschaftliche und pädagogische Theorien für unsere Disziplin zu übersetzen und zu operationalisieren.
  • In Akkreditierungsverfahren werden Studiengänge regelmäßig als forschungs- oder praxisorientiert kategorisiert, aber wie drücken sich diese Einordnungen in Studium und Lehre aus? Sofern man mit dieser Dichotomie einverstanden ist, welche Bedeutung hat sie für die Formulierung von passenden Lernziele und die Gestaltung entsprechender Curricula? Nicht zuletzt geht es auch darum, ob wir diese selbst gesteckten Ziele erreichen. Welche Metriken benutzen wir dafür und durch welche Prozeduren fließt dies als Feedback in die Weiterentwicklung des Studienganges ein? Unter diesem Stichpunkt können auch Absolvent*innenstudien, die Erforschung einschlägiger Praxisfelder oder Verfahren des Qualitätsmanagements diskutiert werden.
  • Welche Stellung hat die Lehre an der Hochschule? Die relative Geringschätzung der Lehre im Vergleich zur Forschung, welche mit dem Begriff der „Reputationsasymmetrie“ beschrieben wird, ist allgemein bekannt. Aber welche Rolle – jenseits von Fensterreden – hat sie in der heutigen Mission der Hochschulen? Und wie differenziert sich dies nach Hochschulformen und/oder im Vergleich zur Politischen Bildung?
  • Die oben genannten Fragen spielen sich alle in größerer Flughöhe ab, aber was bedeuten sie für die Lehre im Kleinen, also auf der Ebene von Modulen und einzelnen Lehrveranstaltungen? Dies kann man normativ (Was sollten die Ziele sein?) oder praktisch beantworten (Wie trage ich zur Verfolgung der Ziele bei?). Dies umfasst auch die häufige Herausforderung, wie ich als Lehrende/r mit teils unklar formulierten Vorgaben in Prüfungsordnungen und Modulhandbüchern umgehe. Denkbar sind auch Beiträge aus institutioneller Perspektive, wie es z.B. ein Institut schaffen kann, seine Lehrenden auf gemeinsame Linien oder Ziele zu verpflichten, ohne in die Freiheit der Lehre einzugreifen.

Wie immer beschäftigen wir uns auch 2020 mit Lehrkonzepten und Erfahrungsberichten aus Lehrveranstaltungen unterschiedlicher Formate. Im Praxisforum möchten wir wieder die Gelegenheit geben, Lehr-Lernformate aus der Hochschullehre zu präsentieren, aber auch Ideen für solche Formate zur Diskussion zu stellen. Dabei geht es uns nicht nur um Lehrinnovationen, sondern auch um neue Perspektiven auf bewährte Themen, Formate und Probleme.

 

Einreichung von Beiträgen

Interessierte senden bis einschließlich 15.11.2019 einen Abstract (max. 500 Wörter) an lambach@normativeorders.net. Bitte geben Sie an, in welchem Format (Vortrag, Diskussion, Workshop, Roundtable, Poster o.ä.) Sie Ihren Teil im Rahmen der Tagung gestalten möchten und fügen Sie einige biografische Angaben (max. 200 Wörter) bei.

Nach Auswahl der Beiträge werden wir Sie bis zum 2.12.2019 über das finale Programm und den genauen Tagungsort informieren. Der Arbeitskreis ist leider nicht in der Lage, Reise- oder Übernachtungskosten zu übernehmen.

Bericht vom Workshop „Lehrbücher der Zukunft“ (Frankfurt, 9.9.2019)

Wir hatten bei unserem gestrigen Workshop sehr interessante und (zumindest für mich) erhellende Diskussionen über den Sinn, den Zweck und die Zukunft des Lehrbuchs in der Hochschullehre. Ich habe die Beiträge und Gedanken als Twitter-Thread dokumentiert:

Der ausführliche Workshopbericht befindet sich wie immer auf unserer Webseite – oder gleich hier: Am 9. September fand am Cluster Normative Ordnungen der Goethe-Universität Frankfurt am Main ein Workshop des AK Hochschullehre zum Thema „Lehrbücher der Zukunft“  statt. Ziel des Workshops war, im Dialog von Verlagen, AutorInnen und Lehrenden zu diskutieren, welche Funktion(en) das Lehrbuch angesichts sich wandelnder Rahmenbedingungen für die Lehre künftig haben kann und soll.

Lasse Cronqvist (Universität Trier) leitete in das Workshopthema ein. Er führte aus, dass sich das Lehrbuch den tradierten Reputationszuschreibungen für wissenschaftliche Karrieren nicht entziehen können. Gleichzeitig kann man das Lehrbuch als didaktisches Instrument nicht losgelöst von größeren Veränderungsprozessen im Kontext der Hochschullehre betrachten – konkret gesagt: Wie können Lehrbücher in zunehmend digitalisierte Lehrzusammenhänge eingebettet werden? Welche Rolle spielt das Lehrbuch für Verlage und Lehrende heute und in Zukunft?

In einer ersten Impulsrunde gaben Autoren und VerlagsvertreterInnen kurze Statements ab, die in die Diskussion einführten. Von Autorenseite schilderten Björn Egner und Markus Lederer (beide TU Darmstadt) ihre Perspektiven von wissenschaftlicher Seite. Sie beschäftigten sich u.a. mit der Frage, warum Lehrende überhaupt Lehrbücher schreiben und wie deren Wirkung auf die Karriere eingeschätzt wird. Von Verlagsseite diskutierten Tessa Debus (Wochenschau Verlag), Jan Treibel (Springer VS) und Alexander Hutzel (Nomos Verlagsgesellschaft), welchen Stellenwert Lehrbücher für ihre Verlage weiterhin haben und wie sie das Verlagsangebot angesichts neuer digitaler Möglichkeiten und Einsatzszenarien weiterentwickeln wollen.

Im Anschluss stellten Alexander Hutzel und Jan Treibel die Zukunftsvisionen ihrer Verlage für das Lehrbuchgeschäft vor. Sie stellten didaktische Anforderungen an Lehrbücher vor, grenzten Lehr- von Handbüchern ab und schilderten klare Vorstellungen darüber, wie die Zielgruppe(n) ihrer Lehrbuchreihen aussehen. Dabei hoben sie hervor, dass sich die Lese- und Studiergewohnheiten der Studierenden verändern – die Nutzung von Online-Angeboten steigt deutlich an und Studierende fragen zunehmend Videos und Audio zur Flankierung von Texten an. Gleichzeitig werde es schwieriger, passende AutorInnen zum Verfassen von Lehrbüchern zu animieren.

Der nächste Programmteil bestand aus der Vorstellung von drei aktuellen Lehrbuchprojekten. Als erstes stellte Ralf J. Leiteritz (Universidad del Rosario) einen Einführungsband in die Internationale Politische Ökonomie für seine kolumbianischen Studierenden vor. Danach präsentierte Markus Lederer seine Überlegungen für eine Einführung in die globale Umweltpolitik, wo der Lehrbuchmarkt bislang noch ziemlich leer ist. Zum Abschluss stellte Daniel Mertens (Universität Frankfurt) ein geplantes Buch zu globalen Finanzmärkten vor. Damit soll eine Lücke geschlossen werden, in der es bisher keine sozialwissenschaftlichen Einführungen gibt, diese aber von Studierenden stark nachgefragt werden.

In der Abschlussdiskussion wurde u.a. besprochen, was wir eigentlich über den Bedarf an bzw. den Umgang mit Lehrbüchern wissen. Hier wird noch die Perspektive der Studierenden und der Lehr-Lern-Forschung benötigt, um das sich verändernde Studierverhalten zu verstehen. Ferner wurde thematisiert, dass Lehrbücher eine wichtige Orientierungsfunktion haben, insbesondere für StudienanfängerInnen, die oft noch ein sehr monistisches Verständnis von Wahrheit haben. Nicht zuletzt besteht noch mehr Bedarf daran, den Lehrenden die Verwendung von Lehrbüchern zu vermitteln – es gibt verschiedene Möglichkeiten und Ansätze sie sinnvoll in die Lehre einzubringen.

Im Anschluss an die Tagung haben Tessa Debus und Daniel Lambach ein kurzes Interview zu den zentralen Erkenntnissen des Workshops aufgenommen. Einen Mitschnitt gibt es auf der Webseite des Wochenschau-Verlags.

„Politische Theorie und Film“ – Reflexion einer Lehrveranstaltung

Dieser Beitrag von Michael Haus ist Teil der Blogserie „Hochschullehre in der Politischen Theorie und Ideengeschichte“.

Im Sommersemester 2019 habe ich am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg eine Lehrveranstaltung geleitet, die etwas aus dem üblichen Rahmen fiel. Zugleich war die Frage nach dem „Rahmen“ für dieses Seminar von zentraler Bedeutung. Denn Filme lassen sich zugleich als Rahmen und Fenster verstehen – sie setzen etwas ins Bild und gewähren einen Blick in eine Welt, in der sich Fiktionalität und Realität auf ganz eigene Art miteinander verbinden (vgl. Ulrich Hamenstädt, 2016: Politik und Film, Wiesbaden: Springer VS, S. 13). In diesem Beitrag möchte ich kurz einige Erfahrungen zu dieser Lehrveranstaltung benennen und damit zur Reflexion über neue Wege in der Hochschullehre, vor allem in der Politischen Theorie, anregen.

Ich möchte vorweg schicken, dass ich ein interpretatives Verständnis Politischer Theorie teile. Ich gehe davon aus, dass Politische Theorie die Aufgabe hat, mit Hilfe theoretischer Konzepte die gesellschaftlich relevanten Güter, Praktiken und Institutionen zu deuten und kollektive Erfahrungen begrifflich zu fassen. Sie soll das Politische in verschiedenen gesellschaftlichen Sphären herausarbeiten und mögliche Haltungen dazu reflektieren. In der Populärkultur lässt sich nun einerseits die Vermittlung von Gesellschafts- und Politikverständnissen und die Austragung hegemonialer Deutungskämpfe erkennen. Zugleich zielt Populärkultur auf Unterhaltung, trägt die Charakteristika der Massenware an sich und wird auf endlose Weisen in die persönliche Lebensführung von Menschen integriert. Schließlich sind Filme aber auch der Sphäre der Kunst zuzurechnen, die aufgrund ihrer ästhetischen Qualitäten faszinieren und in ihrem Bedeutungsgehalt meist nicht auf eindeutige politische Botschaften reduziert werden können. In dieser Hinsicht sind Filme auch Teil eines eigenlogischen Diskurses der Filmkritiker und Filminterpreten.

Ziel des Seminars war ein besseres Verständnis für die Bedeutung und Relevanz politischer Theorien bzw. Ideen durch die interpretative Verbindung mit Filmen und Serien als Hervorbringungen der Populärkultur. Im Mittelpunkt stand folglich die Reflexion auf Chancen und Grenzen der Präsenz von politischen Theorien und Ideen in Filmen. Um diese Präsenz zu erkennen, ging es aber zugleich darum, Filme anders als gewohnt, nämlich „politisch“ und gesellschaftstheoretisch zu „lesen“ und zu beurteilen. Filmmaterial wurde dabei nicht bloß – wie inzwischen sicherlich nicht unüblich – als didaktisches Hilfsmittel der Visualisierung gebraucht. Vielmehr ging es darum, dieses mit Hilfe von Politischer Theorie in seiner Entstehung, seiner politischen Intentionalität und Narrativität sowie seiner Offenheit für unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten zu erschließen. Deshalb war es auch ein zentrales Anliegen, Filme nicht bloß mit fertigen politiktheoretischen Interpretationen „vorgesetzt“ zu bekommen, sondern selbst Filme zu sehen und mit Hilfe von Theorie politische Lesarten dieser zu entwickeln.

Das Seminar arbeitete in drei miteinander verbundenen Formaten: Als Erstes wurden im Rahmen einer Eingangsreflexion Texte zur gesellschafts- und hegemonietheoretischen Einordnung von Filmen und der Rolle der Filmindustrie gelesen (aus dem Bereich der Kritischen Theorie sowie gramscianischer Hegemonieanalyse). Texte zu Fragen des Verhältnisses von Wirklichkeit und Fiktion und zum Begriff des Politischen schlossen sich an. Schließlich ging es auch um ein Grundverständnis von Konzepten der Filmanalyse, um Filminterpretationen besser verstehen und selbst durchführen zu können.

Ein zweites Format waren themenspezifische Sitzungen. Hier ging es um vergleichende Analysen von (ausgewähltem) Filmmaterial anhand von Leitfragen und unter Rückbezug auf theoretisch-konzeptionelle Literatur. Im Einzelnen umfasste dieser Block folgende Themen:

  • „Propaganda-Filme: politisch gefährlich, aber künstlerisch wertvoll?“
  • „Das Spiel der Macht im Film: What would Machiavelli say?“
  • „Biopics politischer TheoretikerInnen und geistiger FührerInnen – Verkörperungen politischer Ideen ins Bild gesetzt?“
  • „Ökologische Motive und green political theory – der Mensch als selbstzerstörerisches Lebewesen“
  • „Sci-Fi – unterwegs zu neuen oder alten Zivilisationen?“
  • „Kapitalismuskritik im Film – nur out of Hollywood?“

Als drittes Format kamen schließlich Filmabende hinzu. Hier sahen wir uns ganze Filme zusammen an und verbanden dies mit einer Textlektüre zu spezifischen Theoretiker*innen. Es handelte sich dabei um öffentliche Veranstaltungen, zu denen immer auch eine Reihe von Gästen erschien. Die Filme wurde in kompletter Länge angeschaut, zwischendurch aber durch die Referent*innen einige Male unterbrochen, um Diskussionen zu einzelnen Abschnitten anzustoßen. Die Filmabende umfassten folgende Filme und Theoretiker*innen:

  • „Die göttliche Ordnung“ (2017) und Simone De Beauvoir
  • „Sie leben/John Carpenter‘s They Live“ (1988) und Slavoj Žižek
  • „Die Verlegerin/The Post“ (2017) und Charles Taylor
  • „Matrix Reloaded“ (2003) und Cornel West
  • „The Danish Girl“ (2015) und Judith Butler

Im Unterschied zu einer bloß didaktisierenden Anwendung von Filmmaterial, so lässt sich aus meiner Perspektive festhalten, bietet die dargestellte Vorgehensweise die Möglichkeit, Politische Theorie und Film in einen fruchtbaren Dialog miteinander zu bringen. Auf der einen Seite können Theorien mithilfe von Filmmaterial interpretiert, diskutiert und eingeschätzt werden. Als visuelles und narratives Werk kann ein Film dabei auch begrifflich schwer fassbare Phänomene vermitteln, unmittelbar die emotionale Ebene einbeziehen und Selbsterfahrungen ermöglichen, die in politischen Theorien nur schwer ihren Platz finden. Ich denke hierbei etwa an die Naturdarstellungen in „Unsere Erde“ oder die ins Bild gesetzte Zivilisationskritik in „Koyaanisqatsi“, die wir beim Thema „Ökologie“ behandelten. Auch wenn der „Selbstwert von Natur“ begrifflich nicht vermittelbar sein mag und deshalb in der Politischen Theorie als Versuch der „Wiederverzauberung der Welt“ kritisiert wird, kann man sich der filmischen Darstellung der überwältigen Schönheit der Natur kaum entziehen. Zugleich machen Naturfilme performativ deutlich, dass die Darstellbarkeit dieser Schönheit just durch jene technologische Revolution eine ungeheure Steigerung erfahren hat, die auch als Ausgangspunkt ihrer Vulnerabilität gelten kann. Auch das Thema „Propaganda“ eröffnete Formen der Selbsterfahrung, die rein begrifflich kaum vermittelbar erscheinen. So gingen nicht nur viele Studierende, sondern auch der Dozent mit dem Gefühl aus der Sitzung, dass „Triumph des Willens“ vielleicht auch auf einen selbst eine hochgradig verführerische Wirkung hätte ausüben können. Auf der anderen Seite konnten Filme durch den Rückbezug auf Politische Theorie sowohl als Konstruktion von Wirklichkeit gewürdigt als auch in ihren ideologischen Seiten erkannt und kritisch reflektiert werden. Wir haben zudem immer wieder über die Visualisierbarkeit und Erzählbarkeit politischer Ideen und theoretischer Argumentationsfiguren reflektiert.

Wie die Rückmeldung der Studierenden zeigte, hat das Seminar neue theoretische und cineastische Horizonte eröffnet. Für Dozent*innen, die der Überzeugung sind, dass Politische Theorie möglichst keinen Spaß machen sollte und durch die Majestät ihrer intellektuellen Höhen Ehrfurcht einflößen sollte, ist ein solches Format indes nicht zu empfehlen.

Die Gedanken sind frei: Lehre ohne PowerPoint?

Dies ist ein Gastbeitrag von Constantin Wurthmann (Universität Düsseldorf)

Das Stichwort „Digitalisierung“ ist nicht erst seit dem Bundestagswahlkampf 2017 in aller Bildungspolitiker*innen Munde. Auch Bildungsexpert*innen und Hochschulleitungen springen zunehmend auf diesen Zug auf. Allzu oft wird Digitalisierung aber lediglich als Einsatz elektronischer Folien (miss-)verstanden. Schon vor 10 Jahren missfiel es einem meiner Lehrer, wenn im Fach Erdkunde/Politik das Halbjahr abschließende Präsentationen mit Plakaten präsentiert wurden – PowerPoint sei doch der neue Schrei. Man müsse mit dem digitalen Wandel gehen und diese Herausforderungen akzeptieren. An der Universität angekommen, wurde eben jenes Bild durchweg bestätigt. PowerPoint-Präsentationen hier, PowerPoint-Präsentationen dort. Referate? Eine PowerPoint-Präsentation muss her. Kolloquium? Packt die Präsentationen aus! Das Studium hatte Struktur, die regelmäßige Lektüre konnte jedoch oft vernachlässigt werden, da die wichtigsten Inhalte später auf den Folien zu finden waren, die uns zur Verfügung gestellt wurden.

Weigerte sich ein*e Dozent*in einmal entsprechende Folien zu erstellen, so war das Geschrei groß. Ein Skandal. Wie konnte uns nur mundgerechte Lehre verweigert werden?
Mit dieser Einstellung beendete ich mein Studium und startete bald in die Lehre. Die grundsätzliche Freude darüber, dass man nun selber loslegen durfte, wurde durch fehlende Lesedisziplin getrübt. Hatte ich selber zum Teil noch Lehre erlebt, die sehr an den wissenschaftlichen Texten orientiert war, so wollte ich neue Diskussionen anstoßen, mich von den Texten lösen und so die Themen von neuen Blickwinkeln beleuchten.

In einem Seminar Anfang Dezember trat nun die Situation auf, dass ein 25-Seiten-Text über die klassischen Modelle der Wahlforschung nur vier Leser*innen fand, obgleich über 20 Studierende zur Sitzung um 8 Uhr erschienen waren. Auch in der vorherigen Woche war zu beobachten, dass die Lesebereitschaft immens nachgelassen hatte. Um dieses Verhalten zu sanktionieren, fasste ich dieses Mal den Entschluss, dass ich keine Präsentation bereitstellen würde – weder in der Seminarsitzung, noch im Anschluss für Abschlussprüfungen.

Was als Sanktion gedacht war, sollte sich jedoch nicht nur für mich, sondern auch für die Studierenden als großes Geschenk erweisen. Dies möchte ich im Folgenden aus zwei Perspektiven beleuchten. Zum einen, ob und inwiefern ich eine Veränderung für die Studierenden festgestellt habe, aber auch zum anderen, inwiefern sich diese Stunde für mich gestaltete und welche Schlussfolgerungen ich daraus ziehe.

Die Sicht auf die Studierenden          

Gute Seminare zeichnen sich durch eine gute Lehre aus. Gute Lehre geht aber nicht ohne eine Mitarbeit der Studierenden.  Lehrenden kommt die Aufgabe zu, die Mitarbeit der Studierenden zu fordern und gleichzeitig auch fördern. Frontalunterricht mag in autoritären Gesellschaften eine gute Lösung sein, nicht jedoch in Gesellschaften, die ihre Lehre auch im Sinne einer Ausbildung von aufgeschlossenen und frei denkenden jungen Menschen begreifen. Zentral sind dabei Diskussion und Debatte. Um in diesen ein tiefgreifendes Verständnis zu gewinnen, muss jedoch zunächst eine gemeinsame Basis geschaffen werden, was in diesem Fall durch die obligatorische Literatur erreicht wird.

Zweifelsohne können Präsentationen für Prüfungsvorbereitungen eine immense Bedeutung haben, doch lenken sie auch von der Debatte ab. Es liegt in der Natur der Sache, dass Studierende automatisch mehr Notizen erstellen, wenn keine PowerPoint-Präsentation gehalten wird. In dieser Zeit findet eine intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik statt, von der man sonst durch Smartphones oder andere elektronische Geräte abgelenkt worden wäre.

Tatsächlich war der ganze Kurs konzentrierter und – gerade wenn man bedenkt, dass das Seminar um 8 Uhr startete – wacher. Die Studierenden hinterfragten viel mehr Inhalte, zeigten aber auch erstmals mehrheitlich eine beeindruckende Transferleistung, die zuvor nur von wenigen Studierenden gezeigt wurde. Hinzukommend beteiligte sich erstmals jede*r einzelne Teilnehmer*in, woraus sich intensive Diskussionen zwischen den Studierenden entwickelten.

Die Lehre aus der Sicht des Lehrenden

Wenn wir als Dozierende PowerPoint-Präsentationen zur Verfügung stellen, verfolgen wir immer die Absicht, dass eine bestimmte Debatte entstehen könnte. Selbstverständlich in dem Bewusstsein, dass dies auch oft unwahrscheinlich ist.

Entstehen interessante Diskussionen, die wir fördern möchten, werden auch manchmal Inhalte übersprungen, die uns dann nicht mehr als so relevant erscheinen, da wir sie als „Notnagel“ für fehlende Diskussionskultur eingefügt haben. Diskussionen von Seiten der Studierenden kann man nicht erzwingen, aber fehlen diese, muss eine Alternative vorbereitet sein. Ich nenne so etwas „Füllfolien“, die auch einen Mehrwert haben, aber nicht an den eines tatsächlichen Austauschs kommen.

Manchmal sind PowerPoint-Präsentationen vor diesem Hintergrund der rettende Anker. Sie können aber auch ein Korsett sein, in welches wir uns selber pressen und uns damit jeglicher Kreativität und Spontanität berauben. Auch diese Erkenntnis musste ich für mich ziehen: ohne Präsentation musste ich zwar bestimmte Modelle händisch an die Tafel malen, war jedoch in der tatsächlichen Lehre und Vermittlung freier denn je, was das Arbeitsklima immens verbesserte.

In Zukunft werde ich in meiner Lehre PowerPoint-Präsentationen deutlich reduzieren und nur die nötigsten Inhalte auf ihnen vermitteln. Wenn überhaupt. Nicht umsonst heißt es in einem alten Studentenlied: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten“ – wir als Lehrende können dies nicht. Wir sollten unsere Lehre daraufhin anpassen und im Sinne ihrer besten Traditionen modernisieren: Hin zu Dialog und Austausch – und damit das Korsett der PowerPoint-Präsentationen hinter uns lassen, um unseren Studierenden mehr eigene Gedanken zuzutrauen.